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# taz.de -- Bündnis #unteilbar formiert sich neu: Alle zusammen – ohne Grenz…
> Im Berliner Hebbel-Theater diskutierte am Dienstag das antirassistische
> Bündnis #unteilbar über die Zukunft. Brüche können nicht ausbleiben.
Bild: #unteilbar Demo am 13. 10. 2018 in Berlin
BERLIN taz | Regenbogenflaggen, Fußballfans, Techno, orangene
Rettungswesten. Sie alle waren unteilbar. Im Oktober 2018 demonstrierten
rund 250.000 Menschen „für eine offene und freie Gesellschaft“ in Berlin.
Sie wollten dem europaweiten Rechtsruck und der Hetze gegen Geflüchtete
etwas entgegensetzen: Solidarität.
Nun will das Bündnis #unteilbar sein Profil schärfen. Diskussionsforen
sollen Aktive und Intellektuelle verbinden. Zum [1][Auftakt] im fast vollen
Hebbel-Theater am Dienstagabend in Berlin wurde die Verbindung von Kämpfen,
wurden unterschiedliche Konzepte von Solidarität diskutiert. Nach dem
Großevent müsse die Arbeit kleinteiliger, verstetigter werden. Und raus aus
den Städten, rein in das Ländliche, in den Osten.
Bei der Veranstaltung zeigten sich allerdings auch Leerstellen des
Bündnisses. Die Runde auf dem Podium benannte keine klaren Grenzen der
Zusammenarbeit und zeigte ihr stark akademisches Profil.
Ein Erstarken der „sozialen Grammatik der Härte“ analysierte die
feministische Wissenschaftlerin Sabine Hark zum Auftakt. Der
Neoliberalismus habe Ausgrenzung und Individualisierung weltweit
verschärft. In Deutschland würde ein „unterschiedliches Set an Rechten“
zugeteilt, die sich international an rassistischen und sexistischen Grenzen
noch weiter zuspitzen würden. Der globale Konkurrenzkampf verhindere die
Solidarität, bekämpfe sie schon im Ursprung, so Hark.
## Mach meinen Kumpel nicht an
Betriebe sind eigentlich auch heute noch zentrale Orte dieser Konkurrenz.
Diese würden aber „letztlich relativ geschützte Orte“ darstellen, so der
IG-Metaller Uwe Meinhardt. Arbeitskämpfe könnten eine „zutiefst emotionale
Geschichte“ sein, in der Solidarität gelebt und erfahren wird. In einer
gewachsenen Kultur des „Mach meinen Kumpel nicht an“ hätte es der Rassismus
schwer.
Diese These stieß auf Widerspruch, etwa beim Künstler Max Czollek. Der wies
auf falsche Solidaritätskonzepte hin, wie das völkische. Dieses habe
derzeit Hochkonjunktur und folge teilweise ähnlichen Funktionsweisen wie
unter Arbeiter*innen, etwa wenn diese um den nationalen Standort kämpften.
Er warb für sein Konzept der Desintegration. „Wir dürfen nicht vergessen,
wer wir sind und was uns zugeschrieben wird“, so Czollek.
„Der 8. März könnte der neue erste Mai sein“, regte die
„Frauen*streik“-Aktivistin Anna Stiede an. An diesem neuen Feiertag solle
gegen sexualisierte Gewalt, ungleiche Verteilung der Reproduktionsarbeit
und geschlechterbezogene Ausbeutung demonstriert werden. „Es reicht nicht
kleine Spartenkämpfe zu führen“, so Stiede. Streiks für mehr Lohn müssten
mit Kämpfen im Privaten verbunden werden. Auch, wenn es da keinen klar zu
benennenden Antagonisten gebe wie etwa im Betrieb den Chef .
„Es gibt in der Vergangenheit nichts, zu dem wir zurück sollten“, betonte
Koray Yılmaz-Günay unter großem Beifall. Der Vorstand des Migrationsrats
Berlin-Brandenburg will das „Wir“ und die „Solidarität“ so nicht stehen
lassen, diese könnten nicht ohne die Geschichte des Kolonialismus und des
Patriarchats gedacht werden. Es bedürfe einer „kollektiven Trauerarbeit“,
über schmerzhafte Erfahrungen, Ausgrenzung und Angst müsse gesprochen
werden. Und das „in allen Asymmetrien“.
## Antisemiten bei #unteilbar?
Diese Asymmetrien bei #unteilbar sind offensichtlich. Nur blieben und
bleiben sie bisher weitestgehend unbesprochen. Die Vorsitzende des
Jüdischen Forums Lala Süsskind kritisierte schon bei #unteilbar im Oktober
die Teilnahme von Anhänger*innen der antiisraelischen BDS-Kampagne, die
„Israel zum Ghetto machen“ wolle. Wenn das Bündnis wirklich unteilbar sei,
„dann dürfen wir diese Angriffe auf die größte jüdische Gemeinschaft der
Welt nicht dulden“, so Süsskind.
Süsskind hatte Recht. Denn es gibt bei #unteilbar durchaus verschiedene
Vorstellungen, wer dazugehört und wer nicht. Oder, wer der Antagonist ist.
Dass auf der Großdemonstration im Oktober eine Landkarte ohne Israel
gezeigt werden konnte, zeigt, wer von manchen teilnehmenden Gruppen
ausgeschlossen werden soll: der jüdische Staat und seine Bewohner*innen.
„Ein Wir, das darauf verzichtet eins zu sein“, regte Yılmaz-Günay treffend
an. Schon Adorno schrieb von einer Gesellschaft, in der alle „ohne Angst
verschieden sein können“. Um dieses Ideal zu erreichen müssen jedoch die
Ängste aller ernst genommen werden – und konsequente Brüche mit denen
erfolgen, die das nicht tun.
20 Mar 2019
## LINKS
[1] https://www.unteilbar.org/
## AUTOREN
Kevin Culina
## TAGS
#Unteilbar
Antisemitismus
Anti-Rassismus
Schwerpunkt Flucht
Mithulogie
Anti-Rassismus
Reichspogromnacht
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