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# taz.de -- Polizei gründet Ermittlungsgruppe: Meineid-Verdacht im Högel-Proz…
> Zeug*innen im Prozess gegen Niels Högel hatten auffällig große
> Erinnerungslücken. Jetzt wird wegen möglicher Falschaussagen ermittelt.
Bild: Äußert immer wieder Zweifel an den Aussagen von Zeug*innen: Richter Seb…
HAMBURG taz | „Mir fällt auf, dass Sie in diesem Punkt nicht viel wissen“,
sagte Richter Sebastian Bührmann zu dem Zeugen. „Ich kann das so nicht
glauben.“ Im Prozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel fielen
einige Zeug*innen durch große Erinnerungslücken auf. Immer wieder äußerte
Bührmann Zweifel daran, immer wieder vereidigte er deshalb Zeug*innen.
Die Oldenburger Staatsanwaltschaft leitete mittlerweile acht Verfahren
wegen Meineids und eines wegen uneidlicher Falschaussage ein, wie der
Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Koziolek der taz bestätigt. Die
Ermittlungen zu den Vorwürfen hat jetzt eine eigene Ermittlungsgruppe der
Polizei übernommen. Das berichtete zuerst die Nordwest Zeitung. Alle
Verdächtigen hatten am Klinikum Oldenburg mit Högel zusammengearbeitet. Im
Falle einer Verurteilung drohen ihnen Haftstrafen.
Seit Oktober 2018 muss sich Högel wegen 100-fachen Mordes vor Gericht
verantworten. Er soll ihm anvertrauten Menschen nicht angeordnete
Kreislaufmedikamente gespritzt haben, um sich bei den Reanimationen
profilieren zu können. Högel soll seine Taten Anfang der 2000er begangen
haben, 2005 wurde er auf frischer Tat ertappt. Das Ausmaß der Mordserie kam
erst 2015 ans Licht.
Seitdem stehen die Fragen im Raum: Hat wirklich niemand etwas mitbekommen?
Oder gab es schon früher einen Verdacht? Wer hat geschwiegen und sich damit
vielleicht sogar mitschuldig gemacht?
## In Widersprüche verwickelt
Schon die Ermittler*innen schilderten vor Gericht den Eindruck, frühere
Kolleg*innen Högels aus Oldenburg hätten in ihren polizeilichen
Vernehmungen nicht die Wahrheit gesagt oder Informationen zurückgehalten.
Und obwohl es im laufenden Prozess eigentlich um Högels Taten geht, rückten
einige Zeug*innen durch Widersprüche und auffällige Erinnerungslücken immer
wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Da war beispielsweise der stellvertretende Leiter der Station, auf der
Högel in Oldenburg tötete. Er sagte im Januar aus, nichts von Högels Taten
mitbekommen zu haben. Ein anderer Zeuge hatte ausgesagt, Verdachtsmomente
seien an den leitenden Pfleger herangetragen worden. „Ich weiß davon
nichts, das kann ich beim besten Willen nicht erinnern“, sagte der
stellvertretende Stationsleiter dazu vor Gericht.
Jetzt ermittelt die Ermittlungsgruppe „Kardio 2“ gegen ihn und acht weitere
Zeug*innen. Die Leitung der Gruppe hat Arne Schmidt übernommen. Er
verantwortete auch schon die Arbeit der Sonderkommission „Kardio“, die drei
Jahre lang ermittelt hatte, um alle Morde Högels aufzudecken.
Wie viele Beamt*innen mit den neuen Ermittlungen betraut sind, wollte die
Polizei am Donnerstag nicht sagen. Staatsanwaltschaftssprecher Koziolek
sagte zur taz, es seien Beamt*innen betraut, die Kenntnisse in dem Fall
Högel hätten. Ihre Arbeit sei sehr kleinteilig und mühsam. Denn sie müssten
einen Aktenberg durcharbeiten und verschiedene Zeug*innenaussagen
miteinander abgleichen, so Koziolek.
Das dürften zum einen Aussagen sein, die bei der Polizei und vor Gericht
gemacht wurden. Einige Oldenburger*innen waren aber auch gegenüber des
Oldenburger Klinikchefs sehr redselig – er versprach ihnen damals
Vertraulichkeit. Mittlerweile übergab er seine Gesprächsprotokolle aber der
Polizei, und die dürften einige Zeug*innen in ihren Meineidverfahren
belasten.
## Klinik stellt Mitarbeiter frei
Dass nun ermittelt wird, bedeute aber noch nicht, dass es auch wirklich zu
Anklagen komme, sagt Koziolek. Es gelte die Unschuldsvermutung.
Grundsätzlich sei es auch einfacher, eine Falschaussage zu entlarven, als
nachzuweisen, dass jemand sich zwar erinnert habe, aber seine Erinnerungen
nicht preisgab. Einzig die Aussage von Richter Bührmann, er halte gewisse
Aussagen für falsch, reiche nicht für eine Anklage. Wann die Ermittlungen
abgeschlossen werden könnten, sei nicht absehbar, so Koziolek.
Das Klinikum Oldenburg hatte schon Anfang Januar auf erste Meineidverfahren
reagiert und den stellvertretenden Stationsleiter sowie einen weiteren
Mitarbeiter bis zum Abschluss der Ermittlungen freigestellt. Eine mögliche
Falschaussage torpediere die Bemühungen um schonungslose, lückenlose
Aufklärung und könne nicht toleriert werden, hieß es damals von der Klinik.
Der Fall Högel wird die Gerichte in jedem Fall weiterhin beschäftigen.
Ehemalige Kolleg*innen aus Delmenhorst werden sich wegen Totschlags durch
Unterlassen vor Gericht verantworten müssen. Sie sollen von Högels Taten
gewusst haben, aber nicht eingeschritten sein. Wegen des gleichen Vorwurfs
wird auch gegen Mitarbeiter*innen aus Oldenburg ermittelt.
14 Mar 2019
## AUTOREN
Marthe Ruddat
## TAGS
Mord
Medizin
Krankenhäuser
Justiz
Gesundheitswesen
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