# taz.de -- Amos Oz ist tot: Ewiges Ringen mit dem Vater | |
> Amos Oz hatte es nicht leicht als Kind, brach mit der Familie und | |
> versöhnte sich schließlich. Sein Schreiben stand unter dem Vorzeichen des | |
> Friedens. | |
Bild: Immer im Widerstreit mit seinem Hintergrund: Amos Oz | |
JERUSALEM taz | In Israel galt er als unbestrittene Nummer eins [1][der | |
zeitgenössischen Literaten], doch die höchste Auszeichnung – der | |
Literaturnobelpreis – blieb ihm trotz wiederholter Nominierungen verwehrt. | |
Am Freitag erlag der Schriftsteller Amos Oz 79-jährig seinem Krebsleiden. | |
Er gehörte zu den unermüdlichsten Kritikern der Besatzung und den | |
Verfechtern für eine friedliche und gerechte Lösung mit den Palästinensern. | |
Seine politische Haltung war es, die den kaum 15 Jahre alten Amos Klausner | |
aus dem Haus seines Vaters trieb. „Ich ging nach Hulda (Kibutz), um gegen | |
ihn zu rebellieren.“ Der Vater war Gelehrter, der Sohn fuhr Traktor, der | |
Alte stand politisch rechts, der Junge wurde Sozialist. Oz, so nannte sich | |
Amos fortan, ist das hebräische Wort für „Kraft“. In Gedanken habe er nie | |
aufgehört, mit seinem Vater zu streiten. | |
Auslöser für das schwierige Verhältnis dürfte der frühe Freitod der Mutter | |
gewesen sein, die sich das Leben genommen hatte, ohne eine Nachricht zu | |
hinterlassen. Der Junge begann, an sich zu zweifeln, machte sich selbst | |
verantwortlich für ihren Tod. „Die Mutter eines braven Jungen bleibt bei | |
ihrem Sohn.“ Der Bruch mit dem Elternhaus war so radikal, dass Oz, als er | |
schließlich seine eigene Familie gründete, weder mit seiner Ehefrau, eine | |
frühere Klassenkameradin, noch mit den drei Kindern über die Eltern sprach. | |
Erst nach vielen Jahren sei an die Stelle des Zorns Neugier, Mitleid und | |
Humor getreten. „Ich fragte mich immer mehr, wer diese Leute waren.“ In der | |
„Geschichte von Liebe und Finsternis“, sein vermutlich größter Roman, | |
schreibt Oz über seine Eltern als seien sie seine Kinder. | |
## Eine Kuh, die einen Vogel zur Welt brachte | |
Der Kibutz ließ den jungen Bücherwurm, der selbst früh zu schreiben begann, | |
in Jerusalem Literatur und Philosophie studieren. Oz unterrichtete | |
anschließend über 20 Jahre lang an der Kibutzschule, später wurde er | |
ordentlicher Professor an der Universität Ben-Gurion in Beerschewa. Schon | |
als 22-jähriger veröffentlichte er sein erstes Buch, dem viele Romane und | |
Sachbücher folgen sollten. Manche davon sind in 37 Sprachen übersetzt. | |
Zuletzt auf Deutsch erschienen seine Gedanken zu „Jesus und Judas“. | |
Das Buch „Allein das Meer“ lag ihm selbst besonders am Herzen. „Wenn ich | |
dieses Buch aufschlage und ein bisschen darin lese, glaube ich beinahe | |
nicht, dass ich es geschrieben habe. Ich sehe es an wie eine Kuh, die einen | |
Vogel zur Welt gebracht hat. Es ist ein Buch, das die Grenzen zwischen | |
Dichtung und Prosa ausradiert, zwischen Komödie und Tragödie, zwischen | |
Fiktion und Autobiografie, zwischen den Toten und den Lebendigen.“ | |
Oz, der als Soldat im Sechstagekrieg und im Jom-Kippur-Krieg gekämpft | |
hatte, wurde mit seinen Texten und Appellen zum Gewissen des Landes und | |
Visionär. Schon 1992 schrieb Oz in seinem Buch „Der dritte Zustand“ vom | |
„Truppenabzug als ersten Schritt ohne Abkommen“. Genau so, wie es 13 Jahre | |
später kam, heißt es dort: „Sollten sie von dort unsere Ortschaften | |
beschießen, werde ich sie aus der Luft bombardieren, aber wenn sie Ruhe | |
halten, warten wir zwei drei Jahre ab und verhandeln dann über die Zukunft | |
von Nablus und Hebron.“ | |
## Am Ende der Familie nah | |
Der Mitbegründer der Friedensbewegung „Schalom achschaw“ („Frieden jetzt… | |
lehnte die Bezeichnung Pazifist für sich ab. Als im Sommer 2006 israelische | |
Truppen in den Libanon vordrangen, rechtfertigte er zunächst die Operation | |
und ging erst im Verlauf der Gefechte in einem gemeinsamen Appell mit dem | |
Schriftsteller David Großmann, dessen Sohn kurz darauf bei den Kämpfen | |
fiel, auf Abstand zum Krieg. | |
Die letzten Lebensjahre verbrachte Oz, der Jahrzehnte in der Wüstenstadt | |
Arad wohnte, im zwölften Stock eines Tel Aviver Betonblocks. Die Stadt nahm | |
er in Kauf, um seinen Kindern und Enkeln nahe zu sein. Oz schien im Alter | |
kompromisbereiter und setzte auf Interimslösungen im Friedensprozess. „Wir | |
müssen endlich lernen, in Übergangszuständen zu leben.“ Die eigentliche | |
Ursache „unserer politischen Impotenz ist die Sucht, augenblicklich | |
festzulegen, was am Ende herauskommen soll“. | |
28 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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