# taz.de -- Neue Chefin gefunden: Radio Bremen bekommt Intendantin | |
> Die kleinste ARD-Anstalt hat eine neue Intendantin: Yvette Gerner. 2002 | |
> wollte sie noch Oberbürgermeisterin in Speyer werden. | |
Bild: Ab 1. August 2019 ist sie Intendantin von Radio Bremen: Yvette Gerner | |
Amtlich ist es seit Dienstag, 5. März um 17.30 Uhr. 23 Ja, zwei Nein und | |
drei Enthaltungen, das ist das nüchterne Ergebnis. Aber, dass Yvette Gerner | |
nach dem Ausscheiden von Jan Metzger am 1. August Intendantin von Radio | |
Bremen sein wird, hatte schon 14 Tage vor der Rundfunkratssitzung | |
festgestanden: Eine neunköpfige Findungskommission hatte sich Mitte Februar | |
noch einstimmig für die 51 Jahre alte Frau vom ZDF ausgesprochen, wo sie | |
seit 2010 Mitglied der Chefredaktion und natürlich „leidenschaftliche | |
Journalistin“, wie sie selbst sagt. | |
Eingebracht hatte sie diese Passion von 1997 an vor allem in die | |
Auslandsredaktion des Zweiten, was nicht zwingend zu Radio Bremen zu passen | |
scheint. „Aber ich habe im Lokaljournalismus angefangen“, erklärte sie bei | |
der Vorstellung im Bremer Rundfunkhaus. | |
Kommunalpolitisch hatte sie, SPD-Mitglied, sich 2002 als | |
Oberbürgermeisterin von Speyer beworben, ein Ausflug, der Episode blieb. | |
„Als Radio-Bremen-Intendantin bin ich souverän und unabhängig von meiner | |
Partei“, stellte sie klar. „Was ich mitbringe, ist dieser gesamte Blick – | |
vom Regionalen bis zum Globalen“, so die promovierte Politologin – | |
Dissertationsthema: Die Beziehungen zwischen der EU und den | |
Nachfolgestaaten der Sowjetunion. | |
Weitsicht und Weltkenntnis sind sicher gute Voraussetzungen, um eine | |
Institution zu lenken, die so unwahrscheinlich und letztlich befremdlich | |
ist, wie die kleinste ARD-Rundfunkanstalt: Dass von allen fünf | |
norddeutschen Bundesländern ausgerechnet das kleine Bremen einen eigenen | |
Sender hat, hat weniger mit rationaler Planung zu tun, als mit Launen der | |
Geschichte, genauer der Zonenpolitik der Alliierten, dem Starrsinn eines | |
Nachkriegsbürgermeisters und dem damaligen Reichtum der Freien Hansestadt | |
zu tun – lauter Gründe also, die längst restlos beseitigt sind. | |
## Bei Radio Bremen geht's immer um die Existenz | |
Entsprechend groß ist der Legitimationsdruck der Anstalt: Zwar lastet der | |
laut Gerner „in diesen polarisierten Zeiten“ auf dem gesamten System des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber bei Radio Bremen geht's immer um die | |
Existenz, wenn öffentlich dessen Finanzierung debattiert wird. Und | |
zuverlässig findet sich dann stets ein mehr oder weniger heller Kopf, der | |
in einer Senderfusion große Einsparpotenziale wähnt, etwa durch Wegfall | |
eines Intendant*innengehalts von 257.000 Euro per anno. Zuletzt hatte der | |
damalige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer die Abwicklung von Radio | |
Bremen angeregt, im Juli 2014 war das, aber niemand ist so recht drauf | |
eingestiegen. | |
Für die ungewohnte Ruhe scheint einerseits der 2013 ausgehandelte | |
ARD-interne [1][Finanzausgleich] gesorgt zu haben, von dem die Sorgenkinder | |
Saarländischer Rundfunk und eben Radio Bremen profitieren. Andererseits | |
spielen auch Inhalte eine Rolle. „Radio Bremen zeichnet sich aus durch eine | |
hohe Innovationskraft“, so Gerner, [2][und das stimmt]: So haben sich die | |
Bremer mit der 2017 gelaunchten Sketch-Serie „Kroymann“ getraut, Comedy der | |
Feministin Maren Kroymann anzuvertrauen, und siehe da: Die ist lustig, klug | |
und hat auch noch politisch was auf dem Kasten. Gewonnen hat die Anstalt | |
damit bereits einmal den Deutschen Fernseh- und zweimal den Grimme-Preis. | |
„Das beeindruckt mich“, so Gerner. | |
Auch im Radio hat man mit Georg Schütte und Gästen eine formidable | |
Impro-Hörspielserie über den fiktiven Paartherapeuten „Klaus Kranitz“ | |
entwickelt. Und im Info-Bereich darf sich Radio Bremen als Entdecker des | |
Y-Kollektivs fühlen, dessen zunächst über Youtube verbreiteten subjektiven | |
Video-Reportagen mittlerweile Einzug ins Erste gehalten haben. „Rabiat“ | |
haben die Macher das Format genannt. | |
Der scheidende Radio Bremen-Intendant Jan Metzger hatte genau das bei | |
Dienstantritt 2009 als Ziel ausgegeben: Der Sender müsse in der ARD wieder | |
als „Entwicklungslabor für neue Formate“ etabliert werden. Jetzt, gegen | |
Ende seiner zweiten Amtszeit scheint er es erreicht zu haben, nach harter | |
Arbeit. Denn unter der von Ängstlichkeit und Sparzwängen geprägten Führung | |
seines Vorgängers hatte Radio Bremen den Ruf fast restlos aufgezehrt, den | |
es sich seit den 1960ern mit Sendungen wie „Beat Club“ und TV-Entdeckungen | |
wie Loriot, Rudi Carrell oder Hape Kerkeling erworben hatte. | |
6 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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