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# taz.de -- Patient*innenmörder Niels Högel: Anklage gegen Vorgesetzte
> Die Oldenburger Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen ehemalige
> Vorgesetzte von Niels Högel erhoben. Wann ein Prozess stattfindet, ist
> aber noch offen.
Bild: Jetzt wurden auch seine Vorgesetzten angeklagt: Niels Högel
Hamburg taz | Der Fall des Patient*innenmörders Niels Högel beschäftigt
weiter die Justiz. Gegen fünf seiner ehemaligen Vorgesetzten am Klinikum
Oldenburg wurde Anklage wegen Totschlags durch Unterlassen erhoben. Das gab
die Oldenburger Staatsanwaltschaft am Donnerstag bekannt und bestätigte
damit einen Bericht der Nordwest-Zeitung.
Der ehemalige Krankenpfleger Högel wurde im Juni dieses Jahres [1][wegen
85-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt]. Gegen das Urteil hat er
Revision eingelegt, es ist noch nicht rechtskräftig.
Zwischen 2000 und 2005 hat Högel in einer Oldenburger und einer
Delmenhorster Klinik ihm anvertrauten Patient*innen nicht angeordnete
Medikamente gespritzt, um lebensgefährliche Krisen herbei zu führen. Er
wollte sich bei Reanimationen profilieren. Dutzende Menschen starben. Die
Dunkelziffer seiner Opfer dürfte weit über den bekannten Taten liegen. Denn
erst spät wurde das Ausmaß von Högels Taten bekannt.
Eine bedeutende Rolle dabei nahmen auch [2][Verantwortliche der Oldenburger
und Delmenhorster Klininken] ein. Früh gab es einen Verdacht gegen Högel,
doch unternommen wurde nichts. Deshalb wurde nun gegen fünf seiner
ehemaligen Vorgesetzten aus Oldenburg Anklage erhoben: den ehemaligen
Geschäftsführer, die ehemalige Pflegedirektorin, den ehemaligen Chefarzt
und Leiter der kardiochirurgischen Intensivstation, den Stationsleiter
dieser Station und den Chefarzt und Leiter der Anästhesieabteilung.
## Die Reputation der Klinik sollte nicht gefährdet werden
Durch eine [3][Strichliste], die auf der kardiologischen Intensivstation
erstellt wurde, sollen vier der Beschuldigten die von Högel ausgehende
Gefahr schon 2001 erkannt haben, [4][so die Staatsanwaltschaft.] Diese
Liste war auch als Beweismittel in Högels Prozess eingebracht worden.
Darauf standen die Namen der Pflegekräfte der kardiologischen
Intensivstation. Hinter jedem Namen standen Striche für Reanimationen und
anschließende Todesfälle auf der Station. Högel stach mit 18 Strichen
hervor.
Die Verantwortlichen haben sich laut Staatsanwaltschaft mehrfach besprochen
und dagegen entschieden, die Polizei zu informieren – aus Sorge um die
Reputation der Klinik. Die war zu diesem Zeitpunkt bereits angekratzt, weil
durch Hygienemängel in der Radiologie Menschen gestorben waren.
Högel konnte also weiter morden, „obwohl sie solche Taten für möglich
gehalten haben sollen und obwohl sie aufgrund ihrer jeweiligen Funktion im
Klinikum Oldenburg dazu verpflichtet gewesen wären, das Leben dieser
Patienten zu schützen“, so die Staatsanwaltschaft.
Högel wurde erst innerhalb des Klinikums in die Anästhesie versetzt. Auch
dort wurde er auffällig, auch der Chefarzt der Abteilung soll die Gefahr
erkannt haben. Doch er sorgte mit dafür, dass Högel zunächst bei voller
Bezahlung drei Monate freigestellt und anschließend mit einem guten Zeugnis
weggelobt wurde.
Dem Chefarzt der Anästhesie wird deshalb Totschlag durch Unterlassen in 60
Fällen vorgeworfen. Dem ehemaligen Geschäftsführer und der ehemaligen
Pflegedirektorin werden 63 Taten zur Last gelegt.
Diese drei hätten aus Sicht der Staatsanwaltschaft also auch die Morde im
Delmenhorster Krankenhaus verhindern können, wenn sie nicht geschwiegen
hätten. Den beiden Kolleg*innen von der Kardiologie werden drei Taten zur
Last gelegt, das heißt Totschlag durch Unterlassen im Fall von drei Morden,
die Högel noch auf der Station in Oldenburg beging.
## Das Klinikum Oldenburg stellt seine Mitarbeiter frei
Der Chef der Anästhesie und der Pflegedienstleiter der Station waren
aktuell noch am Klinikum Oldenburg angestellt. Das Krankenhaus gab noch am
Donnerstag bekannt, dass die beiden Männer bis auf Weiteres freigestellt
wurden. „Das Klinikum versteht diese Maßnahme nicht als Vorverurteilung“,
hieß es. Zur damaligen Rolle einzelner Personen könne und wolle sich die
Klinik nicht äußern.
Die ehemalige Pflegedienstleiterin ist bereits in Rente, der Chef der
Kardiologie wurde von seinem Arbeitgeber in Graz bereits freigestellt. Der
ehemalige Geschäftsführer leitet heute das Klinikum Dortmund.
Ulrike Matzanke, Aufsichtsratsvorsitzende des Krankenhauses, teilte auf
taz-Anfrage mit, dass für den Geschäftsführer bis zum Urteil die
Unschuldsvermutung gelte. „Ich sehe daher zum jetzigen Zeitpunkt keinen
Handlungsbedarf.“ Die Mitarbeiter*innen und die Geschäftsführung sprächen
dem Geschäftsführer das Vertrauen aus.
## Ob und wann es zum Prozess kommt, ist noch unklar
Das Landgericht Oldenburg muss noch über die Eröffnung des Verfahrens gegen
die Beschuldigten entscheiden. Ob und wann ein Prozess gegen alle fünf
stattfindet, ist also noch unklar. Auch weil Högel ein wichtiger Zeuge
wäre. Er muss aber nur vor Gericht aussagen, wenn das Urteil gegen ihn
rechtskräftig ist. Es ist also möglich, dass mit der Prozesseröffnung
abgewartet wird.
So ist auch das Vorgehen bei ehemaligen Kolleg*innen Högels aus dem
Delmenhorster Krankenhaus. Auch sie sind wegen Totschlags durch Unterlassen
angeklagt. Darüber hinaus [5][laufen noch Ermittlungen wegen Meineids und
uneidlicher Falschaussage gegen] weitere ehemalige Kolleg*innen aus
Oldenburg.
27 Sep 2019
## LINKS
[1] /Schuldig-in-weiteren-85-Mordfaellen/!5598592
[2] /Prozess-wegen-hundertfachen-Mordes/!5565351
[3] /Krankenhaus-Serienmoerder-Niels-Hoegel/!5598237
[4] https://staatsanwaltschaft-oldenburg.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/…
[5] /Polizei-gruendet-Ermittlungsgruppe/!5578373
## AUTOREN
Marthe Ruddat
## TAGS
Oldenburg
Justiz
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