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# taz.de -- Restaurierter Film von Derek Jarman: Ein besonderer Fleck Erde
> Experimentalfilmklassiker, restauriert: „The Garden“ von Derek Jarman ist
> eine surreal-traumhafte Reise mit einer madonnenhaften Tilda Swinton.
Bild: „The Garden“ spielt an Landspitze Dungeness im Süden Englands, wo De…
Ein Garten ohne Zaun. Steine, Metall, Holz: vieles von dem, was das Meer an
Land spült, hat Derek Jarman in den Garten seines Prospect Cottage in
Dungeness „gepflanzt“. An einem Ort, wo das Anpflanzen unmöglich scheint.
Kies, kaum Erdboden, karge Vegetation, in der Ferne flackern die Lichter
eines Kernkraftwerks, ein steigendes und dann wieder sinkendes Brummen ist
zu hören. Dungeness liegt an der südöstlichen Küste Englands in Kent. Heute
ist die Dungeness Nuclear Power Station nur noch zum Teil in Betrieb. Derek
Jarmans Garten ist – 25 Jahre nach dem Tod des britischen Filmemachers,
Künstlers, Aids-Aktivisten und Gärtners am 19. Februar – immer noch da.
Die ersten Bilder von „The Garden“ zeigen das Filmset nachts, das Licht ist
aufgebaut. Die Super-8-Kamera bewegt sich rasch, wie unkontrolliert,
zwischen Licht und Dunkelheit. Man ist desorientiert. Eine Stimme aus dem
Off kündigt an, diese Leere mit uns teilen zu wollen. Und spricht weiter:
„Ich möchte diese Wildnis des Versagens mit euch teilen. Andere bauen euch
Highways mit schnellen Fahrbahnen in beide Richtungen. Ich biete euch eine
Reise ohne Richtung – sowie Ungewissheit und keine süßlichen Lösungen.“
Es ist diese anscheinende Richtungslosigkeit, die es dem Betrachter
erlaubt, sich auf eine persönliche visuelle und akustische Reise zu begeben
– eine, die mal surreal-abstrakt und traumhaft scheint, mal offensichtlich
– wenn auch sicherlich nicht zur Freude der römisch-katholischen Kirche –
von der Passion Christi inspiriert ist. Sind die zwölf Frauen an der langen
Tafel etwa weibliche Apostel? Durch kreisende Bewegungen auf Gläsern
erzeugen sie einen Klang, bis sich eine sehr junge Tilda Swinton langsam
erhebt, die Arme offen. Wie eine Madonna, mit einer konzentrierten
Intensität, die auf den Zuschauer so magnetisch wirkt, dass man darüber
sehr leicht das „biblische Konzept“ vergessen kann.
Jarman selbst ist oft im Bild zu sehen. Mal als Träumender in einem Bett im
flachen Meer oder mit dem Kopf auf seinem Schreibtisch, mal auch ganz
„außerhalb“ des Films, etwa wenn er in seinem Garten arbeitet oder
schreibt, als wolle er die Grenzen zwischen all dem, was im Inneren und
Äußeren eines Menschen passiert, sprengen.
Jarman selbst war wohl sehr unzufrieden mit seinem Film. „There is not a
shot that is not ugly“, schrieb er. Einer seiner persönlichsten Filme ist
er auf jeden Fall. Als er Ende 1989 „The Garden“ drehte, war er seit drei
Jahren als HIV-positiv diagnostiziert. In „The Garden“ ist es Jarman
gelungen, privateste Dinge mit den Themen und Obsessionen, die in seinem
Werk immer wieder zurückkehren – Formen der Liebe und des Hasses –, zu
verschmelzen. Wie er 1993 in einem seiner letzten gefilmten Interviews –
„L’amore vincitore“ des italienischen Experimentalfilmemachers Roberto
Nanni – wiederholte, beschäftigte ihn sein Leben lang die Frage des Hasses
gegenüber Schwulen, insbesondere von der römisch-katholischen Kirche, in
seinen Worten „a very illiberal organisation of terrible old men“.
In der 2018 vom British Film Institute restaurierten Fassung von „The
Garden“ ist es nun möglich, die experimentelle Sprache Jarmans frisch für
sich zu entziffern. Ist der Garten wirklich sein Eden und Gethsemane oder
„bloß“ ein sehr besonderer Fleck Erde am Meer im Südosten Englands?
8 Feb 2019
## AUTOREN
Sara Piazza
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
The Garden
Film
Spielfilm
Schwerpunkt Berlinale
Horrorfilm
Transmediale
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