# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Schwierige Bettgenoss*innen | |
> Man muss nicht kuscheln wollen, mit wem man demonstrieren geht. Trotzdem | |
> ist Solidarität nötig. Aber ist sie möglich? | |
Bild: Nach der Demo ist vor der Demo | |
Erinnert ihr euch noch an [1][#unteilbar]? Natürlich, schließlich waren wir | |
alle unteilbar. Zumindest in Gedanken. Und weil so viele auf die Straße und | |
den Datenhighway gegangen sind, unkten sofort neunmalkluge Kollegen, ob | |
sich wirklich alle in allem einig wären (hö, hö). | |
Ich habe das damals abgetan. Schließlich sind einige meiner besten | |
Freund*innen manchmal nicht einer Meinung mit mir – auch wenn sie mir das | |
nicht ins Gesicht sagen würden. Und ich habe ihnen trotzdem nicht den | |
Feminismus-Ausweis aberkannt! | |
Nun muss ich nicht mit allen kuscheln wollen, mit denen ich demonstriere. | |
Doch sind das trotzdem ernst zu nehmende Fragen: Wie können wir miteinander | |
Politik machen, wenn wir uns gar nicht 100-prozentig sicher sind, ob das, | |
was die anderen wollen, nicht … ja, ja, schreib es hin! … schädlich ist? | |
Feminist*innen, die sich für Sexarbeiter*innenrechte einsetzen, und | |
Feminist*innen, die Sexarbeit verbieten wollen; Linke, die sich für Rechte | |
von Palästinenser*innen einsetzen, und Linke gegen Antisemitismus: | |
spontan fallen mir so viele schwierige Bettgenoss*innen ein, dass ich die | |
gesamte Kolumne locker damit füllen könnte und noch immer keine Lösung | |
hätte. | |
Zum Glück muss ich die Antwort auf die Frage „Solidarität – ja, nein, | |
vielleicht – und vor allem: wie?“ gar nicht finden oder zumindest nicht | |
allein. Dafür gibt es ab dem 19. 3. eine Reihe von Thinktanks, die nach dem | |
Motto „The medium is the message“ nicht hinter verschlossenen Türen | |
stattfinden, sondern öffentlich im Berliner Theater Hebbel am Ufer. | |
## Das sind die Gespräche, die wir brauchen | |
Und für alle, die nicht nach Kreuzberg kommen können, via Livestream. Nach | |
der Demo ist vor der Demo. #unteilbar geht weiter, und zwar am Runden | |
Tisch. Daran diskutieren Max Czollek, Sabine Hark, Sharon Dodua Otoo, Uwe | |
Meinhardt, Anna Stiede, Koray Yılmaz-Günay und eben wir alle darüber, wie | |
sich soziale Fragen und Identitätspolitiken und und und zusammen denken | |
lassen. Organisiert und imaginiert von Margarita Tsomou, die die beste | |
Jobbeschreibung der Welt hat, nämlich Theorie- und Diskurskuratorin des | |
HAU. | |
Und damit ihr nicht denkt, dass das lediglich eine glorifizierende | |
Terminankündigung ist, gebe ich es hiermit schriftlich: Das sind die | |
Gespräche, die wir brauchen, und zwar gesamtgesellschaftlich. Bevor wir | |
lernen, die AfD zu lieben, sollten wir erst einmal herausfinden, wie wir | |
unterschiedliche Positionen in den eigenen Reihen aushandeln können. | |
Nebenbei ist das auch deutlich interessanter, als sich ständig daran | |
abzuarbeiten, was uns die Rechten vor die Füße werfen. | |
Auch wenn das einfacher ist, denn da weiß ich, wo ich stehe, und ich kann | |
mir sicher sein, dass mir meine Peergroup applaudiert. Doch hier geht es | |
nicht um Zustimmung, sondern um gesellschaftlichen Wandel! Wir sind ja | |
nicht die besseren Menschen, wir sind nur die furchtloseren Menschen. See | |
you im Livestream! | |
18 Mar 2019 | |
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[1] /Deutschlands-groesste-Demonstrationen/!5542791 | |
## AUTOREN | |
Mithu Sanyal | |
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