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# taz.de -- Kolumne Einfach gesagt: Von der Macht der Gewohnheit
> Die Menschen haben sich an Donald Trump gewöhnt. Das bedeutet: Die
> Abhärtung nimmt zu, die Wachsamkeit nimmt ab und die Welt wird zu einer
> bösen Karikatur.
Bild: Auf Ekel folgt Ertragen: Donald Trump-Karikatur im Flussbett des Rio Gran…
Also an den Trump hab ich mich jetzt langsam auch gewöhnt“, sagte der Herr,
der eine buntkarierte Ballonmütze trug und einen gelben Smoothie hielt. Auf
dem Flohmarkt im Lehmweg schaute er die Karikatur des Präsidenten an und
rief verzückt: „Ach, den nehm ich auch noch mit!“
Die Straßenkarikaturistin hatte alle gängigen Weltprominenten im Angebot
und sie zeichnete auf Wunsch minutenschnell jede weitere Persönlichkeit.
„Man gewöhnt sich irgendwann an alles“ murmelte sie gedankenversunken und
verpasste Helene Fischer den letzten Strich.
„Und das ist auch gesund so!“ Der Mann prostete ihr mit seinem
Smoothiebecher zu. Ein mittelalter Typ im Hoodie, der ein Calippo Cola aß,
mischte sich ein: „Was soll gesund daran sein, sich an so einen zu
gewöhnen?!“
Der Mann mit der Mütze nahm selig die Helene und den Trump entgegen, zückte
sein Portemonnaie und fragte mit hochgezogenen Augenbrauen: „Was meinen Sie
denn mit ,so einen'?“
„Neandertaler, Narzissten, Populisten, Rassisten, Sexisten, na einen
Menschenfeind mit Promibonus!“
„Ach, all die großen Worte. Ich glaub, der ist eigentlich ganz nett, hat
man ja gesehen, als die Angela jetzt in den USA war und vorher der Macron,
da war der Trump äußerst charmant und gar nicht mehr so ein Prolet!“
„Sie sind ganz schön naiv“, sagte der Typ und schlürfte die letzten Tropf…
aus seiner Eispappe.
Der Ballonmützenträger winkte ab: „Na und. Dann gönne ich mir eben ein
bisschen Naivität – ist besser für den Blutdruck! Genau wie die Musik von
Helene Fischer!“
Die Karikaturistin sagte: „Jetzt mal ehrlich, der Herr, ihre Haltung ist
jawohl mit der Grund für den ganzen Scheiß auf der Welt.“
„Jetzt haste dich um dein Trinkgeld gebracht, Mädchen. Ob man sich das
leisten kann? Als Straßenkünstlerin!“ Sie zuckte mit den Schultern: „Ich
kann mir gar nichts leisten, aber daran kann man sich gewöhnen, dann muss
man wenigstens nicht rumbuckeln und sich mit kapitalistischen Drecksköpfen
arrangieren. Und Helene Fischer verdient sich mit Ihrer brandgefährlichen
Sehnsucht nach Seichtigkeit den kleinen Arsch golden.“
Trump hat die Welt doch nicht gesprengt und ist unterm Strich bloß ein
karrierebewusster Proll, der eben oft ins Fettnäpfchen tritt – denkt sicher
nicht nur der Helene-Fischer-Fan an einem schönen Sommertag in Eppendorf.
Von dem Ekel, den Trumps Visage hervorrief, ist eine tolerierbare Abneigung
geblieben. Den Ausnahmezustand der Emotionen, als das Wahlergebnis
feststand, erträgt natürlich kein Mensch auf Dauer.
Banale (Michelle Hunziker) und interessante (Kanye West) Prominente
schwärmen von Trump, das Leben geht weiter. Aber die Welt ist natürlich ein
schlechterer Ort geworden. Wieder hat ein Riesendreck mehr den Mainstream
erobert.
Und all dem anderen Mist, der im Zuge von Trumps Machtergreifung und Getöse
harmloser erscheint, dient es. Die Abhärtung nimmt zu, die Wachsamkeit
nimmt ab und die Welt wird schleichend zu einer bösen Karikatur, die auch
Oprah Winfrey als Präsidentin nicht mehr mit ihrem Durchhaltekitsch retten
können wird.
7 May 2018
## AUTOREN
Jasmin Ramadan
## TAGS
Donald Trump
Prominente
Oprah Winfrey
Kanye West
Schwerpunkt #metoo
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Klischee
Schwerpunkt Rassismus
Leitkultur
Selfie
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