| # taz.de -- Afrikas Weg in den Weltraum: Aus der Abhängigkeit befreien | |
| > Raumfahrt ist nicht mehr allein Sache der westlichen Hightechstaaten. | |
| > Mehr als ein Dutzend afrikanische Satelliten fliegt bereits im Weltall. | |
| Bild: Eine chinesische Rakete bringt den nigerianischen Kommunikationssatellite… | |
| Hamburg taz | Äthiopien bekommt 2019 den ersten eigenen Satelliten, | |
| kündigte Solomon Belay Tessema Ende des vergangenen Jahres an, | |
| Chefwissenschaftler des äthiopischen Raumfahrtinstituts in Addis Abeba. | |
| China werde nicht nur mit sechs Millionen Dollar, sondern auch mit Know-how | |
| helfen und den Erdbeobachtungssatelliten starten. | |
| Das Land in Ostafrika wäre das fünfte subsaharische Land mit einem | |
| Satelliten im Weltraum. Jahrzehntelang war die Welt der Raumfahrt fest | |
| aufgeteilt: Der Teil mit Geld und Spitzentechnologie fuhr ins All, der Rest | |
| durfte mitjubeln, wenn wieder ein großer Schritt für die Menschheit getan | |
| wurde. Doch 1999 erreichte der experimentelle Kleinsatellit „Sunset“ aus | |
| Südafrika auf der Spitze einer US-amerikanischen Delta-II-Rakete den Orbit. | |
| Seither haben zahlreiche afrikanische Länder Raumfahrt-Agenturen gegründet | |
| und vier weitere Länder unterhalb der Sahara sind zum angesehenen Club der | |
| Satellitenbesitzer gestoßen – Kenia, Ghana, Angola und Nigeria. Mehr als | |
| ein Dutzend afrikanische Satelliten fliegen bereits im All, fast die Hälfte | |
| davon seit 2017. | |
| Dass ein Kontinent sich so rasant auf den Weg in den Weltraum macht, dessen | |
| Straßensystem hauptsächlich aus Dirt Roads besteht, erscheint allerdings | |
| nur auf den ersten Blick verwunderlich. Denn gerade aus diesem Grund ergibt | |
| Raumfahrt für Afrika einen Sinn. Seine lückenhafte Infrastruktur macht | |
| viele Orte unzugänglich. Satelliten hingegen kümmern sich nicht um | |
| schlechte Straßen. Ein gutes Beispiel ist das von Südafrika entwickelte | |
| Advanced Fire Information System, das Satellitenbilder auf Buschbrände hin | |
| auswertet. „Durch das enorm große Südafrika führen zahlreiche | |
| Stromtrassen“, sagt Valanthan Munsami, Direktor der südafrikanischen | |
| Raumfahrtagentur Sansa. Buschbrände bleiben in dem Land, viermal so groß | |
| wie die Bundesrepublik, am Boden oft lange unbemerkt – den Satelliten im | |
| Weltraum entgehen sie jedoch nicht. | |
| „Wenn ein Feuer die Trassen beschädigt, ist es viel teurer, sie zu | |
| reparieren, als vorher jemanden zu warnen, ‚da ist ein Feuer, am besten | |
| fliegt jemand hin und löscht es‘. Die Verantwortlichen bekommen einfach | |
| eine SMS, die ihnen sagt, wo es brennt.“ Die Bilder erhält das | |
| Frühwarnsystem von europäischen und US-amerikanischen Satelliten – noch. | |
| Denn den Sinn von Satelliten haben auch die afrikanischen Regierungen für | |
| den ganzen Kontinent erkannt. Die Afrikanische Union hat deshalb Ende 2017 | |
| eine Raumfahrtstrategie verabschiedet. Ziel ist eine panafrikanische | |
| Raumfahrtagentur, um eine den speziellen Interessen Afrikas dienende | |
| Raumfahrt zu fördern und dabei schon vorhandene Ressourcen wie | |
| Bodenstationen und Teststände für Satelliten gemeinsam zu nutzen. | |
| ## Bilder von Afrika für Afrika | |
| Bereits 2009 hatten vier afrikanische Länder – Südafrika Nigeria, Algerien | |
| und Kenia – vereinbart, jeweils einen Erdbeobachtungssatelliten mit einer | |
| Auflösung von zweieinhalb Metern bereitzustellen, um Bilder von Afrika für | |
| Afrika aufnehmen zu können. Damit wollen die afrikanischen Regierungen sich | |
| langfristig aus der Abhängigkeit von Europa, den USA und auch kommerziellen | |
