# taz.de -- Prozess gegen Hambacher-Forst-Aktivistin: „Eule“ bleibt in U-Ha… | |
> Mit Spott über ein unvorbereitetes Gericht: Der Prozess gegen eine | |
> Aktivistin aus dem Hambacher Forst wird nach einem turbulenten Auftakt | |
> vertagt. | |
Bild: Es habe, als man „Eule“ geräumt hat, keine „rechtmäßige Dienstha… | |
KERPEN taz | Die blasse junge Frau mit den punkigen Haaren – blond gefärbt, | |
türkise Strähnchen, einseitig ausrasiert – soll am 25. September „mit | |
Gewalt Widerstand geleistet“ haben bei der Räumung im Hambacher Wald. Sie | |
habe auf gut Anklagedeutsch „Amtsträger tätlich angegriffen“ und „an der | |
Gesundheit geschädigt“. Das Strafgesetzbuch nennt das versuchte gefährliche | |
Körperverletzung. | |
Die Angeklagte hat zwei Namen. „Eule“ nennt sie sich selbst. Die | |
Staatsgewalt führt sie unter UP Aachen VIII, Geburtsname und Alter sind | |
unbekannt. UP steht für Unbekannte Person. Nein, teilt ihr Anwalt vor dem | |
Amtsgericht Kerpen mit, seine Mandantin bleibe dabei: keine Angaben zur | |
Person. | |
Seit viereinhalb Monaten sitzt „Eule“ ein, als letzte von fünf zeitweiligen | |
Untersuchungshäftlingen nach den Räumungsexzessen im Wald. [1][Als Richter | |
Peter Königsfeld die Anklage verliest], grinst sie spöttisch. Später, bei | |
den Zeugenvernehmungen, wird sie auch lachen. | |
Der Prozess trägt bald kabarettistische Züge. Das liegt am Publikum, das | |
sich aus an die 40 Leute aus der UnterstützerInnenszene bildet – und dem | |
Richter, der sich nicht entscheiden kann zwischen Mahnungen um Ruhe, dem | |
Überhören von Zwischenrufen und Durchgreifen. Schon das Aufstehen bei | |
Prozessbeginn klappt nicht: „Nehmen Sie bitte die Kopfbedeckung ab.“ – �… | |
ist eine Mütze“, präzisiert der Gescholtene aus dem Publikum. Gejohle. Die | |
bunte Wollmütze bleibt bis zum Ende auf dem Kopf. | |
## Aussagen der Polizei widersprechen sich | |
Einen jungen Mann verweist der Richter nach einem Kommentar früh des | |
Saales. Er geht nicht und wird rabiat rausgeschleift, immerhin ohne | |
Amtsträger tätlich anzugreifen. Ein anderer Besucher empört sich später | |
lauthals über eine merkwürdige Polizistenaussage, sagt in einem Atemzug „… | |
und ich gehe freiwillig“, packt seine Jacke und marschiert schimpfend raus. | |
Die Aussagen der Polizeizeugen widersprechen sich teilweise. Hat „Eule“ | |
seitlich getreten oder doch geradeaus? Mit fixierten angewinkelten Beinen, | |
während zwei Beamte auf ihren Schultern saßen? Warum waren zwischendurch | |
die Fesseln abgelegt? Eine junge Beamtin spricht von der Angeklagten als | |
„die Dame“, was wiederum Heiterkeit auslöst. | |
Ist die Dame denn volljährig? Eine Ärztin trägt ausführlich ihre | |
„forensische Altersdiagnostik“ vor. Ergebnis: „Eule“ sei sicher 18 und … | |
79,8 Prozent mindestens 21“. Das bedeutet: in dubio pro reo – milderes | |
Jugendstrafrecht. Nach einer Verhandlungspause, in der ein Zuschauer im | |
Vorraum auf dem Rücken liegend, umgeben von zahlreichen Justizbeamten, die | |
angeblichen Tritte nachzustellen versuchte, steht das Publikum geschlossen | |
auf. Aber erst, als die Angeklagte wieder hereingeführt wird. | |
Der Richter liest aus beschlagnahmten Knastbriefen vor: Da schreibt Eule | |
