# taz.de -- Männerbünde ohne Einsicht: Frauen wollen rein | |
> Männer unter sich: Das linksliberale Bremen hält an Traditionen wie der | |
> Eiswette fest. Geht das nicht subtiler, Patriarchat? | |
Bild: Dürfen in Bremen nicht zur Eiswette: grüne Frauen vor dem Congress Cent… | |
HAMBURG taz | Was sagt es über die Lage der Frau, dass es heute immer noch | |
reine Männerzirkel gibt, die es beispielsweise fertig bringen, die | |
Stellvertretende Bremer Regierungschefin auszuschließen? | |
Gerade hat die Nachricht, dass Bremens Bürgermeisterin Karoline Linnert | |
(Grüne) als Frau beim traditionellen „Eiswettfest“ [1][unerwünscht] ist, | |
für Empörung gesorgt. Der Herrenklub wolle den „Gendergaga“ nicht | |
mitmachen, erklärte Eiswettpräsident Patrick Wendisch. Und seine Wortwahl | |
ist, das muss man ihm lassen, wirklich aufschlussreich. | |
Natürlich könnte man besonnen sein und einen Anachronisten wie Wendisch | |
einfach labern lassen. Doch das verkennt, dass in diesen Runden echte | |
[2][Politik gemacht, Geschäfte angebahnt und Seilschaften geknüpft] werden. | |
Männer unter sich – wie noch viel zu oft in weiten Teilen der | |
Führungsetagen. | |
Interessant ist aber auch die Abarbeitung an einem noch recht frischen | |
Begriff: In der Weise, wie der Eiswettpräsident über „Gender“ spricht, | |
verdichtet sich exemplarisch das ganze – und leider wieder akuter werdende | |
– Kampffeld: Solche Typen benutzen den Begriff als Motor für einen | |
Backlash. | |
## Aufklärung trifft Holzköpfigkeit | |
Hier trifft Aufklärung auf Holzköpfigkeit. Dabei ist der [3][Genderbegriff] | |
elementar. Das englische Wort steht für das soziale Geschlecht – im | |
Unterschied zum biologischen Geschlecht (englisch: „sex“), für eine | |
bestimmte Denktradition in der Geisteswissenschaft und unterstreicht | |
oberflächlich die mittlerweile eigentlich triviale Erkenntnis, dass unser | |
Verständnis von Körper, Geschlecht und Sexualität mehr gesellschaftlich | |
konstruiert als biologisch vorbestimmt ist. | |
Der Kampf gegen das Fach „Genderstudies“ an den Universitäten und, noch | |
grundlegender, gegen „Gender-Mainstreaming“ als Strategie für mehr | |
Geschlechtergerechtigkeit, wird international von der Neuen Rechten und in | |
Deutschland besonders von der AfD massiv geführt. In Ungarn trägt das schon | |
Früchte: Regierungschef Orbán ließ die Geschlechterforschung im Oktober | |
2018 [4][aus den Universitäten verbannen]. Die Anti-Gender-Bewegung, so | |
beschrieb es die ungarische Professorin Andrea Pető im [5][Interview mit | |
der taz], sei dabei nicht nur Ableger eines jahrhundertealten | |
Antifeminismus, sondern ein grundlegend neues Phänomen: ein Angriff auf den | |
Liberalismus und damit indirekt auf die Demokratie.“ | |
Viel schlimmer als die Instrumentalisierung des Begriffs ist deshalb die | |
Tatsache, dass nicht nur Typen wie Regierungschef Orbán im weit nach rechts | |
gerückten Ungarn, sondern auch Männer wie der Eiswettpräsident im liberalen | |
Bremen mit ihrer Praxis durchkommen – ohne sich komplett zu | |
disqualifizieren. Hat die Reproduktion der männlichen Herrschaft heute | |
nicht subtiler zu sein, um überhaupt noch zu bestehen? | |
## Traurige Wahrheit | |
Die traurige Wahrheit ist, dass es mit der Emanzipation nicht so weit her | |
ist wie gehofft. In der Debatte darum, wer über den Körper der Frau zu | |
entscheiden hat, finden am heutigen Samstag [6][bundesweit Demonstrationen] | |
statt, darunter auch in vielen norddeutschen Städten, um allein dafür zu | |
protestieren, dass es ÄrztInnen erlaubt sein soll, über | |
Schwangerschaftsabbrüche nur zu informieren. | |
Auch sozial und ökonomisch lässt sich festhalten: Selbst in einem | |
entwickelten Industriestaat wie der Bundesrepublik liegen Frauen heute im | |
Durchschnitt noch [7][deutlich unter der Bezahlung von Männern] und sind in | |
Führungspositionen unterrepräsentiert. | |
## Ermüdende Diskussion | |
An dieser Stelle landet die Diskussion meist bei der Quote. Dabei ist die | |
Debatte wahnsinnig ermüdend. Für mich als Frau sogar ein echtes Ärgernis. | |
Doch sollte es uns davon abhalten, für Gleichberechtigung zu streiten? | |
Schon Simone de Beauvoir konstatierte 1949,in ihrem Buch [8][„Das andere | |
Geschlecht“] zu dieser Frage: „Ich habe lange gezögert, ein Buch über die | |
Frau zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; | |
außerdem ist es nicht neu. Im Streit um den Feminismus ist schon viel Tinte | |
geflossen, zurzeit ist er fast beendet“. | |
Es sollte de Beauvoir nicht abhalten und auch uns nicht. Dafür sitzt die | |
männliche Herrschaft sowohl strukturell als auch personell immer noch zu | |
fest im Sattel. | |
25 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Bremer-Herrenclub-sorgt-fuer-Eklat/!5563838 | |
[2] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-Wissenswertes-rund… | |
[3] https://www.uni-bielefeld.de/gendertexte/gender.html | |
[4] /Ungarn-verbietet-Gender-Studies/!5525898 | |
[5] /Professorin-ueber-Gender-Studies-Verbote/!5556738 | |
[6] https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/11077/aufruf-keine-kompromisse/ | |
[7] https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-03/ender-pay-gap-statistisches-bundesam… | |
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Das_andere_Geschlecht | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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