| # taz.de -- Roman über Familiengeheimnis: Bewegung entsteht in kleinen Wirbeln | |
| > Ein Buch mit großer Liebe zu Lauten, Klängen und Gebärden: Katharina | |
| > Mevissens Debütroman „Ich kann dich hören“. | |
| Bild: Die Autorin Katharina Mevissen beschreibt eine Vater-Sohn-Geschichte in �… | |
| Ein Junge findet ein Diktiergerät. Er hört Geräusche, eine Autofahrt, Regen | |
| auf Zeltplanen, die Stimme einer jungen Frau. Oft ist viel Stille auf den | |
| Aufnahmen. Aber aus den wenigen akustischen Markierungen entwickelt seine | |
| Vorstellungskraft Landschaften, von nebligen Wanderwegen und dem Meer. Sein | |
| Gehör ist sensibel. | |
| Denn eigentlich ist der Junge schon ein junger Mann, Osman Engler, Student | |
| an der Hamburger Musikhochschule, der Cello lernt und eine Prüfung verkackt | |
| hat. Er ist oft der Ich-Erzähler in Katharina Mevissens Roman „Ich kann | |
| dich hören“. Für den Titel gibt es im Laufe der 150 Seiten immer neue | |
| Deutungen. Osman hört über das Diktiergerät die Monologe von Ella, die mit | |
| ihrer gehörlosen Schwester Jo Urlaub in Irland gemacht hat. Osman flüchtet | |
| sich in das Zuhören, wann immer ihm die eigene Geschichte zu schwer wird. | |
| Ella kann Jo hören wie sonst niemand. | |
| Aber es gibt auch die, die sich nicht hören können oder wollen. Osman | |
| erträgt die klagenden Suaden seines Vaters Suat nicht, Cellist wie er, der | |
| ihm mit einem Reden, das stets etwas auslässt, um ein verschwiegenes | |
| Zentrum kreist, auf die Nerven geht. Am Ende wird tatsächlich ein | |
| Familiengeheimnis aufgedeckt, das die schwierige Vater-Sohn-Beziehung | |
| erklärt und ein Anfang für eine Veränderung sein könnte. | |
| ## Schwelle zur Emanzipation | |
| Manchmal wechselt der Roman die Perspektive, Elide, die Tante von Osman, | |
| löst ihn als Erzählerin ab. Ihr hört niemand zu. Sie brach als junge Frau | |
| aus der Türkei auf, um in Paris französische Literatur und feministische | |
| Theorie zu studieren. Aber dann hat sie sich um die kleinen Söhne ihres | |
| Bruders Suat gekümmert. Dieser zweite Erzählstrang ist voll der Bitternis | |
| einer Frau, die an der Schwelle zur Emanzipation umdrehte, aus | |
| Familientreue, aber damit nicht glücklich wurde. Katharina Mevissen weiß | |
| auch das ohne Pathos zu erzählen, fast mit Humor. Diese Sicht einer zweiten | |
| Generation bereichert ihren Roman. | |
| Man kann zwischen Mevissens Sätzen gut atmen. Sie lässt dem Leser die Luft, | |
| die den Protagonisten oft fehlt. Das ist ungewöhnlich, oft wird Spannung | |
| mit gegenteiligen Mitteln erzeugt. Hier aber schmiegt man sich den in ihren | |
| Leben festgefahrenen Personen an und spürt doch schon, wie in kleinen | |
| Wirbeln Bewegung um sie herum entsteht. | |
| „Ich kann dich hören“ ist der erste Roman von Katharina Mevissen. Er lässt | |
| auf eine große Liebe zum Geschriebenen und Gesprochenen, zu Lauten, | |
| Klängen, Geräuschen und Gebärden schließen. Dass die Literatursprache nur | |
| eine von vielen ist, klingt am Rande mit. Cellosuiten sind eine andere, | |
| Fußballspielen auch. Er stellt sich selbst als Literatur nicht auf die | |
| oberste Stufe. Das macht dieses Buch sympathisch. | |
| 23 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
| ## TAGS | |
| Katharina Mevissen | |
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| Literatur | |
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| Debütroman | |
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