# taz.de -- „hart aber fair“-Sendung über Heimat: „Wie schnell das hier … | |
> „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“, fragte | |
> „hart aber fair“. Massive Kritik war programmiert. | |
Bild: Wohin zeigen die Herren der Runde bei „Hart aber fair“? | |
Die neue Chefredakteurin des Westdeutschen Rundfunks, Ellen Ehni, wurde im | |
September letzten Jahres [1][im taz-Interview nach Zuspitzungen im | |
Sendungstitel von Talkshows gefragt.] Auch wenn es keine verschlafene Titel | |
geben sollte und man „mit dem Titel – Stichwort Framing – der Debatte eine | |
Richtung geben“ könne, dürfe es „nicht auf einen effektheischerischen Tit… | |
hinauslaufen“, so Ehni. „Wir müssen verbal etwas abrüsten, um eine | |
sachliche Debatte zu ermöglichen.“ | |
In der im Ersten gesendeten WDR-Sendung „Hart aber fair“ von Montagabend | |
ist dies offensichtlich nicht gelungen. „Heimat Deutschland – nur für | |
Deutsche oder offen für alle?“ wurde im Titel gefragt. „Aber für wen ist | |
hier Heimat: für alle, die hier leben, oder nur für die, die von hier | |
stammen?“, hieß es weiter in der Ankündigung. [2][Massive Kritik war damit | |
programmiert.] Viele fanden diese Frage mindestens irritierend – oder | |
warfen der Sendung vor, „rechte Diskurse salonfähig zu machen“, wie der | |
SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. | |
Der Titel räume „genau jenen Leuten Platz ein, die Menschen wie mir in | |
Abrede stellen, dass Deutschland meine Heimat ist“, kritisierte der | |
Spiegel-Journalist Hasnain Kazim. Hohe Aufmerksamkeit für die Sendung war | |
also garantiert. Moderator Frank Plasberg sprach die Kritik auch an, | |
qualifizierte sie jedoch gleich als „kleinen Shitstorm“ ab. | |
Das viel diskutierte und kritisierte, [3][für 120.000 Euro in Auftrag | |
gegebene Framing-Manual,] in dem von „moralisch kohärenter Kommunikation“ | |
oder dem Auftrag, „nie den Frame der Gegner“ zu verwenden, die Rede ist, | |
wurde in der „Hart aber fair“-Redaktion also offenbar in der | |
Sendungsvorbereitung offenbar nicht aufgeschlagen. Die Debatte mit der | |
Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt, dem | |
bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), dem | |
Bild-Journalisten Nikolaus Blome, dem Soziologen Armin Nassehi und der | |
Kabarettistin İdil Baydar lief dann allerdings entspannter ab, als man | |
vorher vermutet hätte. | |
Göring-Eckardt vertritt im Gegensatz zu ihrer Parteijugend, die in Bezug | |
auf Heimat von einem „Begriff der Gegenaufklärung und Irrationalität“ | |
spricht und „Solidarität statt Heimat“ fordert, ihre bekannte Position, | |
dass der Begriff Heimat „nicht den Rechten überlassen“ werden sollte. Ihr | |
Heimatbegriff sei offen. „Dazu gehört, wer da ist.“ Eine Heimat zu haben, | |
sei dabei nicht selbstverständlich. „Manchmal muss man sie suchen, finden | |
und auch bekommen. Das ist der Job in unserer Gesellschaft, das wir auch | |
Heimat geben müssen.“ | |
## Das Altbekannte: Wir und die anderen | |
Aiwanger forderte, dass man „den Menschen ihr Recht auf Heimat lassen“ | |
müsse. Ob dies „nur für Deutsche oder für alle“ gilt, sagte er nicht. | |
Allerdings könnten Menschen seiner Ansicht nach auch „mehrere Heimaten in | |
ihrem Leben“ haben. Doch wenn eine Diskussion über Heimat „in die rechte | |
