Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 65. Geburtstag von Oprah Winfrey: Der American Dream in Person
> Die Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey gilt für viele als ideale
> Präsidentschaftskandidatin. Das liegt auch an ihrer neoliberalen
> Philosophie.
Bild: Oprah Winfrey will Hoffnung verbreiten – und manchmal verschenkt sie au…
Berlin taz | Die berühmte Rede, für die viele auch hierzulande Oprah
Winfrey kennen, beginnt mit einer Erzählung. Der Erzählung vom
gesellschaftlichen Fortschritt durch Sichtbarkeit. Winfrey hält die Rede am
7. Januar 2018 in Beverly Hills, dort haben sich die Stars aus Film und
Fernsehen für die Verleihung der Golden Globes versammelt. [1][Aber etwas
ist dieses Mal anders.] #MeToo ist passiert und plötzlich ist Hollywood
politisch. Weibliche Promis tragen Schwarz, um gegen sexualisierte Gewalt
zu protestieren.
Und Oprah Winfrey spricht über ihre Kindheit. „1964 war ich ein kleines
Mädchen“, beginnt Winfrey, die Talkshowkönigin. „Ich saß auf dem
Linoleumboden im Haus meiner Mutter in Milwaukee und sah, wie Anne Bancroft
bei der 36. Oscar-Verleihung den Oscar für den besten Schauspieler
überreichte. Sie öffnete den Umschlag und sagte fünf Wörter, die Geschichte
machten: ,Der Gewinner ist Sidney Poitier.'“
Winfrey erzählt die Geschichte vom ersten schwarzen Schauspieler, der einen
Oscar für die beste Hauptrolle bekam, weil sie einen Punkt zum Thema
Repräsentation machen will. Dass nämlich dieses Ereignis die kleine Oprah
verändert hat, auch wenn sie selbst keinen Preis gewonnen hat. Es ist das
Versprechen, dass es allen Mitgliedern einer marginalisierten Gruppe besser
geht, sobald es einigen von ihnen sichtbar besser geht.
Es ist das Versprechen „Fortschritt durch Sichtbarkeit“ – Oprah Winfrey
selbst verkörpert es wie kaum eine andere im US-Showbiz. Am Dienstag wird
Winfrey 65, sie ist die erste schwarze Milliardärin in der
US-Fernsehbranche und medialer Mythos mit nicht zu unterschätzendem
politischen Einfluss. Viele halten sie für die ideale Herausfordererin bei
den Präsidentschaftswahlen 2020. Sie ist der Anti-Trump und ihm doch in der
ein oder anderen Weise ähnlich.
## Eine Stimme geben
Winfrey wird am 29. Januar 1954 im US-Bundesstaat Mississippi geboren, zu
einer Zeit, als dort rassistische Segregation, etwa in Schulen, noch Alltag
ist. Winfreys Mutter ist minderjährig, die Familie lebt in Armut. Winfrey
berichtet von Missbrauchserfahrungen als Kind. In den Achtzigern übernimmt
sie eine Morningshow im Lokalfernsehen in Chicago.
Das erfolgreiche Talkformat wird bald von anderen Sendern übernommen und in
„The Oprah Winfrey Show“ umbenannt. Winfrey lädt darin Menschen mit
Schicksalen ein, Identifikationsfiguren, denen sie zuhört, eine Stimme gibt
und Trost spendet – bisweilen einen Ausweg zeigt. Jahre später, als die
Sendung längst ein zweistelliges Millionenpublikum erreicht, beginnt
Winfrey, hin und wieder sogar ihr Studiopublikum zu beschenken, mit
Traumreisen oder Autos. Winfreys Ausruf [2][„You get a car! And you get a
car! And you get a car!“] ist längst in den Kanon der popkulturellen
Referenzen übergegangen.
Aber auch Prominente und sogar Politiker lassen sich von Winfrey ausfragen
und sorgen für Sensationen. Der medienscheue Michael Jackson berichtete bei
Winfrey von seiner Hautkrankheit. Tom Cruise gesteht dort seiner Jetzt-Ex
Katie Holmes seine Liebe. [3][Und Rennfahrer Lance Armstrong, dass er
gedopt hat.]
Selbstverständlich keineswegs spontan, sondern genauestens abgesprochen,
inszeniert und vertraglich geregelt. Winfrey überlässt nichts dem Zufall,
was ihr bei Kritiker*innen inzwischen den Ruf der Manipulatorin eingebracht
hat. So kann man Oprah Winfrey sehen – oder als Profi, die verstanden hat,
wie Unterhaltungsmedien funktionieren.
## Weiße Mittelschicht
Und welche Geschichte sie erzählen will. Es ist die Geschichte der Hoffnung
und des „positiven Denkens“. Schaut her, ich hab’s auch geschafft! Americ…
Dream auf Raten. Für die Show im Jahr 2004, in der die berühmten Autos an
das Publikum verschenkt werden, betreiben Winfrey und ihr Team intensives
Casting, damit sich im Publikum auch wirklich diejenigen befinden, die ein
Geschenk verdient haben. Allerdings wird die Aktion zum Skandal, weil alle
Beschenkten eine Steuer von mehreren tausend Dollar für das Fahrzeug zahlen
müssen.
