Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Antisemitismus in Frankreich: Notwendig, aber nicht ausreichend
> Hunderttausende demonstrieren parteiübergreifend und landesweit gegen
> Antisemitismus. Vielen dämmert, dass solche Aktionen zu wenig bewirken.
Bild: Gemeinsam gegen Antisemitismus: Demonstration am Dienstagabend in Paris
Paris taz | Insgesamt Hunderttausende sind einem Einheitsappell der
politischen Parteien am Dienstagabend gefolgt und haben in ganz Frankreich
[1][gegen den Antisemitismus] demonstriert. Trotz des mehrfach
ausgedrückten Willens, alle politischen Divergenzen und sonstigen Konflikte
hinten an zu stellen, um gemeinsam und geschlossen die Grundwerte der
Republik gegen den den Judenhass und alle Formen des Rassismus zu
verteidigen, gab es sichtbare Risse in der nationalen Einheit.
So organisierte das rechtsextreme Rassemblement nationale (Ex-Front
national), das von Einheitsappell der 50 politischen Parteien,
Organisationen und Gewerkschaften ausgeschlossen worden war, eine separate
kleine Gedenkfeier für die Opfer des Antisemitismus.
Bei der Pariser Kundgebung waren viele Persönlichkeiten anwesend:
Premierminister Edouard Philippe mit 15 Regierungsmitgliedern, die beiden
ehemaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande sowie
zahlreiche ehemalige Regierungschefs und Minister.
Der amtierende Staatschef Emmanuel Macron hatte es vorgezogen, in
Begleitung der Vorsitzenden des Senats und der Nationalversammlung, Gérard
Larcher und Richard Ferrand, zum Zeichen seiner Solidarität im Kampf gegen
den Antisemitismus die Pariser Gedenkstätte für die Holocaust-Opfer, das
Mémorial de la Shoah, zu besuchen.
## Maßnahmen gegen Hass
Unter den weniger Prominenten ist die etwa 65-jährige Jüdin Emma: „Ich
fühle mich selber bedroht. Wo bleibt die große Empörung?“ Neben ihr fordert
ein jüngerer Mann Maßnahmen gegen den im Internet verbreiteten Hass: „In
den Netzwerken glauben Antisemiten, sie könnten ungestraft ihre Lügen
verbreiten. Das Schlimmste ist, dass gerade Jugendlich nicht mal wissen,
dass sie sich dabei strafbar machen.“
„Es ist nicht an den Juden, gegen den Antisemitismus zu kämpfen, sondern an
uns allen“, sagte die französische Rabbinerin Delphine Horvilleur der
Libération. Der Satz war ein Leitmotiv bei den zahlreichen Protesten gegen
antijüdische Aggressionen in Frankreich.
„Alle“ waren nicht zugegen bei den Kundgebungen in Paris und in rund 70
anderen Städten des Landes am Dienstagabend, aber die TeilnehmerInnen an
den Kundgebungen waren dennoch zahlreich. Vielen Nichtjuden war es ein
zutiefst empfundenes Anliegen, ihre persönliche Solidarität mit den
attackierten jüdischen MitbürgerInnen öffentlich zu zeigen.
Karim, ein Elektriker aus dem Vorort Stains, trägt eine gelbe Warnweste,
auf die er wegen des antisemitischen Angriffs auf den Philosophen Alain
Finkielkraut am Rande der Proteste der Gilets jaunes „Not in my name“ und
„Ensemble contre l'antisémitisme“ geschrieben hat.
## Viele Meinungsverschiedenheiten
Viele tragen schweigend ein Schild mit dem Hashtag „#ÇaSuffit (Jetzt
reicht's), während gleich daneben andere in Diskussionen verwickelt sind.
An Meinungsverschiedenheiten mangelt es nicht. So steht auf dem Pappschild
eines älteren Demonstranten: „Ein verantwortungsbewusster Antizionismus hat
nichts mit Antisemitismus gemein, ganz im Gegenteil.“ Diese These
verteidigt er verbissen gegen andere, die im Antizionismus nur eine
verkappte Version des Antisemitismus sehen.