| Unternehmen befreien. | |
| „In einigen Aspekten mag es okay sein, von Unternehmen abhängig zu sein“, | |
| meint Munsami. „Bei anderen sollte man eigenständig zu sein. Nehmen wir an, | |
| da ist ein Unternehmen, das den Hinterhof ihrer Ressourcen kennt. Wie | |
| können Sie sicher sein, dass ausschließlich Sie dazu Zugang haben? Das gilt | |
| auch für die Verteidigung. In Afrika gibt es zahlreiche Bürgerkriege, | |
| Militär bewegt sich ständig hin und her. Aus Sicht der Afrikanischen Union | |
| ist es daher wichtig, über Satellitenbilder zu verfügen.“ | |
| Doch Unabhängigkeit lässt sich nur dann wirklich erreichen, falls die | |
| Satelliten auch von afrikanischen Ingenieuren gebaut und betrieben werde. | |
| Das ist häufig – wie beispielsweise bei den nigerianischen | |
| Telekommunikationssatelliten NigeriaSat-1 und -2 nicht der Fall. „Die | |
| Satelliten werden nicht von Nigeria gebaut, sondern bezahlt“, so Thomas | |
| Weissenberg, zuständig für internationale Zusammenarbeit bei der | |
| Europäischen Raumfahrt-Agentur ESA. „Die Satelliten werden in Europa, den | |
| USA und in China gebaut, und von Raketen-Dienstleistern wie Arianespace | |
| hochgeschickt. Betrieben werden diese Satelliten dann entweder von großen | |
| Satellitenbetreibern wie Inmarsat und Intelsat oder von kleineren Firmen | |
| vor Ort, die allerdings Unterstützung brauchen.“ | |
| „Diesen Umstand nutzt auch China, das damit einen weiteren Weg gefunden | |
| hat, seinen ohnehin schon wachsenden Einfluss auf dem afrikanischen | |
| Kontinent auszuweiten. Die ESA hingegen hilft in Afrika vor allem mit den | |
| Daten der eigenen Satelliten, um beispielsweise lokalen Regenfall | |
| vorherzusagen oder die Vorgänge in Nationalparks zu überwachen. „Space | |
| added value“ nennt die ESA das dann – aus der Raumfahrt abgeleiteter | |
| Nutzen. | |
| ## Satelliten made in Südafrika | |
| Laut Sansa-Chef Munsami ist bisher nur Südafrika als einziges afrikanische | |
| Land in der Lage, Satelliten selbst zu bauen – und auch nur | |
| Kleinsatelliten, nicht die Hunderte Millionen Euro teuren | |
| Kommunikationssatelliten. „Wir wollen auch keine Ingenieure für Satelliten | |
| ausbilden, die man nur einmal alle 15 Jahre benötigt“, so Munsami. Denn das | |
| ist die Zeit, die ein Kommunikationssatellit ungefähr hält. | |
| Aus diesem Grund kommt afrikanischen Universitäten generell eine aktuelle | |
| Entwicklung zugute, von der auch westliche Wissenschaftler profitieren: Der | |
| Bau kleinster Satelliten und Instrumente mit günstiger Elektronik aus | |
| industrieller Serienproduktion. Damit lassen sich sogenannte Cube-Sats | |
| bauen, eine standardisierte Klasse kleiner und preiswerter Satelliten, die | |
| in erdnahen Umlaufbahnen durchaus respektable Daten sammeln können. | |
| So soll der Ende Dezember gestartete „ZACube-2“ nicht nur illegale | |
| Fangschiffe und Ölreste an der Küste Südafrikas aufzuspüren, sondern auch | |
| Buschfeuer. Wenn er funktioniert wie erwartet, ist er der erste einer | |
| Konstellation von neun Cube-Satelliten. Es ist kein Zufall, dass alle | |
| afrikanischen Cube-Satelliten an afrikanischen Universitäten gebaut worden | |
| sind – häufig zwar mit japanischer Hilfe, aber doch eben im Inland. | |
| Die Tatsache einer afrikanischen Raumfahrt schmeckt nicht allen in Europa, | |
| wo viele nach wie vor genau zu wissen glauben, was Afrikaner tun und lassen | |
| sollen. „Angesichts der Höhe des nigerianischen Raumfahrtprogramms, ist es | |
| nicht zu rechtfertigen, Gelder nach Nigeria zu überweisen“, kritisierte | |