Aber das Showbiz misst nicht reale Auswirkungen, sondern ob die Geschichte
stimmt. Und Winfrey bleibt bei ihrer. Aus Charity für arme Menschen wird
Gleichstellungspolitik. 2008 hilft Winfrey dem demokratischen
Präsidentschaftskandidaten Barack Obama beim Wahlkampf. Es gilt, die Idee
vom ersten schwarzen Präsidenten auch in mehrheitlich weißen Bundesstaaten
attraktiv zu machen. Und auch wenn Winfrey eine schwarze TV-Ikone ist: Ihr
Publikum war stets überwiegend die weiße Mittelschicht.
Und an die richten sich auch „Oprah“ und ihre Erzählung. Die
Kommunikationswissenschaftlerin Janice Peck schreibt über Winfrey, dass
diese sich der neoliberalen Philosophie des „Positive Thinking“ bediene.
Einem Mantra, das besonders bei denen Widerhall finde, die materielle Not
hinter sich gelassen hätten. „Viele in Winfreys Kreis von Expert*innen
predigen eine Variante von ,Positive Thinking‘“, schreibt Peck im Essay
„The Secret of Her Success: Oprah Winfrey and the Seductions of
Self-Transformation“. Winfrey bewerbe die Vorstellung, dass Kontrolle über
das Denken gleich Kontrolle über die Realität sei. „Negatives Denken“
dagegen die größte Hürde. Und präsentiere sich selbst und ihre
Aufstiegsbiografie als Beleg dafür.
Na und? Winfrey verkauft eine Erzählung von Fortschritt, ganz genau wie
Donald Trump, und deswegen ist sie für so viele im linksliberalen Spektrum
als Gegenkandidatin vorstellbar (Winfrey selbst bestreitet, 2020 als
Präsidentin kandidieren zu wollen). „Make America Great Again“ und die
Oprah-Philosophie versprechen beide auf kämpferische Art eine bessere,
wenngleich unkonkrete Zukunft.
## Der wichtigste Trickbetrug
Wobei Trumps Versprechen sich an die weiße Arbeiterklasse richtet und
Winfreys an alle Individuen: Nimm dein Leben selbst in die Hand! Du hast
die Macht, es zu verändern! Leider kommt es auf die Lebensumstände an, ob
„Positive Thinking“ tatsächlich reicht, um das eigene Leben umzudrehen. Es
kann auch eine gefährliche Philosophie sein, die Privilegien zu
persönlichen Leistungen umdeutet. „Die Mitglieder der Mittelschicht, die
sich bereits schön der Realität materieller Not entzogen haben“, schreibt
Janice Peck, „sind gerne bereit zu glauben, dass ihr Komfort das natürliche
Resultat korrekten Denkens sein muss.“
Und so trägt auch Oprah Winfrey dazu bei, dass der wichtigste Trickbetrug
in der Geschichte der US-Gesellschaft weiter funktioniert: Zu behaupten,
dass es jede*r schaffen kann, und dabei zu verschweigen, dass es immer nur
einige sein werden, die es schaffen. Korrekterweise müsste man Winfreys
Aussage so ergänzen: „You don’t get a car! You don’t get a car! And all …
you don’t get a car either!“
Aber in den USA, viel mehr als in den meisten europäischen Demokratien,
gewinnt man Ämter mit Geschichten. Die letzte Wahl hat Donald Trump mit
einer protofaschistischen Geschichte gewonnen. Die linke Erzählung hatte
es nicht mal zur Startposition geschafft. Was bleibt, als Gegengewicht, ist
eine starke neoliberale Story wie die von Oprah Winfrey, in der immerhin
erwähnt wird, dass eben noch nicht alle gleich sind.
28 Jan 2019
## LINKS
[1] /Protest-bei-den-Golden-Globes/!5472568
[2] https://www.youtube.com/watch?v=hcJAWKdawuM
[3] /Doping-Beichte-im-TV/!5075115
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Oprah Winfrey
USA
Donald Trump
Lance Armstrong
Michael Jackson
Lesestück Recherche und Reportage
Donald Trump
Schwerpunkt #metoo
Golden Globes
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Einfach gesagt: Von der Macht der Gewohnheit
Die Menschen haben sich an Donald Trump gewöhnt. Das bedeutet: Die
Abhärtung nimmt zu, die Wachsamkeit nimmt ab und die Welt wird zu einer
bösen Karikatur.
Essay zur Debatte um sexuelle Belästigung: Die Revolution der schwarzen Frauen
Auch wenn es so scheint, ist #MeToo keine Bewegung weißer Hollywoodstars.
Sie hat ihre Wurzeln im afroamerikanischen Feminismus.
Protest bei den Golden Globes: Frauen in Schwarz
Bei den Golden Globes feierte sich die Filmbranche als Spiegel einer
Aufbruchsstimmung in der Ära Trump, Post-Weinstein und #Metoo.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.