# taz.de -- Umstrittene Preisverleihung: Zumach siegt vor Gericht | |
> Ein Mitglied der Göttinger Friedenspreis-Jury darf von Verleumdung | |
> sprechen. Die Jüdische Gemeinde hatte dagegen geklagt. | |
Bild: Ein Button der Preisträger des Göttinger Friedenspreises | |
GÖTTINGEN taz | Der Rechtsstreit um den Erlass einer einstweiligen | |
Verfügung gegen den Jury-Vorsitzenden des Göttinger Friedenspreises, | |
taz-Korrespondent Andreas Zumach, ist vorerst entschieden. Das Landgericht | |
Göttingen wies gestern einen entsprechenden Antrag des stellvertretenden | |
Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Göttingen, Achim Doerfer, ab. Zumach | |
hatte Doerfer Verleumdung vorgeworfen. Doerfer hatte verlangt, dass Zumach | |
den Vorwurf nicht aufrechterhält, und war vor Gericht gezogen. | |
Hintergrund ist der politische Krach um die Vergabe des diesjährigen | |
Friedenspreises an den Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in | |
Nahost“ im März. Schon im Vorfeld der Preisverleihung hatten unter anderem | |
der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, | |
den Verein als antisemitisch kritisiert und das mit seiner Nähe zur | |
Boykott-Kampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) gegen Israel | |
begründet. | |
Wegen der Vorwürfe zogen die Universität, die Stadt und die Sparkasse in | |
Göttingen ihre Unterstützung für die Preisverleihung zurück. Die | |
Verleihfeier konnte deshalb nicht wie sonst in der Hochschule stattfinden. | |
Sie wurde in einer privaten Galerie veranstaltet. | |
Ein Bündnis forderte in einem Offenen Brief eine Neubesetzung der Preisjury | |
und rief zu einer Kundgebung gegen die Verleihfeier auf. Die Jüdische | |
Gemeinde Göttingen war Mitunterzeichner des Schreibens. | |
## Vorwurf des Antizionismus | |
Zumach wurde darin vorgeworfen, er wettere „sinngemäß gegen eine | |
vermeintliche ‚Israellobby‘“, die systematisch Redeverbote durchsetze und | |
jegliche Kritik unterbinde. Zudem behaupte Zumach, dass es in der Preisjury | |
keine Diskussion über antiisraelische Boykottkampagnen gegeben habe. | |
Zumach, selbst Träger des Göttinger Friedenspreises, bestreitet diese | |
Äußerungen. Den Unterzeichnern des Briefes warf er öffentlich Verleumdung | |
vor. Doerfer sah sich dadurch in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. | |
Bereits in der mündlichen Verhandlung am 24. April formulierte der | |
Vorsitzende Richter Zweifel, dass Zumachs Vorwurf gegen Doerfer juristisch | |
zu belangen sei. Gestern bestätigte das Landgericht: Bei der Äußerung | |
handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Wertung. | |
Diese sei vom verfassungsrechtlich geschützten Recht auf freie | |
Meinungsäußerung gedeckt und halte auch der gebotenen Abwägung mit dem | |
allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers stand. | |
Zumach wertet das gestrige Urteil als „wichtigen Sieg für die Wahrheit und | |
für das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit“. Der | |
Richterspruch wirke hoffentlich als Warnung an alle, die versuchten, | |
legitime Kritik an der „völkerrechtswidrigen und menschenrechtsfeindlichen | |
Politik der israelischen Regierung“ zu verhindern. | |
## Fraktionen gegen Boykott-Bewegung BDS | |
AfD und FDP bringen unterdessen – getrennt – scharfe | |
Anti-BDS-Entschließunganträge ein. Die AfD fordert ein Verbot. Sie will die | |
„BDS-Bewegung bundesweit, zum Beispiel auf dem Wege des Vereinsrechtes, | |
verbieten“. Die Liberalen gehen nicht so weit, fordern aber, „mit | |
Bundesmitteln geförderte Organisationen und Projekte im In- und Ausland im | |
Rahmen der Mittelvergabe dahingehend zu überprüfen, ob sie die BDS-Kampagne | |
unterstützen“. Zudem müssten bei der Verleihung „öffentlicher Preise, die | |
durch die Bundesregierung unterstützt werden, Personen, Vereine oder | |
sonstige Organisationen die Ziele und Werte der BDS-Kampagne unterstützen“ | |
grundsätzlich ausgeschlossen werden. Damit wäre ein buntes Spektrum – von | |
Naomi Klein bis zu den Gewerkschaften in Südafrika – von solchen | |
Preisvergaben prinzipiell ausgeschlossen. | |
Auch Union und SPD-Fraktion werden einen Anti-BDS-Antrag in den Bundestag | |
einbringen. Er ist zwar noch in der Detailabstimmung, aber die Richtung | |
klar erkennbar: etwas weniger strikt, aber ähnlich. Die Bundesregierung | |
solle „keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die | |
deren Ziele verfolgen, unterstützen.“ Auch sollen keine Projekte finanziell | |
gefördert werden, „die zum Boykott Israels aufrufen oder die die | |
BDS-Bewegung aktiv unterstützen“. Und, so der Antrag von Union und SPD: | |
„Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind | |
antisemitisch.“ | |
7 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Reimar Paul | |
## TAGS | |
Göttinger Friedenspreis | |
Antisemitismus-Vorwurf | |
Göttingen | |
BDS-Movement | |
Göttingen | |
Jüdische Stimme | |
Zentralrat der Juden | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
BDS und Antisemitismus: „Jüdische Stimme“ verliert Konto | |
Die Bank für Sozialwirtschaft hat der „Jüdischen Stimme“ erneut das Konto | |
gekündigt. Der Grund: Die „JS“ will sich nicht von BDS distanzieren. | |
Göttinger Friedenspreisstreit vor Gericht: Bissige Wortgefechte | |
Der Vorsitzende der Jury des Göttinger Friedenspreises wirft der Jüdischen | |
Gemeinde Göttingen Verleumdung vor. Diese fordert vor Gericht Unterlassung. | |
Preisverleihung nicht ohne Tumulte: Mit den Angriffen war zu rechnen | |
Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ bekommt den | |
Göttinger Friedenspreis 2019 – und setzt sich gegen seine Kritiker zur | |
Wehr. | |
Kontroverse um Friedenspreis: Drei Juden, drei Meinungen | |
Der Göttinger Friedenspreis löst Streit aus. Es gibt Antisemitismusvorwürfe | |
– und es geht mal wieder um den Boykott Israels. |