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# taz.de -- Musiker Der Täubling auf Tour: Liebt das Leben, hasst die Existenz
> Als falsch abgebogenen Jazz bezeichnet Der Täubling seinen Sound. Als Mix
> aus Wut, Rap und Punk empfinden ihn andere. So oder so – die Musik kommt
> an.
Bild: So viel Champagner muss sein – findet Musiker Der Täubling
Der Täubling ist wütend. Wahrscheinlich ist er auch wahnsinnig, momentan
vor allem wütend. Zum Beispiel auf YouTube, weil die Plattform sein Video
zum Track „Du Penner“ aufgrund von Richtlinien in Bezug auf „Sex und
Nacktheit“ zunächst gesperrt hatte, bevor er es veröffentlichen konnte.
Eine Entscheidung, die der Urheber als prüde und kunstfeindlich empfunden
hat, als er sich angesehen hat, was dort sonst alles an sexistischer
Scheiße durchgeht. Gestern hat YouTube doch eingewilligt. Sehen darf den
Clip nun, wer 18 Jahre oder älter ist.
Wut zeigt sich in des Täublings Liedern oft. Seine Musik ist eine Mischung
aus Schimpftirade, Rap und Punk. „Falsch abgebogener Jazz“ nennt es der
Künstler selbst. „Du Penner“ ist da ein gutes Beispiel, einer seiner
größten Hits – wobei das Wort Hit bei seiner Trotzhaltung gegenüber
üblichen Prinzipien von Vermarktung deplatziert wirkt; denn „Du Penner“ ist
einer dieser Perlen, die sich sofort im Kopf der Hörerin festsetzt: eine
wunderbar wüste Beschimpfung eines imaginären Gegenübers: „Du bist ein
gottverdammter Penner, du Penner/ Tautologien machen mir Spaß, du Penner!“
Auf den Hass angesprochen, der sich durch sein Werk zieht, erklärt der
Künstler, der sein Alter nicht nennen möchte, dass er zwischen Hass und
Zorn unterscheidet: „Hass lähmt und vereinsamt mich, worauf ich in meinen
Liedern humorvoll Bezug nehme, das macht uns allen kurz Spaß, okay?“,
erklärt der Täubling. „Zorn hingegen ist Treibstoff meiner sozialen und
politischen Intelligenz. Er lässt mich nicht müde werden, meine eigene
Dummheit und die katastrophale Dummheit, die mich umgibt, zu bekämpfen. Der
Zorn ist die Liebe des linken Menschen zur Veränderung.“
Der Täubling droppt Schriftstellernamen wie Fernando Pessoa und Georg
Trakl, nur um an anderer Stelle über Jopi Heesters und Xavier Naidoo
herzuziehen. Man müsse gute Literatur geschrieben haben, um in seinen Songs
vorzukommen. Anstacheln tun ihn auch die Schrottvögel des Trash. „Bei den
Scheißekandidaten geht es vornehmlich darum, dass sie ihr konkretes
Scheißen transzendiert haben und zum Scheißesymbol geworden sind.“
Sein Debütalbum „Der Täubling“ hat er 2017 beim HipHop-Label Sichtexot
veröffentlicht. Vice meinte damals, das Werk habe ein mieses Rap-Jahr
gerettet. 2018 betrat Der Täubling von der Fusion bis zum
Reeperbahnfestival große Bühnen, wobei er das Festival Splash als „absurd
kapitalistisches, heteronormatives, Künstler und Mitarbeiter ausbeutendes
Drecksloch“ bezeichnet, nicht nur, weil außer ihm und seiner
Bühnenpartnerin Babsi kein weiterer queerer oder dezidiert linker Act
spielte, sondern auch, weil dort Mitarbeiter von Red Bull herumliefen, um
zu prüfen, ob in jedem Kühlschrank Getränkedosen auch in der vorderen Reihe
und mit Logo sichtbar stehen. Bühnenpartnerin Babsi ist wegen ihres Umzugs
nach Österreich momentan seltener mit von der Partie. Dafür spielt nun ein
kleines silbergraues Etwas namens Stein mit, eine „alte Freundin*“ des
Täubling.
Am liebsten tritt Der Täubling in kleinen Läden auf, weil die ihm – wie
verlangt – Champagner kredenzen. Rambazamba solle bei seinen Konzerten, die
man auch als Aktionskunst bezeichnen kann, stattfinden und nicht, dass „nur
so glotzende Kunststudent*innen rumstehen, traurig auf ihrer
Gutbürgerlichkeit herumtapsen und sich nicht trauen, eine emotionale Regung
zu zeigen, weil sie Angst haben, dass ihnen dann ein Zacken aus der Krone
bricht.“
Was verbirgt sich da für ein Mensch hinter seiner „Ich bin nicht der
verkackte Donnie- Darko-Hase“-Maske? Das gehe uns einen feuchten Kehricht
an, sagt der Musiker, von dem wir wissen, dass er mal in Leipzig gewohnt
hat und jetzt in Nordrhein-Westfalen lebt. Alles weitere Private bliebt im
Unklaren. Er selbst stellt sich gelegentlich als „Professor für angewandte
Misanthropie“ vor. Seine wichtigste These? „Hate existence, love life“,
sagt er. „Was allerdings weniger eine These als ein verzweifeltes Mantra
ist, dass ich mir unablässig selbst zuflüstere.“ Ist Der Täubling, der sich
selbst den Vornamen Amadeus Magnus Ephraima gegeben hat, doch vielmehr
wahnsinnig? Fragt man ihn selbst, verneint er. „Wenn ich wahnsinnig wäre,
würde ich nein sagen. Wenn ich nicht wahnsinnig wäre, würde ich auch nein
sagen“, erklärt er. „Wenn ich ja sagen würde, wäre ich prätentiös und
keinesfalls wahnsinnig. Wer von sich selbst sagt, er sei crazy, ist immer
ein langweiliger Arsch. Ich sage nein and we’ll both never know…“
5 Apr 2019
## AUTOREN
Juliane Streich
## TAGS
Rap
Tour
Punk
Musik
HipHop
Rap
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