# taz.de -- Bekämpfung von Raupen: Haarige Zeiten für märkische Spinner | |
> Brandenburg hat den Eichenprozessionsspinner erfolgreich bekämpft: Dank | |
> Gifteinsatz wird die Raupe nimmer satt. Berlin kann auf solche Mittel | |
> verzichten. | |
Bild: Haarige GesellInnen: Die Raupenhärchen enthalten ein hochallergenes Ness… | |
Zuerst die schlechte Nachricht: Die Population des | |
Eichenprozessionsspinners im Land Brandenburg wird dieses Jahr auf einen | |
Tiefstand sinken. Die Summe der Waldflächen, auf denen er voraussichtlich | |
bekämpft werden muss, schrumpft auf 10 Hektar. 2013 waren es noch mehr als | |
11.000 Hektar gewesen. Wenn Sie sich jetzt wundern: Das war die schlechte | |
Nachricht für die Eichenprozessionsspinner. | |
Denn wenn die pelzigen Raupen des Nachtfalters aus ihren Gelegen von | |
mehreren Hundert Eiern geschlüpft sind, können sie nicht nur einen | |
Eichenbaum komplett entlauben. Das Nesselgift in ihren Härchen kann schwere | |
allergische Reaktionen bei Menschen auslösen. Für Letztere ist dies also | |
eine gute Nachricht. Auch wenn der Sieg über den Spinner nicht ganz | |
unumstritten ist. | |
Der dramatische Rückgang der Brandenburger Population geht auf das Konto | |
der „Arbeitsgruppe Eichenprozessionsspinner“, die seit 2013 unter | |
Federführung des Potsdamer Umweltministeriums konzertierte Aktionen mit | |
Landkreisen und Kommunen durchführt – rund 9 Millionen Euro wurden schon in | |
die Bekämpfung gesteckt. | |
Dabei wird zwar nicht mit Kanonen auf Spatzen, aber mit Hubschraubern auf | |
Raupen geschossen: Helikopter versprühen den Bacillus thuringiensis über | |
befallenen Waldflächen. Nach Angaben des Landesbetriebs Forst Brandenburg | |
handelt es sich um einen Erreger, der sehr spezifisch den Darmtrakt von | |
Prozessionsspinnerraupen angreift, die daraufhin den Appetit verlieren und | |
verhungern. „Es ist ein intelligentes Mittel, das in geringster Dosis | |
ausgebracht werden kann“, sagt Jörg Ecker, als Fachbereichsleiter im | |
Landesbetrieb für Waldschutz zuständig. „Das wird auch von | |
Demeter-Betrieben angewendet.“ | |
Im kommenden Frühjahr würden sich die Maßnahmen wohl auf das Absaugen der | |
Tiere von einzelnen Bäumen beschränken, so Ecker zur taz. Auch Alleen seien | |
wohl wieder betroffen, da könne man aber ohnehin nicht aus der Luft | |
angreifen. Darauf, dass diesmal im Wald die „Kalamität“ – so der | |
Fachbegriff für einen Massenbefall – ausbleibe, sei man stolz, sagt Ecker. | |
Weniger begeistert von der sanften biologischen Kriegführung sind | |
Naturschützer. Der Brandenburger Nabu forderte immer wieder den Stopp der | |
Sprühaktionen – weil die Wirksamkeit nicht nachgewiesen sei und | |
möglicherweise andere Arten gefährdet würden. Zumindest der erste | |
Kritikpunkt scheint jetzt hinfällig zu sein. | |
## Sauger-Einsatz in Berlin | |
Und in Berlin? Die hiesige Waldfläche ist natürlich viel kleiner als im | |
umgebenden Bundesland, und dank der dichten menschlichen Population wird | |
ein Prozessionsspinnerbefall meist sehr schnell gemeldet. „Brandenburg ist | |
ganz anders betroffen als wir“, sagt Derk Ehlert, Pressesprecher bei der | |
Senatsumweltverwaltung und Naturexperte. Ihm zufolge kann darum auf das | |
umstrittene Bakterium verzichtet werden. Es reiche eine manuelle | |
Bekämpfung, bei der die Raupen mit einer Art Riesenstaubsauger von der | |
Eiche geholt werden. | |
Im Gegensatz zu Brandenburg führen die Berliner Forsten auch kein | |
Monitoring durch, schätzen also nicht durch Stichproben bei den Gelegen den | |
kommenden Befall ab. Ob 2019 ein Spinnerjahr wird, kann Ehlert darum nicht | |
sagen, auch wegen der klimatischen Ausschläge: „Nach dem letzten Sommer | |
wage ich keine Prognose.“ Übrigens habe man 2018 beobachten können, dass | |
die Gespinste am Baumstamm, in die sich die nachtaktiven Raupen tagsüber | |
zurückziehen, wegen der starken Hitze viel weiter in Bodennähe und damit | |
sichtbarer angelegt waren. Darum habe es auch mehr Meldungen als sonst | |
gegeben, obwohl der Bestand gar nicht gewachsen sei. | |
Klimatische Veränderungen sind laut Jörg Ecker ein ernst zu nehmender | |
Faktor bei der Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners: „Der ist ein | |
typischer Gewinner des Klimawandels.“ Früher seien viele Raupen nach dem | |
Schlüpfen verhungert, weil die Eichen zu diesem Zeitpunkt noch nicht | |
ausgetrieben hatten. „Aber das hat sich mittlerweile um bis zu zwölf Tage | |
nach vorne verschoben.“ | |
Laut Ecker hoffen Brandenburgs FörsterInnen, dass sich endlich auch | |
natürliche Gegenspieler des Schädlings hier ausbreiten – Schlupfwespen | |
etwa, die ihre Eier in die des Falters injizieren. Anders als der | |
Prozessionsspinner, der im 20. Jahrhundert aus Südosteuropa einwanderte, | |
haben die ihn parasitierenden Arten noch nicht den Weg in die Mark | |
gefunden. | |
Es könnte auch mit dem Klimawandel zu tun haben, dass der Landesbetrieb | |
Forst jetzt vor anderen Kalamitäten warnen muss: Große Bestände an den | |
Falterarten Kiefernspinner, Nonne und Forleule seien zu erwarten. Der | |
Appetit ihrer Raupen gilt der Kiefer, sie zeichnen sich laut Ecker durch | |
„extrem hohe Fraßgeschwindigkeit“ aus und sind „härter im Nehmen als der | |
Eichenprozessionsspinner“. Mit 10.000 Hektar befallenen Waldes rechne man, | |
„glücklicherweise sind keine Schutzgebiete betroffen“, so Ecker. | |
7 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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