# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Wer sind die deutschen Ureinwohner? | |
> Der US-Bundesstaat New Mexico feiert statt Columbus-Day jetzt „Indigenous | |
> Peoples' Day“. Und wir? Was und wen feiern wir in Zukunft? | |
Bild: Migrant: Hermann, the German, auch genannt Arminius, hier beim Schwerttan… | |
Es ist einem Arschloch zu verdanken, dass ich, wenn mich englischsprachige | |
Menschen fragen, wo ich herkomme – nein, wo ich wirklich herkomme, nein, wo | |
ich wirklich, wirklich herkomme – irgendwann mit zusammengebissenen Zähnen | |
sage: I’m an Indian – but not that kind of Indian! | |
Besagtes Arschloch ist natürlich Cristofero Columbo. Da das kein guter | |
deutscher Name ist, wird er als Christoph Kolumbus eingedeutscht. Wie wir | |
wissen, glaubte Kolumbus bis zu seinem Tod, er habe den Seeweg nach Indien | |
entdeckt, also plappern bis heute alle seinen Fehler nach und nennen die | |
Menschen, die den Kontinent, den er stattdessen entdeckte, schon vorher | |
entdeckt hatten, Inder, nur halt auf Englisch: Indians. | |
Damit nicht genug, sollen ebendiese Menschen den Tag, an dem Dumpfbacke bei | |
ihnen landete und – um zu beginnen, wie er weitermachen würde – sofort | |
sechs von ihnen einsackte, weil sie „gute Sklaven abgeben würden“ (Zitat | |
Kolumbus), jedes Jahr als Feiertag … feiern! | |
Das ist, als würde Israel Hitlertag feiern oder Indien | |
Winston-Churchill-Day. Aber Churchill hat doch gegen Hitler gekämpft? Ja, | |
und gleichzeitig fand er es während der Hungersnot in Bengalen eine gute | |
Idee, Lebensmittel aus Indien zu exportieren, um Vorräte für England | |
anzulegen, schließlich könnte man ja mal was naschen wollen. Als Vizekönig | |
Archibald Wavell ihm schrieb, dass die Menschen auf den Straßen | |
verhungerten – nicht im übertragenen Sinne, sondern vier Millionen Menschen | |
–, schrieb Churchill an den Rand des Telegramms: „Warum ist Gandhi noch | |
nicht verhungert?“ | |
## „Der Deutsche“ ist Migrant | |
Spoiler: Indien feiert den Churchill-Day nicht. Und New Mexico feiert ab | |
jetzt auch nicht mehr den Columbus Day! Letzten Dienstag unterzeichnete die | |
Gouverneurin des US-Bundesstaats Michelle Lujan Grisham ein Gesetz, das den | |
Tag offiziell abschafft und stattdessen den „Indigenous Peoples’ Day“ als | |
nationalen Feiertag einsetzt. Damit ist New Mexico der sechste | |
amerikanische Staat – nach Alaska, Minnesota, Vermont, Nevada und Oregon – | |
der nicht mehr Kolonialismus, Unterdrückung und Versklavung feiert, sondern | |
Versöhnung und Heilung. | |
Geht doch! Und hat nur 500 Jahre gedauert. | |
Also: Welchen Indigenous Peoples’ Day sollen wir feiern? Auch wir können | |
Versöhnung und Heilung gebrauchen. Wer sind die Ureinwohner Deutschlands? | |
Wie sich herausstellt, sind es die … Migrant*innen. DNA-Analysen ergaben, | |
dass die Vorfahren der Deutschen – sogar die von Hermann, the German, mit | |
der Varusschlacht und dem fetten Denkmal im Teutoburger Wald – „ein | |
genetischer Mischmasch aus verschiedenen Einwanderungswellen sind, vor | |
allem aus dem Nahen Osten“ [1][erklärt Anne Gibbons im Science Magazine]. | |
Deshalb schlage ich vor, dass wir den Tag der Deutschen Einheit, den | |
sowieso keiner will, abschaffen und stattdessen den Tag der Migrant*innen | |
begehen. | |
9 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/warum-es-die-deutschen-… | |
## AUTOREN | |
Mithu Sanyal | |
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