# taz.de -- Angela Merkel und „Fridays For Future“: Ein „Cyberkrieg“ f�… | |
> Kanzlerin Merkel setzt Schüler*innenproteste in Verbindung mit | |
> ausländischer Einflussnahme. Nicht nur die Organisator*innen finden das | |
> absurd. | |
Bild: Keine Einmischung aus Russland nötig: Seit Wochen protestieren Jugendlic… | |
Ob es nun eine ungewohnt unbedarfte Äußerung der Kanzlerin war oder Kalkül: | |
Angela Merkels Kommentar zur Schüler*innenprotestbewegung „Fridays for | |
Future“ in Verbindung mit hybrider Kriegsführung stößt im Internet auf ein | |
großes Echo. Aus der Protestbewegung und aus der Politik wird Merkel heftig | |
kritisiert. Ein Kinderpsychiater hat einen offenen Brief an sie gerichtet. | |
Pressesprecher Steffen Seibert sah sich zu einer Erklärung genötigt, | |
während die Leitfigur der Klimaproteste, Greta Thunberg, die Verschiebung | |
der öffentlichen Diskussion weg von den Inhalten beklagt. | |
Anlass der Aufregung ist eine Aussage, die die Bundeskanzlerin am | |
vergangenen Freitag in ihre Rede auf der [1][Sicherheitskonferenz in | |
München] einfließen ließ. Als sie darüber sprach, welche Rolle das Internet | |
für moderne, hybride Kriegsführung etwa durch Russland spielt, fiel ihr | |
wohl zur Illustration ihrer Gedanken auf die Schnelle kein besseres | |
Beispiel ein als die „Fridays for Future“. Seit Wochen demonstrieren | |
bundesweit und in vielen anderen Ländern Schüler*innen [2][für einen | |
verantwortungsbewussten Umgang mit dem Planeten]. | |
„Diese hybride Kriegsführung im Internet ist sehr schwer zu erkennen, weil | |
Sie plötzlich Bewegungen haben, bei denen Sie gedacht haben, dass die nie | |
auftreten“, dozierte Merkel zunächst, und schob dann hinterher: „In | |
Deutschland protestieren jetzt die Kinder für Klimaschutz, das ist ein | |
wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder nach | |
Jahren ohne jeden äußeren Einfluss auf die Idee kommen, dass man diesen | |
Prozess machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen.“ | |
Diese Äußerung sorgt nicht nur bei den Organisator*innen der „Fridays for | |
Future“ für Verwunderung. Merkel erwecke den Eindruck, die Schüler*innen | |
träten nicht aus eigenem Antrieb für den Klimaschutz ein, sondern weil | |
Russland sie dazu verleitet habe. Das führte zu deutlichen Worten von | |
Seiten der Bewegung: „Merkel nennt uns in einem Atemzug mit hybrider | |
Kriegsführung. Das nehmen wir nicht hin. Wir sind eine selbst organisierte | |
Bewegung“, hieß es auf dem [3][Twitter-Account von „Fridays for Future“]. | |
## Jugendliche wehren sich gegen Unterstellung | |
„Wir führen keinen Krieg, wir wollen die größte Krise der Menschheit | |
verhindern“, twitterte [4][Jakob Blasel], einer der bekanntesten Köpfe des | |
deutschen Ablegers der Bewegung. „Anscheinend fehlt der Bundeskanzlerin die | |
Vorstellungskraft, dass Jugendliche sich politisch organisieren und selbst | |
für ihre Zukunft eintreten können“, ergänzte [5][Linus Steinmetz]. | |
Dabei vermuten die Jugendlichen kein berechnendes Kalkül hinter Merkels | |
seltsamen Beispiel, sagte Blasel der taz. Er halte die Aussage der | |
Kanzlerin vielmehr für ein Zeichen, dass die Politik mit den innerhalb | |
weniger Wochen aufgekommenen Protesten überfordert sei. Möglicherweise | |
verstehe Merkel einfach nicht voll umfänglich, was der Protest der | |
Jugendlichen bedeute. Es gehe ihnen darum, dass jetzt gehandelt werden | |
müsse und nicht erst in einer vage formulierten Zukunft. | |
Unterstützung erhalten die Jugendlichen aus Umweltorganisationen und | |
Politik. Greenpeace-Vizechefin Bunny McDiarmid betonte: „Kinder sind nicht | |
dumm!“, und Juso-Chef Kevin Kühnert ließ sich gleich in einer ganzen Reihe | |
von Tweets über die Äußerung Merkels aus und sprach von einer | |
[6][„Instinktlosigkeit“], anstelle von [7][manipulierten Wahlen] | |
ausgerechnet eine Umweltbewegung als Beispiel heranzuziehen. | |
Der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Gunther Moll vom | |
