# taz.de -- Preisverleihung nicht ohne Tumulte: Mit den Angriffen war zu rechnen | |
> Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ bekommt den | |
> Göttinger Friedenspreis 2019 – und setzt sich gegen seine Kritiker zur | |
> Wehr. | |
Bild: In die Mitte genommen: Preisträgerin Iris Hefets zwischen Laudatorin Nir… | |
Draußen vor der Tür schreien sich Demonstranten an. Die einen schwenken | |
Israel-Flaggen, die anderen Fahnen Palästinas. Ein paar Mannschaftswagen | |
der Polizei sind aufgefahren, die Beamten beschränken sich aber aufs Regeln | |
des Verkehrs. Drinnen, in der Galerie „Alte Feuerwache“, läuft die Vergabe | |
des Göttinger Friedenspreis der Stiftung Dr. Roland Röhl an den Verein | |
„Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Weil nicht alle | |
Interessierten Platz finden, wird die Veranstaltung in einen Anbau und eine | |
weitere Galerie übertragen. Rund 450 Zuhörer sind am Samstag gekommen, viel | |
mehr als üblich bei der Verleihfeier für den Friedenspreis. | |
Das liegt daran, dass die Vergabe der mit 3.000 Euro dotierten Auszeichnung | |
schon im Vorfeld für heftige Turbulenzen und Verwerfungen gesorgt hat. | |
Unter anderen hatten der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in | |
Deutschland, Josef Schuster, und der Antisemitismusbeauftragte der | |
Bundesregierung, Felix Klein, die „Jüdische Stimme“ als antisemitisch | |
gebrandmarkt und das mit ihrer Nähe zur zur Boykott-Kampagne BDS (Boykott, | |
Desinvestitionen, Sanktionen) gegen Israel begründet. | |
Wegen der Vorwürfe zogen die Universität, die Stadt und die Sparkasse in | |
Göttingen ihre Unterstützung für die Verleihung zurück, die Uni versagte | |
die Nutzung der Aula. Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) und die | |
Hochschulpräsidentin Ulrike Beisiegel sitzen im Kuratorium der Stiftung Dr. | |
Roland Röhl, die den Preis seit 1999 vergibt. Ein „Bündnis gegen | |
Antisemitismus und Antizionismus“ forderte in einem Offenen Brief gar eine | |
Neubesetzung der Preisjury. Die Stiftung hielt aber an ihrer Wahl fest. | |
Die Vorsitzende der „Jüdischen Stimme“, Iris Hefets, nennt es am Samstag | |
eine „große Ehre, einen Friedenspreis zu erhalten, und eine noch größere, | |
in die ehrwürdige Liste der Träger des Göttinger Friedenspreises | |
aufgenommen zu werden“. „Wir sind wahrscheinlich der einzige Preisträger, | |
der sich bei der Benachrichtigung über die Preisverleihung sehr freute, | |
gleichzeitig aber schon wusste, dass er sich warm anziehen muss“, sagte | |
sie. „Mit den Angriffen und Verleumdungen war zu rechnen.“ | |
Das Muster solcher Angriffe wiederhole sich. „Die Rechte der Palästinenser | |
werden verletzt, es findet ein politischer Protest dagegen statt, die | |
deutsche Presse findet – oder erfindet – einen antisemitischen Vorfall und | |
am Ende wird von Antisemitismus geredet und diesbezüglich agiert, womit der | |
ursprüngliche Protest erstickt ist.“ Zum Beispiel, als Palästinenser in | |
Berlin gegen die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump protestierten, | |
die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen: Ein Journalist habe behauptet, | |
die Demonstranten hätten „Tod den Juden“ auf Arabisch gerufen „und sofort | |
wird über Antisemitismus unter Muslimen gesprochen“. | |
## Jetzt wird Tacheles geredet | |
Die „Jüdische Stimme“ rede „Tacheles über das, was zwischen Mittelmeer … | |
Jordan passiert“, sagt die deutsch-israelische Sängerin und Schauspielerin | |
Nirit Sommerfeld in ihrer Laudatio. „Das ist gut und wichtig, denn wenn man | |
in Deutschland mehr weiß über die Fakten, dann kann deutsche Öffentlichkeit | |
und Politik sich bewegen und Einfluss nehmen auf die israelische Regierung | |
zugunsten einer gerechten und friedlichen Lösung.“ | |
Sommerfeld weist den Antisemitismusvorwurf gegen die „Jüdische Stimme“ | |
zurück. Der Verein distanziere sich „eindeutig von jeder Form von Gewalt, | |
von Antisemitismus, Anti-Islamismus und jeder anderen Form von Rassismus“. | |
„Und wenn es eine Demonstration gegen Antisemitismus gibt, dann beteiligt | |
sich die ‚Jüdische Stimme‘ und setzt dezidiert ein Zeichen: Gegen jede Form | |
von Antisemitismus, so wie sie es in ihrem Selbstverständnis manifestiert | |
hat.“ | |
Der Vorsitzende der Stiftung Dr. Roland Röhl, Hans-Jörg Röhl, würdigt die | |
Zivilcourage der Galerie, die dem Friedenspreis „Asyl“ gewährt habe. | |
„Schneiden Sie von Ihrer Zivilcourage ein paar Scheiben ab und verteilen | |
Sie sie in der Stadt, das wird ihr guttun.“ | |
10 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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