# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Familienbanden bilden | |
> Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft? Dann wird es höchste | |
> Zeit, dass wir die Definition dessen erweitern, wie wir uns Familie | |
> vorstellen. | |
Bild: Eine Geschichte von Liebe und Solidarität, von Mitgefühl und Mut – di… | |
„Alle glücklichen Familien gleichen einander. Jede unglückliche Familie ist | |
auf ihre eigene Art unglücklich.“ Keine Sorge, Sie haben nicht statt der | |
taz versehentlich „Anna Karenina“ aufgeschlagen. Aber lange dachte ich, | |
wenn Tolstoi das sagt, dann stimmt das auch so. Und da alle glücklichen | |
Familien in Romanen oder Romcoms aus weißem Vater/Mutter/biologischem Kind | |
bestanden, schätzte ich meine Chancen, lucky in love zu werden, nicht | |
besonders hoch ein. | |
Nicht der Norm zu entsprechen bedeutet, dass man das Gefühl hat, weniger | |
Liebe wert zu sein – so das Ergebnis einer unrepräsentativen Befragung | |
meiner queeren, POC oder schlicht Patchwork Freund*innen. Das erfahren wir | |
schließlich an jeder Ecke. | |
Im Großen: Wie dem Schutz der Ehe und Familie, immerhin ein Grundpfeiler | |
des Grundgesetzes, der nur gilt, wenn diese Familien deutsch sind, weshalb | |
über Familiennachzug verhandelt wird als wäre das Plutonium. Darf's ein | |
bißchen mehr sein? UM GAR KEINEN PREIS!!! | |
Im Kleinen: Wenn ich mit den beiden Vätern meines Sohnes zum | |
Elternsprechtag gehe, werden wir – jedes Mal! – gefragt, wer denn die | |
echten Eltern sind, als wären alle anderen Hirngespinste. Wir werden als | |
die Ausnahmen angesehen, als die | |
Oh-Mist-jetzt-müssen-wir-uns-auch-noch-um-Euch-Gedanken-machen-Eltern, | |
dabei sind wir die Ja-klar-so-geht-es-auch-keep-calm-and-carry-on-Familien. | |
## Ein Kinderbuch | |
Deshalb ist es wichtig, dass wir – ja! Gesetze ändern – aber eben auch mehr | |
und diversere Narrative haben. Und da das hier meine Kolumne ist, kann ich | |
machen, was ich will, und was ich will ist: Product Placement. | |
Das Buch, das mir dieses Jahr die meisten Tränen in die Augen getrieben | |
hat, ist „Zwei Mamas für Oskar“ von Susanne Scheerer mit Illustrationen von | |
Annabelle von Sperber. Ja, es ist ein Kinderbuch, über (Sa)Bine und Lina, | |
die sich so sehr nach einem gemeinsamen Kind sehen, dass der unerfüllte | |
Wunsch bald größer wird als sie und droht die beiden zu erdrücken – bis | |
ihre Freunde Leonore und Hans (wunderbar dargestellt als Gärtner, dessen | |
Samen bunte Blumen zum Blühen bringt) beschließen ihnen zu helfen. Eine | |
Geschichte von Liebe und Solidarität, von Mitgefühl und Mut, erzählt mit | |
einer nahezu magischen Selbstverständlichkeit. Das ist mal eine | |
Bilderbuchfamilie. | |
Noch mehr Selbstverständlichkeit gibt es bei der aktuellen Crowdfunding | |
Kampagne von Leona Games. Das sind die Genies hinter dem Family Memory, das | |
Vielfalt von Familien spielerisch erfahrbar macht: Race, Sexualities, | |
Gender und Gedächtnisübungen. Nur ist Memory ein geschützter Begriff, | |
deshalb heißt das ganze [1][„FAMILY Memo“]. Auf startnext.com/familymemo | |
können jetzt alle dazu beitragen, dass Deutschland nicht nur vielfältig | |
ist, sondern es auch endlich schafft, sich daran zu erinnern. | |
21 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.startnext.com/familymemo | |
## AUTOREN | |
Mithu Sanyal | |
## TAGS | |
Familie | |
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