Ecke“ gestellt werde, „zünden wir ideologisch hier schon wieder die Bombe.… | |
Schnell ging es dann wieder um das altbekannte „Wir und die Anderen“ – und | |
den Fall Özil. Dass Blome in Bezug darauf von der Frage spricht, „ob es | |
notwendig ist, sich zu entscheiden, in welches Land man nun eigentlich | |
gehören möchte“, ist für Baydar „die Spitze des Eisbergs an Frechheit“. | |
Schließlich habe Özil sich gegen die türkische Staatsbürgerschaft und für | |
die deutsche Nationalmannschaft entschieden. Plasberg lenkte ein: Es sei | |
„bemerkenswert, wie schnell das hier eskaliert.“ Ganz so, als sei diese | |
Konfrontation nicht gewünscht gewesen. | |
Auch später gab es nochmal Streit zwischen Blome und Baydar. Als er von ihr | |
wissen wollte, warum so viele Deutschtürken für die | |
islamisch-nationalistische AKP stimmten, wurde Baydar sauer. „Ich muss | |
dafür nicht Rede und Antwort stehen“, sagte sie und fragte: „Warum setzen | |
Sie voraus, dass ich eine Türkeiexpertin bin?“ An anderer Stelle erklärte | |
Blome, dass „wer in dieses Land kommt und sich Heimat erwerben will“, dann | |
„schon in der Bringschuld“ sei. | |
## „Siggi, du bist mir nicht deutsch genug!“ | |
Baydar fühlte sich angesprochen: „Ich bin hier geboren! Mittlerweile gibt | |
es hier die dritte und vierte Generation. Trotzdem haben wir eine Art und | |
Weise über Migranten zu sprechen, als ob sie immer noch in der Bringschuld | |
sind.“ Immer wieder werde infrage gestellt, „wie deutsch“ die Menschen aus | |
Einwandererfamilien sind. „Macht ihr das unter Deutschen auch so? ‚Siggi, | |
du bist mir nicht deutsch genug!‘“ Auch sie sei gemeint, „wenn die AfD | |
sagt, die müssen wir entsorgen“. | |
Dank Göring-Eckardt wurde schließlich noch über den Hashtag #vonhier | |
gesprochen, [4][unter dem über Ausgrenzungserfahrungen durch | |
Herkunftsdialoge berichtet wird.] Baydar gehe es „auf den Sack“, ständig | |
nach der „eigentlichen Herkunft“ gefragt zu werden, nur um dann gesagt zu | |
bekommen, wie scheiße Erdogan sei. Es sei verständlich, nicht darauf | |
festgelegt werden zu wollen, wo die Urgroßeltern herkommen, so | |
Göring-Eckardt. „Wenn man dann spätabends nochmal fragt, auch okay. Aber | |
erstmal bist du nicht darauf festgelegt, was ich dir zuschreibe, wer du zu | |
sein hast.“ | |
Über das vorab angekündigte Thema „Heimatministerium“ wurde dann kaum | |
gesprochen. Dabei wäre das unbedingt notwendig gewesen: Die Abteilung | |
Heimat im Bundesinnenministerium hat bislang [5][noch keinen einzigen | |
Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht.] Kurz vor seiner Ernennung | |
erklärte der amtierende Minister Horst Seehofer (CSU), es gehe um | |
„gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen und um den | |
gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Wie dies konkret umgesetzt werden könnte, | |
wurde an diesem Abend nicht besprochen. | |
26 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Neue-WDR-Chefredakteurin-Ellen-Ehni/!5531038 | |
[2] /Hart-aber-fair-und-vonhier/!5576006 | |
[3] /Das-Framing-Handbuch-der-ARD/!5574448 | |
[4] /Hart-aber-fair-und-vonhier/!5576006 | |
[5] https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-heimat-ministerium-101.html | |
## AUTOREN | |
Frederik Schindler | |
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