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# taz.de -- EU-Urheberrechtsreform: Die Filter-Alternativen
> Am Dienstag stimmt das EU-Parlament über die geplante Urheberrechtsreform
> ab. Dabei gibt es Vorschläge, wie es ohne Filter gehen könnte.
Bild: Protest gegen die Urheberrechtsrefom in Leipzig
## Woher das Geld kommen könnte
Plattformen als Geldgeber:
Der Begriff „Pauschallizenzen“ dürfte den wenigsten Internetnutzer:innen
etwas sagen. Aber es gibt ein Bild für dieses sperrige Wort, das
wahrscheinlich jeder und jede im Netz schon einmal gesehen hat: das rote
YouTube-Viereck, mit zwei Punkten in der Mitte und einem schrägen Strich
darunter, der ein enttäuschtes Smiley andeuten soll. Darunter der Satz:
„Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar.“ Bis 2016 bekam man es
immer dann zu sehen, wenn man bei YouTube Videos suchte, für die die
Plattform keine Lizenz hatte, also auch kein Geld bezahlte: kein „Smells
like teenspirit“ von Nirvana, kein „Just Dance“ von Lady Gaga. Sieben Jah…
stritt die Gema, die in Deutschland die Nutzungsrechte von Musiker:innen
vertritt, mit YouTube. [1][Dann einigten sich die beiden, seitdem zahlt
YouTube] freiwillig Geld an die Gema, das wiederum an die Labels und
Künstler:innen fließt.
Mit Pauschallizenzen könnten solche Zahlungen für alle Plattformen ab einer
bestimmten Größe verpflichtend werden. Für jedes Lied und jedes Video, das
auf der Plattform abgespielt würde, müssten die Betreiber:innen dem oder
der Künstler:in Geld bezahlen. Für welche Plattformen das gelten soll, ist
umstritten, fest steht nur: Wer mit den Inhalten von Künstler:innen und
Kreativen Geld verdient, soll gezwungen werden, von diesem Geld etwas
abzugeben. Offen bleibt allerdings, was mit den Urheber:innen passiert, die
nicht von einer Verwertungsgesellschaft vertreten werden. Der
Hobby-YouTuber in seinem Kellerstudio zum Beispiel. Wer schließt für ihn
eine Lizenz ab?
Völlig überraschend hat die CDU Mitte März ein Modell der Pauschallizenzen
als Alternative zu Upload-Filtern vorgeschlagen – allerdings nur für
Deutschland. Damit sollten die Upload-Filter europaweit zwar kommen, in
Deutschland aber umgangen werden. Dieser Vorschlag stieß auf viel Kritik,
würde er doch die Idee eines gemeinsamen europäischen Urheberrechts ad
absurdum führen und technisch schwer umzusetzen sein. Wieso die
Konservativen auf Europaebene für etwas kämpfen, dass sie auf nationaler
Ebene umgehen wollen, bleibt unklar.
Kultur als Flatrate:
Eine ganz simple Idee, um Geld für die Urheber:innen einzusammeln, gibt es
bereits, zumindest in einer Art Vorläufermodell: Wer früher einen
Kassetten- oder Videorekorder kaufte, später einen CD-Rohling und heute
beispielsweise einen USB-Stick oder ein Handy, der zahlt damit indirekt
eine Abgabe, die die Hersteller, Händler oder Importeure der Produkte an
die Zentralstelle für private Überspielungsrechte leisten. Das Geld fließt
dann über die Verwertungsgesellschaften weiter an die Urheber:innen.
Doch eine Abgabe auf Hardware ist immer weniger zeitgemäß, wenn die Inhalte
nicht mehr primär auf der eigenen Festplatte, sondern auf den Servern von
YouTube oder Facebook liegen. Daher ließe sich die Abgabe um eine
Komponente erweitern: Internetanschlüsse. Pro Internetanschluss würde ein
Betrag fällig, der zum Beispiel über einen der unten genannten Wege an die
Urheber:innen fließt.
Diskutiert wurden hier in der Vergangenheit unterschiedliche Varianten. Zum
Beispiel: Soll es einen festen Betrag pro Internetanschluss geben? Oder pro
Nutzer:in – was in der Praxis kaum zu kontrollieren sein dürfte? Und wäre
es sinnvoll, den zu zahlenden Betrag nach der Geschwindigkeit des
Anschlusses zu staffeln? Oder die Abgabe gleich auf Breitbandanschlüsse zu
beschränken, damit nicht massenweise Nutzer:innen zahlen müssen, [2][die
auf Grund einer schlechten Anbindung gar keine Chance haben], entsprechende
Inhalte via Internet zu konsumieren?
