# taz.de -- Kommentar Urteil Zwangsernährung: Die Menschenwürde muss vorgehen | |
> Der BGH hat entschieden: Es soll keinen Schadensersatz geben, wenn Ärzte | |
> den Tod eines Menschen unnötig hinauszögern. Das Urteil ist einseitig. | |
Bild: Ist das bewusstlose Leben an Maschinen menschenwürdig? | |
Der Staat soll nicht feststellen, wann Leben „lebensunwert“ ist. Deshalb | |
könne es keinen Schadensersatz geben, wenn Ärzte durch künstliche Ernährung | |
den Tod eines Sterbenskranken unnötig lange hinauszögern. Das hat jetzt | |
[1][der Bundesgerichtshof (BGH) beschlossen]. Das Urteil ist nicht falsch, | |
aber es ist einseitig. | |
Natürlich muss verhindert werden, dass Erben mit Schadensersatzklagen | |
drohen können, um schneller an das Vermögen ihres schwerkranken Angehörigen | |
zu kommen – oder um weitere Ausgaben für die Pflege und Versorgung zu | |
vermeiden, die das Erbe schmälern. Auch den Krankenkassen sollte kein | |
Instrument an die Hand gegeben werden, Krankenhäuser und Ärzte davon | |
abzuhalten, weitere Behandlungskosten zu verursachen. | |
Allerdings verwundert es, dass der BGH nur das Leben betont und sogar für | |
„absolut erhaltungswürdig“ erklärt. Dagegen wird die Menschenwürde mit | |
keinem Wort erwähnt, obwohl sie im Grundgesetz über allem steht und den | |
eigentlich „absoluten“ Wert unserer Verfassungsordnung darstellt. | |
Von den Menschen, die eine Patientenverfügung verfasst haben, weiß man, | |
dass sie in aller Regel keine lebensverlängernden Maßnahmen um jeden Preis | |
wünschen. Sie wollen nicht bewusstlos dahinvegetieren, nur weil künstliche | |
Ernährung und künstliche Beatmung das technisch möglich machen. Es muss | |
also auch einen Schutz gegen Ärzte und rechtliche Betreuer geben, die aus | |
Bequemlichkeit, aus religiöser Ideologie oder aus finanziellen Interessen | |
den Tod eines todkranken Patienten monate- oder jahrelang hinauszögern. | |
Der beste Schutz ist natürlich, wenn jedeR rechtzeitig eine | |
Patientenverfügung erstellt und einer Vertrauensperson eine entsprechende | |
Vollmacht gibt. Es kann aber nicht sein, dass diejenigen, die dies | |
versäumen, am Lebensende weitgehend rechtlos ihren Ärzten und Betreuern | |
ausgeliefert sind. Der Mensch darf am Lebensende nicht zum bloßen Objekt | |
einer höchstrichterlichen Lebensschutzideologie werden. | |
2 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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