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# taz.de -- Rassistischer Anschlag in NRW: Hass als Motiv – war es auch Terro…
> In Bottrop fährt ein Mann mit einem Pkw in Menschen, offenbar um
> Migranten zu töten. Es gibt auch Hinweise auch auf eine psychische
> Erkrankung.
Bild: Nach dem Anschlag in NRW wird über die Motive des Täters diskutiert
Noch bleibt manches unklar. Nach der [1][Attacke eines 50-Jährigen mit
einem PKW auf mehrere Menschen in Bottrop] spricht NRW-Innenminister
Herbert Reul (CDU) von einer „klaren Absicht des Mannes, Ausländer zu
töten“. Das hätten Vernehmungen ergeben. Auch die Polizei teilte mit, sie
gehe „derzeit von einem gezielten Anschlag aus, der möglicherweise in der
fremdenfeindlichen Einstellung des Fahrers begründet ist“.
[2][Schon bei seiner Festnahme habe sich dieser rassistisch geäußert].
Gleichzeit gebe es aber auch Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Wie
also ist die Tat bisher einzuordnen?
An Silvester, ab kurz nach Mitternacht, war der 50-Jährige an vier Orten in
Bottrop und Essen mit seinem PKW auf Menschen zugesteuert. Dabei verletzte
er fünf Personen, eine Frau schwer. Unter den Opfern waren syrische und
afghanische Staatsangehörige. Der Mann wurde schließlich in Essen, seinem
Wohnort, festgenommen.
NRW-Innenminister Reul sagte, der Täter sei „bewusst in Menschengruppen
gefahren, die größtenteils Ausländer waren“. Laut Spiegel erklärte der
50-Jährige in seiner Vernehmung, die vielen Ausländer seien ein Problem für
Deutschland, das er lösen wolle. Recklinghausens Polizeipräsidentin
Friederike Zurhausen bestätigte, dass er sich abschätzig über Migranten
geäußert habe. Strafrechtlich oder als Rechtsextremist sei der Mann indes
bisher nicht bekannt gewesen.
## In jedem Fall Hassverbrechen
Zumindest in der Vergangenheit aber sei der Täter in psychologischer
Behandlung gewesen, so Zurhausen. Ob die Erkrankung noch anhält, sei
unklar. Laut Medienberichten litt der Mann an einer Schizophrenie und war
seit Jahren arbeitslos. Vor seiner Tat sei er länger planlos mit dem PKW
durch die Gegend gefahren, habe sich dann womöglich spontan zur Tat
entschieden.
Für die Einordnung der Tat hängt nun vieles von weiteren Details ab. Was
war der konkrete Auslöser für die PKW-Attacken? Wonach suchte der
50-Jährige seine Opfer aus? Gab es Mittäter oder Mitplaner? Geht es also um
eine wahnhafte Amoktat – oder um ein zielgerichtetes terroristisches
Handeln?
Wissenschaftler sehen beides nicht automatisch miteinander verknüpft:
Terroristen seien nicht per se psychisch krank. Dennoch, so betont etwa die
forensische Psychiaterin Nahlah Saimah, wiesen sie oft besondere psychische
Merkmale auf, wie narzisstische Persönlichkeiten oder eine hohe
Kränkbarkeit. Eine Radikalisierung, mit ihrem Schwarz-Weiß-Denken,
verspreche hier feste Gewissheiten. Die Terrortat aber richtet sich am Ende
auf die Gesellschaft: Mit dem Versuch, dort Radikalisierung und Spaltung zu
verursachen.
Auch der Thüringer Soziologe Matthias Quent verweist aktuell darauf, dass
sich politische Motive und psychische Erkrankungen nicht ausschließen
müssen. Sowohl persönlich motivierte Amoktaten als auch Terrortaten könnten
Hassverbrechen sein.
## Debatten über Grenzfälle
Schon zuletzt häuften sich mehrere Grenzfälle. So zündete erst im Oktober
ein [3][55-jähriger Syrer im Kölner Hauptbahnhof einen Brandsatz] und nahm
eine Frau als Geisel. Dabei soll er sich zum IS bekannt haben. Er wurde
schließlich von der Polizei überwältigt. Die Bundesanwaltschaft, zuständig
für besonders schwere Staatsschutzdelikte, übernahm den Fall – und stieß
auch hier auf Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Mitte Dezember gab
die Behörde den Fall schließlich an die Staatsanwaltschaft Köln ab: „Die
Ermittlungen haben die für ein radikal-islamistisches Motiv des
Beschuldigten sprechenden Verdachtsmomente nicht erhärtet.“
Zuvor schon gab es [4][Diskussionen um den Fall Ahmad A.]. Der
Palästinenser hatte im Juli 2017 in Hamburg einen Mann mit einem Messer
getötet und sechs weitere teils schwer verletzt. Er selbst bezeichnete sich
als Terrorist und IS-Anhänger. Aber auch der 27-Jährige war zuvor psychisch
krank. Ein Gutachten bescheinigte ihm dennoch eine volle Schuldfähigkeit.
