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# taz.de -- Vor Gipfel im Verkehrsministerium: Bahnreform verspätet sich
> Bahnchef Richard Lutz muss zum Rapport ins Verkehrsministerium. Die Bahn
> soll schnell besser werden. Das ist wohl eine Illusion.
Bild: Es geht leider doch nicht so schnell wie gedacht: Wartender am Bahngleis
Berlin taz | Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist in der
Weihnachtszeit der Kragen geplatzt. Die Bahn müsse in den ersten Monaten
2019 spürbar besser werden, also vor allem pünktlicher, liess er Bahnchef
Richard Lutz via Interview wissen. Entsprechende Vorschläge müsse dieser
bald vorlegen. An diesem Dienstag ist es soweit.
Zusammen mit den Vorstandskollegen Ronald Pofalla (Infrastruktur) und
Alexander Doll (Finanzen) tritt Lutz dann den Weg zum Eigentümer der Bahn
an. Zwei Stunden lang haben sie Zeit, dem Minister, dem
Schienenbeauftragten der Bundesregierung, Enak Ferlemann und einigen
Bundestagsabgeordneten zu erklären, wie die Bahn schnell zuverlässiger
fahren und das Miteinander der Unternehmensteile besser organisieren kann.
Im Weihnachtsverkehr konnte das Unternehmen die Pünktlichkeitswerte schon
etwas verbessern. 77 Prozent der Züge kamen fahrplangemäß ans Ziel. Die
Zielwert für 2019 liegt bei 76,5 Prozent. Vergangenes Jahr hatte er mit 75
Prozent einen Tiefstand erreicht.
Doch das Schneechaos dieser Tage dürfte den kleinen Erfolg wieder zunichte
machen. Kurzfristig lässt sich an der (Un-)pünktlichkeit auch nicht viel
ändern. Lutz wird die Kapazitäten in den Instandhaltungswerken erhöhen und
noch einmal auf eine bessere Koordination der Bauarbeiten an den Strecken
drängen.
## Die Knotenbahnhöfe sind chronisch überlastet
Aber: Die Knotenbahnhöfe Frankfurt, Hamburg, Köln und München sind
chronisch überlastet, was zu Verspätungen führt. Auch werden dringend
benötigten neue Züge erst nach und nach ausgeliefert. Die Hoffnung auf
schnelle Erfolge ist daher eine Illusion.
Viel spannender wird der zweite Teil der geforderten Sofortmaßnahmen.
Anscheinend plant der Vorstand einen Umbau der Leitungsstrukturen. Derzeit
gibt es sechs Vorstandsmitglieder. Einige davon haben gleich mehrere
Verantwortungsbereiche. So betreut Finanzchef Alexander Doll, noch neu im
Unternehmen, auch noch die Tochterunternehmen Schenker und Arriva sowie die
kriselnde Gütersparte.
Sein Kollege Berthold Huber ist sowohl für den Fernverkehr als auch für den
Nahverkehr zuständig. Sie haben es bisher nicht geschafft, dass die
darunter liegenden Einheiten und Tochterunternehmen an einem Strang ziehen.
Allzu oft werden dort Einzelinteressen zu Lasten des Gesamtkonzerns
verfochten. Das hatte Lutz schon im vergangenen Sommer in einem Brandbrief
angeprangert.
Nun will er die Führungsstrukturen umbauen und je einen Vorstandsposten für
den Fernverkehr, die Regionalzüge und das Cargogeschäft einsetzen. Damit
dies nicht teurer wird, ist ein Abbau bei den darunter liegenden
Stabsstellen vorgesehen.
Einem Bericht der Bild am Sonntag zufolge wird der für die Infrastruktur
zuständige Vorstand und ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla als
Krisenmanager die Umstrukturierung leiten. Er gilt als weitaus
durchsetzungsstärker als Huber, in dessen Verantwortungsbereich die
Qualitätsprobleme im Personenverkehr liegen.
## Vorerst wohl kein neuer Bahnchef
Auch wenn schon über eine Ablösung von Bahnchef Lutz spekuliert wird, ist
damit vorerst nicht zu rechnen. „Personelle Veränderungen bringen derzeit
nichts“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied. Ein Neuer müsste sich erst wieder
einarbeiten, womit wieder viel Zeit verloren ginge. Auch das
Verkehrsministerium hält weiter an Lutz fest. Allerdings verbindet die
Bundesregierung ihr Treuebekenntnis zunehmend an rasche Verbesserungen.
Für eine Lösung der zweiten großen Frage hat Lutz noch zwei weitere Wochen
Zeit. Am 30. Januar muss er wieder im Ministerium antreten und erklären,
wie er die milliardenschweren Investitionen schultern will. Allein eine
Milliarde Euro mehr kosten zusätzlich bestellte Züge. Die kürzlich
vereinbarte Lohnerhöhung fiel höher aus als erwartet – und reißt damit eine
weitere Lücke in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags in die Bilanz.
Insgesamt fehlen mittelfristig fünf Milliarden Euro, zwei davon werden in
diesem Jahr benötigt. Da die Schuldenobergrenze des Konzerns schon nahezu
erreicht ist, muss die Bahn andere Geldquellen erschließen.
Der Vorstand favorisiert den Verkauf der britischen Tochter Arriva. Damit
ließe sich die Lücke weitgehend schließen. Das Auslandsengagement steht
ohnehin schon lange in der Kritik. Allerdings ist das englische
Nahverkehrsunternehmen europaweit erfolgreich unterwegs und liefert
reichlich Gewinn an die Konzermutter ab. Gewerkschafter befürchten zudem,
dass Arriva unter einem anderen Eigentümer auch in Deutschland aktiv wird
und der Bahn im Wettbewerb weitere Marktanteile im Nahverkehr abjagen
könnte.
13 Jan 2019
## AUTOREN
Wolfgang Mulke
## TAGS
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