von „Hampelmännchen in Blau“, von „Waschlappen alle zusammen“, von | |
„Pissern“ und mehrfach von „Kack-Spasten“. Ja, Knast sei „megascheiß… | |
aber: „Ich bin Punk und ich bin frei!“ Inwieweit die Worte der | |
strafrechtlichen Wahrheitsfindung dienen, lässt der Richter offen. | |
## Ein Polizeizeuge erscheint nicht | |
Der junge, engagierte Anwalt Christian Mertens hat einen interessanten | |
Vorbehalt. Es habe im Wald, als man „Eule“ und alle anderen [2][„aus den | |
Bäumen gepflückt“ habe], offenbar nie eine „rechtmäßige Diensthandlung … | |
Polizei“ gegeben. Heißt: keine Ansage, keine „Vollstreckungsandrohung“. … | |
sei wie bei einer Verkehrskontrolle. Fehle es daran, so Mertens, dürfe man | |
sich „auch gegen Polizisten so wehren wie gegen einen Straßenräuber. Man | |
kann nicht jemanden einfach wegschleppen. Das war vor 80 Jahren so.“ | |
Applaus im Saal. | |
Vertagung droht, weil ein Polizeizeuge nicht erschienen ist. Darüber gebe | |
es laut Richter nichts Schriftliches. Die Assistentin der | |
Gerichtsprotokollantin weist auf ein Papier hin, der Richter, der seinen | |
Prozess offenbar schlampig vorbereitet hat, schickt sie das Papier holen. | |
Es ist eine Krankschreibung – gültig bis zum Tag der Prozesseröffnung. | |
Anwalt Mertens besteht auf einer Anhörung: „Dienstunfähig heißt ja nicht, | |
dass er nicht aussagen könnte.“ Ja, wie jetzt, fragt der Richter. „Abholen! | |
Wofür haben wir denn die Autos mit den blauen Lampen …?“ Großes Gejohle im | |
Saal. | |
Doch der Antrag wird abgelehnt, der Prozess schließlich auf den 18. Februar | |
vertagt. Der Antrag auf Haftverschonung wird ebenfalls abgelehnt, wegen | |
Fluchtgefahr. „UP Aachen VIII“, die 20,2-Prozent-Jugendliche, wird in | |
Handschellen zurück in die JVA Köln-Ossendorf gebracht. | |
5 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Prozess-gegen-Hambi-Aktivisten/!5567349 | |
[2] /Trotz-Kohlekompromiss/!5569724 | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Hambacher Forst | |
Räumung | |
Braunkohletagebau | |
Köln | |
Schwerpunkt Hambacher Forst | |
Schwerpunkt Hambacher Forst | |
Schwerpunkt Hambacher Forst | |
Schwerpunkt Hambacher Forst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aktivistin aus dem Hambacher Wald: „Eule“ ist wieder frei | |
Überraschung in Köln: Die Hambacher-Wald-Aktivistin „Eule“ wurde aus der | |
Haft entlassen. Ursprünglich sollte sie neun Monate dort bleiben. | |
Hambi-Aktivistin verurteilt: Ein Exempel statuiert | |
Tumulte im Gericht, Entsetzensschreie, rausgeschleifte Zuhörer: Die junge | |
Hambach-Aktivistin Eule wird zu neun Monaten Jugendhaft verurteilt. | |
Prozess gegen Hambi-Aktivisten: Eule im Amtsgericht | |
Der erste Prozess gegen BaumhausbewohnerInnen im Hambacher Forst beginnt. | |
Angeblich soll es zu tätlichen Angriffen gekommen sein. | |
Aktivist über Hambacher Forst: „Der Wald ist noch nicht gerettet“ | |
Trotz des Rodungsstopps sei es wichtig, dass der Hambacher Wald besetzt | |
bleibt, meint Clumsy. Er ist Aktivist der ersten Stunde. | |
Aus dem Hambacher Forst in den Knast: Wie geht es Aktivistin „Winter“? | |
Die Rede einer anonymen Aktivistin aus dem Hambacher Forst wurde | |
millionenfach angeschaut. Jetzt sitzt sie in Untersuchungshaft. Ein Besuch. |