Die Richter sahen als finales Motiv, dass Ahmad A. so viele Ungläubige wie
möglich töten wollte. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Auch bei rechtsextremen Taten gab es Debatten. So [5][verletzte im November
2017 ein 56-Jähriger den Altenaer Bürgermeister] Andreas Hollstein, der für
eine liberale Asylpolitik eintritt, mit einem Messer am Hals. Er müsse
verdursten, während 200 Flüchtlinge nach Altena kämen, sagte der Angreifer.
Das Gericht sah am Ende jedoch ein Spontantat ohne politisches Motiv: Der
Täter habe sich in einer Krise befunden, wegen offener Rechnungen sei in
seiner Wohnung das Wasser abgestellt worden. Auch habe es keinerlei Planung
zu der Tat gegeben. Der Mann erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen
gefährlicher Körperverletzung.
Gestritten wird bis heute über den [6][Anschlag am Olympia Einkaufszentrum
in München vom Juli 2016]. Ein 18-Jähriger erschoss dort neun Menschen,
allesamt Migranten, und nahm sich das Leben. Er wurde in der Schule
gemobbt, war in psychiatrischer Behandlung – aber er wetterte auch über
„ausländische Untermenschen“ und war Bewunderer des norwegischen
Rechtsterroristen Anders Breivik.
## Politiker werten Bottrop als politisch motivierte Tat
Soziologe Matthias Quent, auch Leiter des Instituts für Demokratie und
Zivilgesellschaft in Thüringen, schrieb auch hier in einem Gutachten,
individuelle und politische Motive seien in dem Fall „untrennbar
miteinander verschmolzen“. Von einer Terrortat müsse gesprochen werden,
weil alle Opfer nur aufgrund ihrer Herkunft erschossen wurden und der Täter
„einen pauschalisierenden Hass“ entwickelt hatte. Ein klares
Hassverbrechen, so Quent. Behörden ordnen den Fall indes bis heute als
Amoktat ein, ausgelöst durch Mobbing.
Relativ schnell klar war dagegen das Motiv im Fall einer PKW-Attacke in
Münster vom April 2018. Ein 48-jähriger Deutscher war hier mit einem
Kleinlaster in eine Menschengruppe gerast. Drei Personen starben, mehr als
20 wurden verletzt. Anschließend erschoss sich der Fahrer selbst. Der Mann
war über Jahre psychisch krank. Die Staatsanwaltschaft wertete seine Tat
als erweiterten Suizid – ohne Terrormotiv.
Und Bottrop? War in Münster die Opferauswahl noch rein beliebig, ist es
hier anders. Denn in Bottrop handelte der festgenommene 50-Jährige offenbar
mit der Absicht, gezielt Migranten zu töten. Daran zumindest lässt
NRW-Innenminister Reul bisher keinen Zweifel. Auch Ministerpräsident Armin
Laschet ordnet die Tat politisch ein. „Wir stehen zusammen gegen rechte
Gewalt“, erklärte der CDU-Mann. „Den Kampf gegen den Hass auf andere
Menschen werden wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats engagiert
fortsetzen.“
Nicht unwahrscheinlich, dass die Bundesanwaltschaft den Fall demnächst an
sich zieht. Und auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach in der
Bild-Zeitung von einer „offensichtlich fremdenfeindlich motivierten
Amokfahrt in Bottrop“. Diese habe ihn „sehr betroffen gemacht“ und werde
„mit Entschiedenheit verfolgt“.
2 Jan 2019
## LINKS
[1] /Rassistischer-Terroranschlag-in-NRW/!5562472
[2] /Rassistischer-Anschlag-vermutet/!5562451
[3] /Nach-Geiselnahme-in-Koeln/!5543779
[4] /Islamistischer-Angriff-in-Hamburg/!5488503
[5] /Messerangriff-auf-Altenaer-Buergermeister/!5466503
[6] /Zwei-Jahre-nach-dem-Muenchner-Amoklauf/!5524500
## AUTOREN
Konrad Litschko
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