# taz.de -- Konkurrenz auf dem Biomarkt: Naturkostbranche ringt mit Profil | |
> Elf Großhändler einigen sich auf ein Kernsortiment, um sich im umkämpften | |
> Biomarkt zu behaupten. Ob der Einzelhandel mitmacht, ist offen. | |
Bild: Bioprodukte: nicht mehr nur im kleinen Bioladen | |
BERLIN taz | Für kleinere Naturkostfachgeschäfte wird die Luft immer | |
dünner. Nicht nur Branchenriesen wie Alnatura oder denn’s jagen den Kleinen | |
die KundInnen ab; mit dm, Lidl und Edeka wächst die Konkurrenz nun auch um | |
finanzstarke Drogeriemärkte, Discounter oder konventionelle Einzelhändler. | |
Die Frage lautet: Wo bleibt noch Platz für den kleinen Bioladen? | |
„Der Zuspruch der Kunden und das wirtschaftliche Wachstum fielen der | |
Biobranche bisher zu, sodass keine Notwendigkeit für gezieltes Marketing | |
bestand“, sagte Jan Niessen, Professor für strategische Marktbearbeitung in | |
der Biobranche, der taz. Das sei heute anders. „Viele kleine Bioläden | |
kämpfen mittlerweile ums Überleben und müssen sich ihren Platz und damit | |
ihre Existenzberechtigung bei den Kunden erarbeiten.“ | |
Hersteller, Groß- und Einzelhändler der Biobranche diskutieren nun | |
Maßnahmen, wie man Kräfte effektiv bündeln könnte – etwa durch ein | |
Kernsortiment für den nicht filialisierten Fachhandel. Der Vorschlag stammt | |
von den „Regionalen“, einem Zusammenschluss aus elf regionalen | |
Biogroßhändlern, die ein gemeinsames Marketing betreiben und | |
Dienstleistungen für den Bioeinzelhandel anbieten. | |
In einem ersten Schritt glichen die Großhändler der „Regionalen“ ihre | |
Sortimente ab, um ein einheitliches ökologisches Niveau zu garantieren und | |
Werbekosten zu sparen. Derzeit umfasst das gemeinsam abgestimmte Sortiment | |
etwa 700 Artikel und wird noch auf etwa 1.000 bis 1.500 Artikel | |
ausgeweitet. | |
## Dialog mit dem Einzelhandel wird gesucht | |
Ob beziehungsweise wann ein derartiges Kernsortiment sich auch in den | |
Regalen der inhabergeführten Naturkostläden wiederfindet, sei derzeit noch | |
offen, so Timo Tottmann, Geschäftsführer der „Regionalen“. „In einem | |
zweiten Schritt werden wir nun den Dialog mit dem Einzelhandel suchen und | |
gemeinsame Interessen und Umsetzungsschritte identifizieren. Sinnvoll ist | |
das Vorhaben vor allem dann, wenn möglichst viele Einzelhändler mitmachen“, | |
sagte Tottmann der taz. 2018 setzte der Biogroßhandel über 1,78 Milliarden | |
Euro um, laut Tottmann bilden die Regionalen rund ein Drittel davon ab. | |
Obwohl VerbraucherInnen in Deutschland immer mehr Geld für Biolebensmittel | |
ausgeben – im letzten Jahr stiegen die Ausgaben um 5,5 Prozent auf fast 11 | |
Milliarden Euro – ringt die Naturkostbranche um ihre Pfründe. | |
Vor allem der nicht filialisierte Einzelhandel hat schlechte Karten. Ein | |
entscheidender Grund dürfte sein, dass auch Bioprodukte höchster Güteklasse | |
in den großen Ketten zu finden sind. Lange Zeit waren die ökologisch | |
besonders hochwertigen Produkte von Bioland, Naturland und Demeter nur im | |
Fachhandel zu haben. Seit Lidl, Kaufland, dm und Co. auch solche | |
Verbandsware führen, fürchtet der Fachhandel um ein wichtiges | |
Alleinstellungsmerkmal. | |
Anfang März verkündete zudem Edeka – immerhin der größte deutsche | |
Lebensmittelhändler – eine eigene Biomarktkette eröffnen zu wollen. Im | |
Fachhandel steigt die durchschnittliche Verkaufsfläche seit Jahren. Trotz | |
steigender Nachfrage nach Bioprodukten drohen die kleinen, inhabergeführten | |
Biogeschäfte zu verschwinden. | |
Jan Niessen, der vor seiner Professur Marketingchef bei Bioland war, | |
erklärt: „Notwendig wäre jetzt eine Art genossenschaftliche Organisation – | |
also ein ganz ähnlicher Vorgang wie damals bei Edeka und Rewe“ – die sich | |
aus inhabergeführten EinzelhändlerInnen zusammentaten. „So könnten wichtige | |
Größeneffekte erzeugt und Synergiepotenziale genutzt werden“, sagte Niessen | |
der taz. Die Initiative der „Regionalen“ ginge in die richtige Richtung. | |
Auch Christoph Gerhard, der die „Regionalen“ sowie Biohersteller und | |
-einzelhändler in Fragen des Sortiments, der Produktplatzierung und der | |
Vermarktung berät, legt den kleinen Einzelhändlern das Kernsortiment ans | |
Herz. „Mit einem gemeinsamen Sortiment können die kleineren Bioläden ihr | |
Profil schärfen und Verbindlichkeit vermitteln“, sagt Gerhard. | |
Denn: Sei es der Aufstrich von Zwergenwiese, sei es das Müsli von Bauckhof | |
– längst hätten sich auch in der Naturkostbranche Lieblingsmarken und | |
-produkte etabliert. Diese konsequent anzubieten sei letztlich im Interesse | |
des Einzelhandels. Raum für individuelle Gestaltung bliebe erhalten: | |
„Händler können sich nach wie vor über ihr freundliches und kompetentes | |
Personal sowie über regionale Produkte profilieren“, so Gerhard weiter. | |
„Das Kernsortiment ist je nach Ladengröße nur ein relativ kleiner Teil des | |
Gesamtsortiments. Zudem handelt es sich um Produkte, die die meisten Läden | |
ohnehin schon führen“. | |
Nun gilt es abzuwarten, was die nicht filialisierten Einzelhändler von dem | |
Projekt halten. In den kommenden Wochen sollen sich Arbeitsgruppen finden, | |
in denen das Thema besprochen wird. Elke Röder, Geschäftsführerin des | |
Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), hält das Kernsortiment für eine | |
spannende Idee – bis zur Umsetzung werde allerdings noch etwas Zeit | |
vergehen. Die Naturkostbranche sei eben kein uniformer Konzern, sondern | |
respektiere die Vielfalt der Sichtweisen selbstständiger UnternehmerInnen. | |
15 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Jan Christoph Freybott | |
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