Universitätsklinikum Erlangen sah sich von Merkels ungeschicktem Beispiel | |
zu einem offenen Brief veranlasst, den er über das internationale | |
Presseportal Pressenza publizierte. Der Buchautor richtete sich darin | |
direkt an die Bundeskanzlerin und betonte: „Damit die Klimakatastrophe noch | |
abgewendet werden kann, müssen wir unser Klima sofort schützen. Dafür | |
treten die Kinder in unserem Land ein. Nur dafür.“ Er fordere Merkel dazu | |
auf, die Proteste für den Klimaschutz zu unterstützen, anstatt sie mit | |
russischen Manipulationsversuchen in Verbindung zu setzen. | |
## Greta Thunberg sieht falsche Art der Aufmerksamkeit | |
Regierungssprecher Steffen Seibert sah sich auf Twitter zu einer | |
[8][Richtigstellung] genötigt. Merkel habe die Proteste als Beispiel für | |
eine schnelle Mobilisierung durch eine Internetkampagne gewählt, nicht als | |
Beispiel für eine Beeinflussung der öffentlichen Diskussion durch Russland. | |
Peter Tauber (CDU) sprang der Kanzlerin zur Seite: Die aufgeregten | |
Reaktionen seien lediglich ein Versuch, Merkels Rede „eine | |
Verschwörungstheorie unterzuschieben“. | |
Welchen Nutzen ein anderes Land davon haben sollte, Umweltproteste in | |
Deutschland hervorzurufen oder zu fördern, bleibt ohnehin vollkommen offen. | |
Das Onlinemagazin Telepolis vermutet, Politiker in den Bundesländern | |
könnten Merkels Aussage als Grundlage für ein hartes Vorgehen gegen die | |
Schüler*innenproteste nutzen. Das unglückliche Beispiel der Kanzlerin werde | |
Verschwörungstheoretikern in die Hände spielen, befürchtet das | |
Spiegel-Format Bento. | |
[9][Greta Thunberg, die Initiatorin der „Fridays for Future“], betrachtet | |
Angela Merkels Äußerung weniger aufgeregt. Böse Absicht unterstelle sie der | |
Kanzlerin nicht, sagte sie am Montag gegenüber Bento. Die schwedische | |
Schülerin glaubt nicht, dass das Bild der Jugendbewegung davon nachhaltig | |
verändert werde. Dagegen störe sie etwas anderes: „Immer wenn die | |
Schulstreiks als Thema aufkommen, reden fast alle politischen Führer und | |
viele Journalisten über alles mögliche – außer über den Klimawandel.“ | |
19 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5570925 | |
[2] /Jugendliche-protestieren-fuer-Klimaschutz/!5565304 | |
[3] https://twitter.com/FridayForFuture/status/1096842799884963840 | |
[4] https://twitter.com/BlaBlaJakob/status/1096813217245024257 | |
[5] https://twitter.com/linus_steinmetz/status/1096814331159810049 | |
[6] https://twitter.com/KuehniKev/status/1097434075659419648 | |
[7] /Trumps-frueherer-Anwalt/!5564690 | |
[8] https://twitter.com/RegSprecher/status/1096757385836810240 | |
[9] /15-jaehrige-Aktivistin-aus-Schweden/!5528023 | |
## AUTOREN | |
Tammo Kohlwes | |
## TAGS | |
Greta Thunberg | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Protest | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Münchner Sicherheitskonferenz | |
Greta Thunberg | |
Münchner Sicherheitskonferenz | |
Kohlekommission | |
Meeresverschmutzung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Klimaaktivistin über EU-Klimaziele: Thunberg fordert mehr CO2-Reduktion | |
Die EU müsse bis 2030 ihren CO2-Ausstoß um mindestens 80 Prozent senken, | |
fordert die 16-jährige Aktivistin. Sonst seien alle bisherigen | |
Klima-Fortschritte vergeblich. | |
Münchner Sicherheitskonferenz: „Wuhuu!“ | |
Die transatlantischen Beziehungen – im Eimer. Multilateralismus – am Ende. | |
Wie weit der Westen auf den Hund gekommen ist, zeigt sich jetzt. | |
Jugendliche protestieren für Klimaschutz: Irgendwer muss es ja tun | |
Am Freitag demonstrieren tausende Schüler in Berlin für mehr Klimaschutz. | |
Dort will die Kohlekommission ihre Empfehlungen vorstellen. | |
15-jährige Aktivistin aus Schweden: Greta schwänzt die Schule – fürs Klima | |
Auch in Schweden gilt Schulpflicht. Eine Stockholmerin hat derzeit | |
allerdings Wichtigeres zu tun: Sie ermahnt Politiker, die Klimafrage | |
ernstzunehmen. |