| # taz.de -- Bastian Pastewka über „Pastewka“: „Ich bin ja kein netter Ke… | |
| > An diesem Freitag startet die neunte Staffel der Sitcom „Pastewka“. Im | |
| > Interview spricht Bastian Pastewka über das Zerrbild des Nerds und seine | |
| > Liebe zur Zukunft. | |
| Bild: Macht gerade wieder einen Fehler: Bastian isst in der neuen Staffel aus V… | |
| taz: Herr Pastewka, nüchtern? | |
| Bastian Pastewka: Wie bitte? | |
| Wenn man Sie googelt, findet man unheimlich oft die Meldung, dass Sie auf | |
| der Geburtstagsfeier Ihrer Frau sehr betrunken gewesen seien und quasi ein | |
| Alkoholproblem hätten. | |
| Ach so, ja. | |
| „Schockierende Alkohol-Beichte“ [1][stand beispielsweise bei „InTouch“.] | |
| Hat es Sie erstaunt, wie häufig eine kleine Anekdote völlig ohne Ironie | |
| aufgegriffen wird? | |
| Ja. Aber da habe ich auch einen Fehler gemacht. Also eigentlich zwei. | |
| Erstens, dass ich überhaupt so tief ins Glas geguckt habe, denn ich | |
| vertrage keinen Alkohol. Und zweitens, dass ich von meinem Schwipps in | |
| einer Talkshow erzählt habe. Und zwar nur, weil eine Schauspielerin, die | |
| auch in der Show saß, erzählte, dass sie eigentlich nicht mehr nüchtern auf | |
| die Bühne ginge, und viele mit einstimmten, und ich mich dann bemüßigt | |
| fühlte, gegenzusteuern: Moment mal, Alkohol kann auch Folgeschäden haben, | |
| das ist nicht ganz ungefährlich, mir ist da neulich was passiert … und dann | |
| habe ich meine Geschichte erzählt. Und daraus machten dann mehrere | |
| Onlineseiten, speziell die, die Clickbaiting betreiben: „Gefährlicher | |
| Alkoholabsturz“. Im Grunde ist das der Anfang einer „Pastewka“-Folge. | |
| Starke Überleitung. [2][Sie spielen in einer Sitcom eine Person, die | |
| genauso heißt wie Sie.] Ist es besonders ehrlich, sich selbst in einer | |
| Comedyserie zu spielen, weil wir doch eh alle ständig ein Bild von uns nach | |
| außen transportieren, das uns nicht entspricht? Bei der Arbeit, bei | |
| Facebook, vor Freunden, sonst wo? | |
| Ich glaube schon. Ich jazze natürlich ein Zerrbild von mir hoch: das des | |
| Nerds. Und zwar nicht nur in der Serie; das geht ja beispielsweise bei | |
| Twitter weiter, wo ich alte, seltene Kriminalhörspiele empfehle, die nachts | |
| um 0.05 Uhr im Deutschlandfunk laufen. Aber ich mache das, weil ich | |
| historische Funkhörspiele liebe. | |
| Apropos Ihre nerdigen Krimis von damals: Würden Sie mit dem Wissen von | |
| heute eigentlich lieber im Jahr 1980 oder dann doch eher im Jahr 2058 leben | |
| wollen? | |
| Im Jahr 2058. | |
| Wirklich? | |
| Mich interessiert alles, was kommt, nicht was war. Was hilft der Blick | |
| zurück? Man hat ja ohnehin in der Zeit gelebt. Ich gucke in meinem Leben | |
| jetzt erstmals auf eine Generation von Komikern, die halb so alt ist wie | |
| ich. Ich sehe, dass deren Timing deutlich genauer ist als meines in dem | |
| Alter. Die haben viel mehr drauf – und viel mehr gesehen. Als ich | |
| angefangen habe, Comedy zu machen, gab es fünf Monty-Python-Videos, die man | |
| sich aus London geholt hat, um irgendwas zu studieren, was es schon gab. | |
