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# taz.de -- Schulkinowochen im Norden: Das erste Mal
> Für viele Schüler*innen ist dieser Kinobesuch eine Premiere: In
> Niedersachsen und Bremen finden wieder die Schulkinowochen statt.
Bild: Großes Staunen: Schüler*innen glotzen meist auf kleine Bildschirme stat…
Bremen taz | Es gibt einen geheimen Lehrplan bei den Schulkinowochen: Es
ist nicht nur wichtig, welche Filme sich Tausende von Schüler*innen in den
kommenden Wochen in Niedersachsen und Bremen ansehen, sondern, dass sie
dies überhaupt in einem Kino tun. Denn zur Sozialisation der sogenannten
„Digital Natives“ gehört ein Kinobesuch inzwischen immer seltener. Für
viele dürfte es deshalb ein prägendes Erlebnis sein, zum ersten Mal einen
Film nicht auf einem Smartphone, Tablet oder Bildschirm, sondern gemeinsam
mit vielen anderen in einem dunklen Raum auf einer großen Leinwand zu
sehen. Für den Projektleiter der Schulkinowochen Niedersachsen Jörg Witte
macht dieses Erlebnis die Essenz eines Kinobesuchs aus.
Solche Projekte wie die Schulkinowochen gab es in anderen europäischen
Ländern schon viel früher. Etwa weil in Frankreich, Großbritannien oder
Schweden der Film ganz selbstverständlich als die siebte Kunstform und
nicht nur als Unterhaltung angesehen wird. Doch besser spät als gar nicht.
Mittlerweile sind die Schulkinowochen ein beeindruckend großes und
nachhaltiges Projekt. Sie werden vom Netzwerk „Vision Kino“ organisiert, in
allen Bundesländern durchgeführt und laufen in rund 850 Kinos. In
Niedersachsen finden sie jetzt zum 15. Mal statt. Insgesamt haben in den
vergangenen Jahren rund eine Million Schüler*innen die Veranstaltungen
besucht.
In den kommenden vier Wochen gibt es etwa 1.000 Vorstellungen in 100 Kinos
an 86 Standorten mit insgesamt 63 Filmen, die Veranstalter*innen rechnen
mit rund 80.000 Besuchern, pro Vorstellung kommen zwischen 15 und 500
Schüler*innen. Es gibt Vorstellungen in allen Altersgruppen, das Angebot
reicht von Kinderfilmen wie „Die Kleine Hexe“ bis zu politischen Filmen wie
dem Flüchtlingsdrama „Styx“.
Zumindest in diesem Jahr gilt dabei noch ein Einheitspreis von 3,50 Euro
pro Vorstellung, in den kommenden Jahren aber, sagt Witte, wird sich eine
kleine Erhöhung nicht vermeiden lassen. Denn eine Goldgrube sind die
Schulkinowochen für die Kinobetreiber*innen nicht. Zwar werden die Kinos an
den Vormittagen, also in Zeiten, in denen sie sonst brachliegen, genutzt.
Aber auf der anderen Seite der Rechnung stehen die Personal- und nicht zu
unterschätzenden Energiekosten.
Im Flächenland Niedersachsen ist es nicht immer einfach, überhaupt ein Kino
zu erreichen. Einige Schulen mieten Busse, um in der nächsten größeren
Stadt ins Kino zu kommen. Schulklassen fahren mit der Bahn oder anderen
öffentlichen Verkehrsmitteln und so verdoppeln sich die Kosten für den
Kinobesuch schnell.
Vom Netzwerk „Vision Kino“ werden für jeden einzelnen Film
Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt und bei etwa 50
Veranstaltungen gibt es Einführungen von Referent*innen, zu einigen kommen
auch Gäste wie Regisseur*innen. Es gibt Sonderreihen zu den Themen
künstliche Intelligenz („Wissenschaftsjahr“), Nachhaltigkeit („17 Ziele …
eine Zukunft“) und „Landstreifen – Der ländliche Raum im Film“. In
Letzterer laufen etwa auch der Kinderpferdefilm „Hände weg von Mississippi“
von Detlev Buck und als älteste Produktion im Programm der DEFA-Jugendfilm
„…verdammt ich bin erwachsen“ aus dem Jahr 1974.
Aber es gibt auch Veranstaltungen, die besonders betreut, um nicht zu
sagen: beschützt werden müssen. So wird etwa ein Team der Organisator*innen
bei den Vorführungen des Dokumentarfilms „Wildes Herz“ über die ostdeutsc…
Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ aufpassen, dass alles gut geht. Bei den
Schulkinowochen in Schleswig-Holstein musste im November eine Vorführung
des Films in Bad Schwartau wegen einer Bombendrohung abgesagt werden.
Dass das Kino in Frankreich ein ganz anderes Ansehen hat, zeigt sich
übrigens auch bei den hiesigen Schulkinowochen. Filme, die im Lehrplan für
den Französischunterricht vorkommen, stehen auch hier in den
Originalfassungen mit Untertiteln auf dem Programm.
Auch für den Englisch- und Spanischunterricht sind einige Originalfassungen
mit Untertitelangeboten dabei. Und für Grundschulklassen wird der
plattdeutsch synchronisierte Animationsfilm „Ritter Trenk Op Platt“
gezeigt, für den sich schon rund 1.000 Schüler*innen angemeldet haben, sagt
Witte.
Jede Schule und jedes Kino organisieren die Teilnahme an den
Schulkinowochen anders. Außergewöhnlich ist zum Beispiel das Engagement in
Goslar, wo das Stadtjugendamt als Veranstalter agiert. Dort kuratieren
Schüler*innen der Fachoberschule das Programm und stellen die Filme auch in
den Schulen vor.
Im Programm finden sich schließlich auch einige Filme, die vor kurzem noch
in den Programmkinos liefen wie etwa „Blackkklansman“ von Spike Lee, „Die
Verlegerin“ von Steven Spielberg, „Gundermann“ von Andreas Dresen und „…
Trafikant“ mit dem gerade verstorbenen Bruno Ganz in der Rolle des Sigmund
Freud.
Es werden auch Filme gezeigt, die Schwierigkeiten hatten, in die Kinos zu
kommen. Etwa wird, in Kooperation mit dem DGB, der Dokumentarfilm „Der
letzte Jolly Boy“ von Hans-Erich Viet über den Auschwitz-Überlebenden Leon
Schwarzbaum präsentiert. Dadurch wurde es ermöglicht, dass sowohl
Filmemacher Viet als auch sein Protagonist Schwarzbaum bei einigen der
Vorstellungen zu Gast sein werden.
In Bremen findet die Schulkinowoche in diesem Jahr zwischen dem 25. und 29.
März zum 14. Mal statt. Dort werden mit den Literaturverfilmungen „The
Circle“ und „Jakob der Lügner“ zwei Filme passend zu den Abiturthemen im
Fach Deutsch gezeigt und der Bremer Filmkomponist André Feldhaus wird einen
Workshop zum Thema Filmmusik leiten.
21 Feb 2019
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Medienpädagogik
Bremen
Kino
Film
Schule
Unterricht
Spielfilm
Wahlen
Feine Sahne Fischfilet
Filmförderung
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