Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Propagandistische Eisbergspitzen
> So manche Werbefigur trägt hinter der glitzernden Glamour-Fassade ein
> sehr dunkles Geheimnis mit sich herum.
Bild: Nichts geht über … einen Kinderreim, einen Kinderreim zum Kaffee!
Wussten Sie, dass die Milka-Kuh mit bürgerlichem Namen Michaela Kaminski
heißt? Nein? Kein Wunder, denn Michaela ist beileibe nicht die einzige
Werbeikone, über die man abseits des öffentlichen Glamour-Lebens so gut wie
nichts weiß.
Tony der Tiger zum Beispiel, bekannt aus der Kellogg’s-Werbung, heißt
eigentlich Akaash Naresh Bengali, was auf Sanskrit so viel bedeutet wie
„Herrscher des bengalischen Himmels“. Die in seinem Namen anklingende
Machtposition steht jedoch seiner tatsächlichen Verfassung diametral
entgegen: Der ehemals sportliche Tiger muss wegen seiner Diabetes starke
Medikamente einnehmen und war gezwungen, einen Fuß an chinesische
Naturmedizinhändler zu verkaufen, um die Amputation des anderen bezahlen zu
können.
Auch die Figur des Jägermeister-Hirschen, der ursprünglich –
selbstverständlich mit Jägermeister, wie auf dem Land üblich – auf den
Namen Ralf getauft wurde, führte zu unvorhergesehenen Problemen: Sowohl
Dam- als auch Rotwildverbände protestierten gegen die fälschliche
Darstellung von Geweihträgern als notorische Alkoholiker. Der Sprecher des
Verbandes erklärte: „Die Darstellung von Hirschen als Alkoholsüchtigen
bedient längst nicht mehr zutreffende Stereotype. Vergorene Früchte sind
mittlerweile nur noch stark reguliert zu erwerben und werden streng nach
Jugendschutzrecht unter dem Titel ‚No Drugs 4 Kitz‘ verkauft.“ Eine
Unterlassungsklage scheiterte jedoch vor dem Oberbewaldungsgericht.
Die Beispiele Tony und Ralf Hirsch sind dabei nur die Spitze des
propagandistischen Eisbergs. Bisweilen betreten Firmen bei der Namenswahl
ihrer Werbeikonen sogar rechtliche Grauzonen oder verbreiten
berufsschädigende Unwahrheiten.
## Er kommt von weither übers Meer
So wurde der berühmte Fischstäbchen-Dealer Käpt’n Iglo als Kadett
unehrenhaft entlassen, weil er während des Dienstes ständig nur angelte.
Auch sein Hang dazu, fremde Kinder über das Internet zu seinen Angel-Turns
einzuladen, stieß den Vorgesetzten bitter auf, die deshalb dauernd zu
Jägermeister greifen mussten, was zu massiven Etatdefiziten bei den
deutschen Seestreitkräften führte. Doch die Entlassung aus der Marine
ermöglichte Käpt’n Iglo, der eigentlich Boris Iglowatzki heißt, erst seine
Karriere in der Werbebranche.
Ein besonders dreister Fall der bewussten Täuschung liegt im Fall des
Bärenmarke-Bären vor. Um Geld zu sparen, wurde der Öffentlichkeit lange
Zeit vorgegaukelt, bei der Werbefigur handle es sich um einen Bären, der
ausschließlich für Kondensmilch zuständig ist. Dabei arbeitet der
Bärenmarke-Bär im Nebenjob auch für die Toilettenpapiermarke Charmin. Aber
wer möchte schon Milch von einem Bären kaufen, der sich gerade den Arsch
abgewischt hat?
Der Schwindel kam erst kürzlich heraus, als ein Paparazzo den Bären
heimlich beim Umschminken in der Maske fotografierte. Beide Firmen
bestreiten die Vorwürfe, Bärenmarke nahm jedoch aus Angst vor übler Public
Relation stillschweigend seine Schokomilch aus dem Sortiment.
## Mit grünem Tirolerhut
Doch es gibt auch Positivbeispiele. Lurchi etwa, der großherzig für
Salamander-Schuhe wirbt, obwohl er selbst doch keine braucht, heißt
tatsächlich Lurchi. Es handelt sich dabei um eine seltene Abwandlung des
Namens Urs, die nur in seinem kleinen Schweizer Heimatweiher bekannt ist
und so viel wie „zusammengeballter Hausstaub“ bedeutet.
Auch das HB-Männchen musste seinen Namen nicht ändern. Im Gegenteil, das
HB-Männchen wurde extra gecastet, um mit den Initialen der Zigarettenmarke
HB für Haus Bergmann übereinzustimmen. Eigentlich arbeitet er im Zweitjob
für einen alten Seebären und heißt privat Hein Blöd. Ein wahrhaft dunkles
Geheimnis, von dem in der ach so glänzenden Welt der Werbung niemand etwas
wissen will.
5 Mar 2019
## AUTOREN
Ernst Jordan
## TAGS
Werbung
Bärenmarke
Werbeträger
wochentaz
Die Wahrheit
Märchen
Lebensmittel
Kolumne Die Wahrheit
Maskottchen
Borussia Dortmund
## ARTIKEL ZUM THEMA
Maskottchen in Kornwestheim demoliert: Lurchi muss ins Rathaus
Das Wahrzeichen des schwäbischen Kornwestheims ist der Feuersalamander
Lurchi. Vor kurzen bekam er eine Statue – doch die wurde gleich demoliert.
Die Wahrheit: An der Bewusstseinsgrenze
Wahrheit fast exklusiv: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
klärt weiter und äußerst detailreich an der Drogenfront auf.
Die Wahrheit: Gold oder Laib
Das wahre Käsemärchen: Wie der Herr von der Linden einmal die Lösung für
sämtliche Probleme dieser Welt fand.
Niederlage für berühmten Seemann: Konkurrenz für Käpt'n Iglo erlaubt
Seit 35 Jahren schippert Käpt'n Iglo weißhaarig übers Meer, ohne je zu
altern. Das aber gibt Iglo kein Alleinrecht auf die Figur, urteilt ein
Gericht.
Die Wahrheit: Früher war alles schärfer
Wir wollen nicht gleich nostalgisch werden, aber wenn Berufe aussterben,
sterben auch entsprechende, nun, Originale aus.
Die Wahrheit: Leichtfigur der Landstraße
Im Jahr 1898 waren alle Reifen grau oder beige. Dann erfand der Franzose
Edouard Michelin das Reifenstapelmännchen Bibendum.
Die Wahrheit: Schwarz-gelbe Gefahr
Was der grell gefärbte Salamander Lurchi und der nicht minder grell
gefärbte Fußballverein Borussia Dortmund gemeinsam haben.
die wahrheit: Korvettenkapitän Iglo
Am Montag dieser Woche rief mich einer der beiden taz-Geschäftsführer an.
Das kommt sehr selten vor...
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.