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# taz.de -- Kommentar Attac-Urteil des BFH: Doppelnull
> In Deutschland ist jeder Karnevalsverein gemeinnützig. Ausgerechnet Attac
> wird diese Eigenschaft nun gerichtlich aberkannt – absurd.
Bild: So könnte Attac gemeinnützig bleiben: Karnevalist im Einsatz
Was die Globalisierungskritiker von Attac machen, soll laut Bundesfinanzhof
(BFH) nicht gemeinnützig sein. Laut Attac selbst erinnert die
[1][Entscheidung] irgendwie an Ungarn und Brasilien, wo Parteien und
Regierungen immer wieder versuchten, „politisch missliebige Organisationen
über das Gemeinnützigkeitsrecht mundtot zu machen“. Die Aussage macht das
Urteil zu einer Doppelnull: Die Entscheidung des BFH ist ebenso seltsam wie
die Reaktion von Attac.
Stellen wir zunächst mal fest, dass in Deutschland jeder Karnevalsverein
gemeinnützig ist. Es dient also offenbar der Allgemeinheit, trunkenen
Narren Kamellen zuzuwerfen. Die Forderung, profittrunkene Finanzmärkte
mittels einer Finanztransaktionensteuer am Erhalt des Gemeinwohls zu
beteiligen dient laut BFH allerdings nicht dem – nun, dem Gemeinwohl.
Genauso wenig wie die völlig absurde Idee, die Bekämpfung von Steuerflucht
zu fordern und entsprechende Aufklärungsarbeit zu machen. Das höchste
deutsche Finanzgericht in München nennt in seiner Urteilsbegründung gegen
eine Gemeinnützigkeit von Attac explizit diese beiden Beispiele, nebst
Kampagnen gegen Sparpakete der Bundesregierung oder Bahnprojekte, gemeint
ist damit wohl Stuttgart 21.
Zur Ehrenrettung des Gericht muss gesagt werden, dass die Richter explizit
darauf verweisen, nicht „die inhaltliche Berechtigung der von Attac
erhobenen Forderungen“ zu beurteilen. Vielmehr seien eben nach der
Abgabenordnung Forderungen zur Tagespolitik nicht gemeinnützig, weshalb
auch Parteien diesen Status nicht genießen.
## Existenziell für das Gemeinwohl
Doch abgesehen davon, dass Parteien vom Staat teilfinanziert sind, NGOs
dagegen auf Gemeinnützigkeit angewiesen sind, ist die Begründung absurd.
Zur Kernforderung Attacs gehört seit jeher die Besteuerung von
Finanztransaktionen – das steckt sogar im französischen Namen: „Association
pour une Taxation des Transactions Financières pour l'Aide aux Citoyens“.
Hätten sich die Münchner Richter ein klein wenig mit Finanzmarktpolitik
beschäftigt, so wüssten sie, dass Besteuerung und Kontrolle dieser
Finanzmärkte für das Gemeinwohl existentiell sind. 2008 brach um ein Haar
das Weltwirtschaftssystem zusammen, weil Märkte nicht reguliert waren.
Die Ideen, die Attac propagiert, werden seit Jahren auf Ebene der
G20-Staaten diskutiert, die Europäische Kommission will eine EU-weite
Finanztransaktionssteuer einführen – das hat nichts mit „Tagespolitik“ zu
tun, sondern mit Grundfragen staatlicher Ordnung.
„Vielmehr erhebt das Grundgesetz mit der Verpflichtung aller öffentlichen
Gewalt auf das Sozialstaatsprinzip die Ausrichtung auf soziale
Gerechtigkeit zu einem leitenden Prinzip aller staatlichen Maßnahmen“,
schrieb denn auch das Hessische Finanzgericht 2017, das vorinstanzlich
Attac noch Recht gegeben hatte.
## Bitterer Beigeschmack
Hinzu kommt ein wirklich bitterer Beigeschmack: Nämlich der, dass es
tatsächlich salonfähig zu werden scheint, unliebsame NGOs über den Hebel
Gemeinnützigkeit unter Druck zu setzen: die CDU stellt den entsprechenden
Status [2][auch bei der Deutschen Umwelthilfe] in Frage.
Auch wenn der von Attac vorgebrachte Vergleich mit Ländern wie Ungarn oder
Brasilien absurd ist, zeigt die Entwicklung dennoch, dass es in Deutschland
dringend eine klarere Definition der Gemeinnützigkeit braucht.
27 Feb 2019
## LINKS
[1] /Bundesfinanzhof-zu-Attac/!5576832
[2] /Kommentar-Angriff-auf-Umweltverbaende/!5555659
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
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