| Ich werde genau diese Erfahrung mein Leben lang lieben, aber ich muss sie | |
| nicht noch mal machen. Ich möchte lieber in die Zukunft blicken. | |
| Ich hätte gedacht, dass Sie eher zurückreisen würden. Mit dem Wissen von | |
| jetzt wären Sie der König der 80er. | |
| Da muss man unterscheiden: Die Rolle Bastian will gern immer noch mit den | |
| „Drei ???“ abends einschlafen, das will ich privat nicht. Aber klar, wenn | |
| ich in Quizshows eingeladen werde, bin ich auch froh, dass ich eher | |
| Film-Fragen zu den 80ern und 90ern bekomme als zu – sagen wir mal – „The | |
| Avengers“. | |
| Aber in der Zukunft leben zu wollen, hat doch was von | |
| Start-up-man-muss-die-Zukunft-gestalten-sonst-macht-es-jemand-anders-Getue. | |
| Sind Sie so? | |
| Neben den Fortschritts- und Technologiegläubigen wird es auch immer | |
| Philosophen, Freidenker, Bekloppte und Entertainer geben. Davon bin ich | |
| überzeugt. | |
| Aber dann vielleicht nicht mehr im Fernsehen. | |
| Wieso? Das stirbt nicht aus. Okay, wir setzen uns vielleicht nicht mehr hin | |
| und gucken nur, was um 20.15 Uhr läuft, aber der hohe Konsum von | |
| Streamingangeboten zeigt mir, dass wir wieder neugierig sind auf gut | |
| erzählte Geschichten, die möglicherweise im Kino nicht mehr stattfinden, | |
| weil es da nur noch große Spezialeffekt-Infernos gibt, aber eben nicht mehr | |
| die kleine Geschichte. | |
| So eine kleine Geschichte wie „Pastewka“, wo die Probleme eher privat sind, | |
| die nicht besonders divers ist, die im alten BRD-Kosmos spielt? | |
| Romantisieren Sie nicht gerade da das Fernsehen, wie es einst gemacht | |
| wurde? | |
| Ich glaube nicht, dass eine Serie zwangsläufig dadurch interessanter wird, | |
| dass sie die politischen Verhältnisse der Zeit abbildet. Außerdem haben wir | |
| immer wieder etwas gemacht, was unsere Fans nicht von uns erwarteten: Wir | |
| haben beispielsweise zu Beginn von Staffel acht die Trennung von Anne und | |
| Bastian erzählt. Einige Zuschauer schrieben uns, dass man das nicht machen | |
| könne, weil es doch eine Serie sei, bei der am Ende immer alles gut werde. | |
| Fuck you. In dieser Serie ist überhaupt nichts gut. Bastian lügt, trennt | |
| den Müll nicht, täuscht Hugo Egon Balders Tod vor, er baut die ganze Zeit | |
| Scheiße. Das ist doch kein Spaß. Und ich glaube manchmal, dass all das, was | |
| wir immer als gesellschaftliche oder politische Krisen beschreiben, in | |
| Wahrheit private Krisen sind. Politik oder Gesellschaft sind keine | |
| Naturgesetze. Wir sind die Generation, die nicht mehr zielorientiert | |
| miteinander kommuniziert. Wir sind die, die Freiheit predigen, die vom | |
| Klimawandel reden und dann doch mit dem Flugzeug reisen und vor dem | |
| Schokoriegel-Regal stehen und zugreifen und denken, früher sei alles besser | |
| gewesen. Und da geh ich gegen an, indem ich einen Typen spiele, der | |
| komplett retro denkt und lebt – und der damit immer wieder scheitert. | |
| Sie sagen ja selbst immer wieder, dass ein Teil von Ihnen in die Rolle | |
| Pastewka einfließt. Ist das der größte Unterschied zwischen der Figur und | |
| Ihnen, [3][dass die Figur ein viel skrupelloseres Arschloch ist?] | |