Von Seite der Urheber:innen stellt sich darüber hinaus die Frage: Was wäre
ihr Entgegenkommen? Bei Kassetten und CDs war es die Privatkopie, die damit
geduldet wurde. Und heute? Wäre jegliche Nutzung im Netz legal? Der
Gedanke, dass beispielsweise nicht nur jegliches Sampeln durch andere
Musiker:innen sondern auch bislang illegales Filesharing damit straffrei
sein könnte, sorgt für Kritik an diesem Modell.
Knackpunkt einer ernsthaften Debatte um so eine Kulturflatrate dürfte
jedoch vor allem die Höhe der Abgabe werden. Und wie diese, bei einer
EU-weiten Umsetzung, einigermaßen gerecht gestaltet werden kann.
## Wie das Geld verteilt werden könnte
Die Klassische:
Damit nicht jede Musikerin, jedes Label, jedes Studio einzeln mit denen
verhandeln muss, die ihre Musik spielen, gibt es in Deutschland die Gema –
oder, analog dazu für die schreibende Zunft, die Verwertungsgesellschaft
Wort, kurz VG Wort. Verwertungsgesellschaften wie die Gema vergeben zum
einen die Rechte für das Abspielen von Musik. Zum anderen sammeln sie die
sogenannte Leermedienabgabe ein, also das Geld, das jede und jeder
mitbezahlt, wenn er oder sie einen USB-Stick, einen Kopierer oder einen
Computer kauft. Dieses Geld wird von den Verwertungsgesellschaften an die
Urheber:innen verteilt. Ähnlich könnte das auch mit Netzinhalten passieren,
allerdings, so fordern Aktivist:innen, sollte so eine Art Netz-Gema ihre
Einnahmen fairer und transparenter verteilen als die klassische Gema das
bisher tut. Die steht vor allem dafür in der Kritik, dass sie erfolgreichen
Künstler:innen viel mehr Geld ausschüttet, als den weniger erfolgreichen.
Wie genau das funktionieren kann und wie eine solche Netz-Gema aufgebaut
sein kann, wird derzeit allerdings kaum diskutiert.
Die Selbstbestimmte:
Einen großen Batzen Geld für die Lieblings-YouTuberin? Oder lieber ein
bisschen was für mehrere Künstler:innen? [3][Das Prinzip des Bezahldienstes
Flattr sieht vor, dass Nutzer:innen selbst entscheiden können], wie sie ihr
Geld verteilen. So haben auch Künstler:innen jenseits des Mainstreams eine
Chance, sich mit einer treuen Fan-Gemeinde etwas Einkommen zu sichern. Doch
Flattr selbst hat es über eine Nischenanwendung nicht hinaus geschafft, die
Summe des verteilten Geldes bleibt überschaubar.
Das würde sich ändern, wenn jede Nutzer:in monatlich ein festes Budget
verteilen müsste. Die Idee funktioniert allerdings nur komplementär: Denn
es bräuchte nicht nur einen Topf für nicht verteilte Gelder, sondern einen
weiteren, damit auch Urheber:innen, die nicht direkt im Internet vertreten
sind, deren Werke aber dort genutzt werden, etwas abbekommen. Sonst bekommt
zwar die Lieblings-YouTuberin Geld, nicht aber der Saxofonist, von dem die
verrückte Bridge im Hintergrund stammt. Um diese Künstler:innen nicht außen
vor zu lassen, wären Verteilungswege jenseits des Internets notwendig.
Die Technische:
Bei Bildern und bei Briefpapier ist das Prinzip bekannt: Wasserzeichen. Sie
sollen verhindern, dass jemand das Original einfach kopiert und als eigenes
ausgibt. Bei Filmen oder Musik ist das Digital-Rights-Management (DRM), das
eine Vervielfältigung verhindern soll, bekannt und gleichermaßen unbeliebt.
Doch was wäre, würde man das Prinzip nicht nutzen, um etwas zu verhindern,
sondern, um etwas zu ermöglichen? Zum Beispiel, dass der:die tatsächliche
Urheber:in auch Tantiemen bekommt?
Das Konzept eines Wasserzeichens, mit dem Urheber:innen ihre Werke
kennzeichnen und darauf basierend auch dann vergütet werden können, wenn
andere sie weiterverarbeiten, ist eher in fernere als in die nähere Zukunft
gedacht. Denn zunächst bräuchte es eine technische Lösung, mit der sich ein
Werk – und zwar nicht nur ein Papier, sondern auch ein Video oder Musik und
das auch in Teilen – zuverlässig und zumindest weitgehend
fälschungsresistent wiedererkennen lässt. Am besten natürlich als
Open-Source-Lösung – damit nicht die großen Plattformen das nächste Monopol
serviert bekommen.
25 Mar 2019
## LINKS
[1] /Einigung-von-Gema-und-Youtube/!5350088
[2] /Digitale-Infrastruktur-in-Deutschland/!5511503
[3] /Bezahlen-im-Internet/!5458190
## AUTOREN
Svenja Bergt
Anne Fromm
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