| 2013 Philip Davies, Mitglied der konservativen Torys im britischen | |
| Unterhaus laut der Zeitung Daily Mail. Hintergrund war die Debatte über | |
| Milliardenhilfen für die ehemalige britische Kolonie. Schließlich glitt die | |
| Kritik sogar ins Rassistische ab. „Wie können wir Milliarden Pfund nach | |
| Bongo-Bongo-Land schicken, wenn wir selbst Schulden haben“, tönte Godfrey | |
| Bloom, damals noch krawalliges Mitglied der rechtslastigen britischen | |
| Ukip-Partei. | |
| Tatsächlich wird Raumfahrt von vielen Menschen als Luxus wahrgenommen und | |
| weniger als technische Voraussetzung für Wettervorhersagen, Kommunikation | |
| und Überwachungsinstrumente im Kampf gegen Umweltzerstörung. „Das | |
| Interessante ist, dass jede Regierungsinstitution in Südafrika eine | |
| Abteilung für Geoinformation besitzt“, so Munsami. „Womit auch immer sie | |
| sich beschäftigen, Wasser, Wald, sie benutzen Satellitenbilder.“ | |
| ## Teil des weltweiten Raumfahrt-Geschäfts | |
| Hinzu kommt: Auch das subsaharische Afrika hat eine Raumfahrt-Tradition. | |
| Ihr Ursprung liegt unter anderem in den ersten Raumfahrt-Programmen der | |
| USA. „Wir sind Teil des Deep Space Networks“, so Munsami. „Wir haben alle | |
| Apollo-Missionen unterstützt und auch das erste Bild vom Mars kam über | |
| Südafrika.“ Um Funkkontakt mit ihren von Florida nach Osten abgeschossenen | |
| Raketen halten zu können, errichteten die Amerikaner eine Kette von | |
| Stationen, mit der sie die Flugbahnen überwachen konnten. Das ist heute | |
| immer noch so. „Der Standort kann jeden Start in den USA oder | |
| Französisch-Guayana verfolgen. Die Satelliten werden über unserem Gebiet | |
| ausgestoßen und wir erledigen die ersten Tests. Wir sind Teil des | |
| weltweiten Raumfahrt-Geschäfts.“ | |
| Aus dieser Tradition erwächst das Know-how für die aktuelle südafrikanische | |
| Raumfahrt, die auf dem Kontinent führend ist. „Die Nasa hat es uns damals | |
| überlassen, die Anlagen zu warten. Als sie sich in den siebziger Jahren | |
| dann aus Südafrika zurückgezogen hat, haben wir die Expertise am Boden in | |
| Astronomie-Know-how umgewandelt.“ Denn die Technik eignet sich auch | |
| vorzüglich für die Beobachtung des Weltraums. Aus diesem Grund wird | |
| Südafrika Standort des „Square Kilometre Array“ (SKA), ein riesiger Verbund | |
| von Radioteleskopen. Dieser soll helfen, in ganz Afrika Raumfahrt- und | |
| Technologie-Expertise aufzubauen. | |
| „Wir starteten das von einem wissenschaftlichen Projekt heraus. Beim SKA | |
| ist es wichtig, die enormen Mengen an empfangenen Daten zugänglich zu | |
| machen“, sagt Munsami. „Deswegen haben wir begonnen, Rechenzentren zu | |
| bauen. Zudem haben wir in den vergangenen 15 Jahren etwa 900 Studenten | |
| ausgebildet. Wenn die Anlagen fertig sind, benötigt man Menschen, um sie zu | |
| betreiben.“ Dabei wirkt Südafrika als Wissensexporteur. „Den anderen | |
| afrikanischen Teilnehmer-Ländern des SKA-Projekts helfen wir, | |
| Hochleistungs-Rechenzentren zu bauen und trainieren sie, diese zu nutzen.“ | |
| Allerdings kämpfen die afrikanischen Länder bei ihren Plänen mit | |
| erheblichen Verzögerungen – nicht anders als bei Nasa und ESA. Von der vor | |
| zehn Jahren geplanten Satellitenkonstellation ist aber bisher lediglich der | |
| nigerianische Satellit im All – und das hat einen handfesten | |
| wirtschaftlichen Grund: Der damalige nigerianische Präsident Olusegun | |
| Obasanjo wollte damit die für Überfälle anfällige Ölindustrie des Landes | |
| überwachen. | |
| 10 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Schneider | |
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