Doch dann richten sich die Augen auf die Tribüne. Nach einer kurzen
Begrüssung der Versammelten erhält der Rap-Musiker Abd al Malik einen
besonders herzlichen Applaus, als er erklärt, er sei hier „als Franzose,
Patriot, als Elsässer, Schwarzer und Muslim“. Dann stimmte er mit
Jugendlichen eine besonders besinnlich klingende „Marseillaise“ an.
Die MittelschülerInnen aus dem Collège Paul Valéry hatten zuvor kurze Texte
gegen den Rassismus von Frantz Fanon, Primo Levi und Simone Veil
vorgetragen sowie auch Georges Moustakis Hymne gegen den Rassimus „Avec la
gueule de Métèque, de Juif errant, de pâtre grec…“ (Mit meiner Fresse ei…
Heimatlosen, eines umherirrenden Juden und eines griechischen Schafhirten).
Es sind viele tausend Menschen, den großen Platz, auf dessen Mitte eine
Statue das Leitmotif „Liberté, Egalité, Fraternité“ symbolisiert, vermö…
sie aber nicht ganz zu füllen. Auch so können viele die bange Befürchtung
nicht verdrängen, dass es mehr braucht, um die derzeit sich mehrenden
antisemitischen Angriffe zu stoppen. Auch Premierminister Philippe kommt zu
dem Schlus diese Demonstration der Einheit gegen den Antisemitismus sei
„notwendig, aber nicht ausreichend“.
20 Feb 2019
## LINKS
[1] /Antisemitismus-in-Frankreich/!5574530
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Alain Finkelkraut
Antisemitismus
Schwerpunkt Frankreich
Emmanuel Macron
Polizeigewalt
Juden in Frankreich
Memorial
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Antisemitismus
Schwerpunkt Frankreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Proteste in Paris: Handys gegen Polizeigewalt
Nur durch ein Video wurde der rassistische Angriff auf Michel Zecler
öffentlich. Die Regierung will das Filmen von Polizisten verbieten.
Gelbwesten in Frankreich: Bewährungsstrafe wegen Antisemismus
Eine Gelbweste beschimpfte den Philosophen Alain Finkielkraut
antisemitisch. Ein Gericht verurteilte ihn nun zu zwei Monaten Haft auf
Bewährung.
Schauprozess in Tschetschenien: Vier Jahre Lagerhaft für Bürgerrechtler
Ujub Titijew, der letzte Chef der Menschenrechtsgruppe Memorial, stand
wegen angeblichen Drogenbesitzes vor Gericht. Nun wurde er verurteilt.
Linker Antisemitismus: Das strafende Volk
Die politische Rechte hat den Antisemitismus nicht exklusiv. Im Angriff auf
Alain Finkielkraut in Paris zeigt sich ein Problem der Linken.
Antisemitismus in Frankreich: Mit Hakenkreuzen besudelt
Unbekannte schänden einen jüdischen Friedhof im Elsass. Die Sozialisten
rufen zu landesweitem Protest gegen Antisemitismus auf.
Antisemitische Ausfälle bei „Gelbwesten“: Pariser Staatsanwaltschaft ermit…
Der Philosoph Alain Finkielkraut wurde am Rande einer Gelbwesten-Demo
antisemitisch beschimpft und bedroht. Die Justiz leitet Ermittlungen ein.
Kommentar Judenhass in Frankreich: Duldung ist Beihilfe zum Rückfall
Frankreich hat eine lange Geschichte des Antisemitismus. Das kann sich nur
ändern, wenn auch keine Schmiererei mehr geduldet oder relativiert wird.
Antisemitismus in Frankreich: Hakenkreuze und Schändungen
Um 74 Prozent ist die Zahl antisemitischer Straftaten in Frankreich 2018
gestiegen. Der Innenminister warnt vor „Gift, das sich ausbreitet“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.