| An guten Tagen bin ich auch ein Arschloch und finde alles doof. Ich bin ja | |
| kein netter Kerl. Ich bin freundlich, aber ich bin dann doch einmal pro | |
| Monat doof zu jemandem. Auch das gibt es. | |
| Warum läuft gerade „Pastewka“ schon so überdurchschnittlich lange? | |
| „Pastewka“ ist eine Ensemble-Sitcom! Und möglicherweise ist es uns | |
| gelungen, unsere Figuren – wie Bastians Bruder, seine Schwägerin, die | |
| Agentin Regine – so zu zeigen, dass sie über viele Jahre interessant | |
| geblieben sind. Wir haben sie nie zu funktionalen Figuren gemacht, sie | |
| hatten immer ein angenehmes Eigenleben. Wir haben auch Folgen gemacht, wo | |
| die Gags nicht so stark waren, aber wir blieben den Figuren immer treu. | |
| Warum? Weil wir zeigen wollten, dass wir keine Happy-go-lucky-Sitcom sind | |
| wie etwa „Friends“. Als wir 2005 mit unserer ersten Staffel starteten, | |
| sahen wir an anderen Sitcoms aus Deutschland, dass jeder Charakter ständig | |
| lustige Sprüche parat hatte und alles immer heiter blieb. Dem haben wir uns | |
| verweigert. Wir haben mit Pastewka eine Figur geschaffen, die immer den | |
| berühmten Satz zu viel sagt und versucht, sich wie Münchhausen an den | |
| eigenen Haaren aus dem Dreck zu ziehen, was ihm natürlich nicht gelingt. | |
| Ist dieses Funktionale dann genau das, was einem bei so vielen Filmen und | |
| Serien auf die Nerven geht? | |
| Ja. Gerade Ermittlerfiguren sind entweder problemüberlastet oder | |
| aufgabenüberlastet. Oder alternativ: Man will einen Schmunzelkrimi machen | |
| und es ist weder lustig noch spannend. | |
| Geht die große „Tatort“-Zeit zu Ende? | |
| Die Quoten sagen nein. | |
| Aber kann das ewig so funktionieren? Ich habe das Gefühl, dass viele Leute | |
| übersättigt sind und weniger „Tatort“ gucken. | |
| Ist das wirklich so? Sind das nicht dieselben Leute, die uns | |
| gebetsmühlenartig sagen, dass sie gar kein Fernsehen mehr gucken und dann | |
| schauen an einem Dienstagabend um 22.15 Uhr doch wieder mehr als sechs | |
| Millionen Menschen das „Dschungelcamp“? Und haben nicht gerade die | |
| Sendungen, die in der ARD am längsten laufen, die Lagerfeuersendeplätze – | |
| „Lindenstraße“ mal ausgenommen – überlebt? Man sagt ja auch immer, die | |
| Samstagabendshow sei tot, aber wenn man mal genau hinschaut, kommt am | |
| Samstagabend eine Quizshow mit Kai Pflaume, „Wer weiß denn sowas? XXL“, in | |
| der im Grunde das gleiche Quiz dreimal hintereinander gespielt wird, um es | |
| zu einer Dreistundensendung zu verlängern und es ist bumserfolgreich mit | |
| sieben Millionen Zuschauern. Und wenn man sich die Abrufzahlen der | |
| öffentlich-rechtlichen Mediatheken anschaut, erkennt man, dass es | |
| anscheinend sogar das Bedürfnis gibt, das Lagerfeuer von 20.15 Uhr am | |
| nächsten Nachmittag nachzuholen. | |
| Aber fragen Sie sich nicht auch: Wer guckt das über drei Stunden? | |
| Ich sitze in diesen Shows und frage mich, warum ich immer verliere. Das ist | |
| viel schlimmer. | |
| 25 Jan 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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