# taz.de -- Finanzexperte über die Bankenfusion: „Scholz begeht Analysefehle… | |
> Der unabhängige Bankanalyst Dieter Hein ist sich sicher: Eine Übernahme | |
> der Commerzbank durch die Deutsche Bank würde keines der beiden Institute | |
> retten. | |
Bild: Olaf Scholz erwartet laut Hein Synergieeffekte, die es nicht geben wird | |
taz: Herr Hein, am Donnerstag hatten die Aufsichtsräte von Deutscher Bank | |
und Commerzbank bei ihren Sitzungen das gleiche Thema: [1][Finanzminister | |
Olaf Scholz will beide Institute fusionieren]. Eine gute Idee? | |
Dieter Hein: Ich kann Scholz verstehen. Beide Banken sind seit Jahren | |
Sanierungsfälle und machen noch immer viel zu geringe Gewinne – trotz | |
Hochkonjunktur. | |
Was bringt da eine Fusion? | |
Es wäre keine Fusion von Gleichen, sondern eine Übernahme. Die Deutsche | |
Bank würde die Commerzbank schlucken, denn sie ist mehr als dreimal so | |
groß. | |
Okay. Was erhofft sich Scholz? | |
Scholz sieht mit Angst und Bangen, dass beide Banken in die Pleite rutschen | |
könnten, wenn sich die Konjunktur eintrübt. Denn in einer Wirtschaftskrise | |
gibt es immer Firmen und private Kunden, die ihre Kredite nicht | |
zurückzahlen können. Die beiden Banken haben aber gar nicht die nötigen | |
Verlustpuffer, um diese Ausfälle aufzufangen. Scholz hofft, dass die Banken | |
gemeinsam stabiler wären. Er will vermeiden, sie mit Steuergeldern retten | |
zu müssen. | |
Also wäre eine Übernahme tatsächlich die Rettung? | |
Nein. Scholz begeht aus meiner Sicht mehrere Analysefehler: Er stellt sich | |
Synergieeffekte vor, indem man Filialen schließt und die Hauptverwaltungen | |
zusammenlegt. Dabei übersieht er, dass die Commerzbank zu klein ist, um die | |
Deutsche Bank zu retten. | |
Das müssen Sie erklären. | |
Momentan hat die Commerzbank noch 50.000 Mitarbeiter und etwa 1.000 | |
Filialen. Würde sie von der Deutschen Bank übernommen, könnte man 800 | |
Filialen schließen und 40.000 Mitarbeiter entlassen. Dieser Kahlschlag | |
würde zwar das Ende der Commerzbank bedeuten – aber die Deutsche Bank wäre | |
trotzdem nicht saniert. Denn ihr eigentlicher Verlustbringer ist das | |
Investmentbanking in New York und in London. Dieses globale Handelsgeschäft | |
ist zu riskant, zu teuer und zu wenig profitabel. Daran würde sich | |
überhaupt nichts ändern, wenn man in Deutschland Filialen zusammenlegt. | |
Die Deutsche Bank scheint das [2][Investmentbanking] nicht als | |
Verlustbringer zu sehen: Sie zahlt hohe Boni. | |
Das ist absolut widersinnig: Die Deutsche Bank belohnt hauptsächlich ihre | |
Investmentbanker dafür, dass sie Verluste produzieren. Von 2015 bis 2018 | |
belief sich der Gesamtverlust für Aktionäre auf 9,7 Milliarden Euro – | |
aber gleichzeitig erhielten die Investmentbanker Boni von geschätzt 7,3 | |
Milliarden. Die Deutsche Bank betreibt eine Art pervertierten Kapitalismus: | |
Dort profitieren die Topangestellten, aber nicht die Eigentümer. Die | |
Aktionäre haben seit 2008 etwa 33 Milliarden Euro an frischem Kapital | |
nachgeschossen – aber an der Börse ist die Deutsche Bank nur noch 16,5 | |
Milliarden Euro wert. Für die Aktionäre ist das eine riesige | |
Fehlinvestition. | |
Wenn Sie Finanzminister wären, was würden Sie machen? | |
Ich würde als Erstes dafür sorgen, dass bei der Deutschen Bank | |
Aufsichtsratschef Paul Achleitner gehen muss. Er ist Investmentbanker, war | |
früher Chef von Goldman Sachs in Deutschland. Und solange Achleitner das | |
Sagen hat, wird sich die Deutsche Bank wohl nicht vom Investmentbanking | |
trennen. | |
Aber die Deutsche Bank ist eine private Firma. Da kann der Staat nicht | |
einfach den Aufsichtsrat austauschen? | |
Sie könnte über die Bankenaufsicht Bafin Druck machen. | |
Und was soll aus der Commerzbank werden? | |
Die Commerzbank verfügt eigentlich über das tragfähigere Geschäftsmodell. | |
Sie hat viele private Kunden und betreut Mittelständler. Aber um eine harte | |
Sanierung kommt man nicht herum. Wenn die Commerzbank überleben soll, muss | |
die Zahl der Mitarbeiter von derzeit 50.000 weiter reduziert werden. Aber | |
das wäre für die Betroffenen immer noch viel besser als eine Übernahme | |
durch die Deutsche Bank, bei der vielleicht nur 10.000 Mitarbeiter übrig | |
blieben. | |
21 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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