| # taz.de -- Miesbacher Sparkassen-Affäre: Thermobett für den Hund | |
| > In der Miesbacher Sparkassen-Affäre verwöhnten sich ein Direktor und ein | |
| > Landrat auf Kosten des Geldinstituts mit dem, was man so unter Luxus | |
| > versteht. | |
| Bild: Betreten: Jakob Kreidl (Mitte) im Landgericht München | |
| München taz | Da sitzt er in seiner Badewanne, der Herr Landrat, die | |
| Duschhaube auf dem Kopf, und nimmt noch einen Schluck Champagner. „Dieser | |
| Dom Pérignon, das ist wirklich … also jeder Schluck eine Persönlichkeit.“ | |
| Dann erzählt er, wie das denn nun so alles gewesen sei mit ihm und den | |
| Feiern und dem Geld. „Ich habe alle meine Reisen, die ich mit der Sparkasse | |
| unternommen habe …“, beginnt er, ohne den Satz zu vollenden. „Natürlich … | |
| ich immer im Luxussegment. Weil ich als Scout immer herausfinden wollte, ob | |
| wir in unserem, ob ein Luxussegment in unserem Landkreis, ob das eine | |
| Heimat finden kann.“ | |
| Manchmal ist es schwierig, zwischen Satire und Wirklichkeit zu | |
| unterscheiden und zu beurteilen, wer sich da wem annähert. Die Badewanne | |
| jedenfalls stand 2014 auf der Bühne der Münchner Kammerspiele, die Szene | |
| stammt aus dem Programm „Ekzem Homo“, das der Autor und Kabarettist Gerhard | |
| Polt dort gemeinsam mit den musikalischen Well-Brüdern aufgeführt hat. | |
| Vorlage war die sogenannte [1][Sparkassen-Affäre um den früheren Miesbacher | |
| CSU-Landrat Jakob Kreidl]. | |
| Wer dieser Tage den Sitzungssaal B 266 im Münchner Landgericht aufsucht, | |
| erlebt Aussagen, die an eben diese Theateraufführung erinnern. Derzeit | |
| stehen hier der tatsächliche Jakob Kreidl und der tatsächliche ehemalige | |
| Sparkassendirektor Georg Bromme mit zwei weiteren Angeklagten vor Gericht. | |
| Kreidl ist in zehn Fällen der Vorteilsnahme angeklagt und in 17 Fällen der | |
| Untreue. Ebenfalls angeklagt ist Georg Bromme, über 21 Jahre Chef der | |
| Sparkasse Miesbach-Tegernsee. Bei ihm geht es um 68 Fälle der Untreue und | |
| 37 Fälle von Vorteilsgewährung. | |
| An diesem Montag im Dezember geht es vor Gericht um Ausflüge des | |
| Verwaltungsrats der Miesbacher Sparkasse ins Tiroler Stubaital. Ein | |
| ehemaliger stellvertretender Vorstand gibt Auskunft. Ja, das habe man schon | |
| seit den Neunzigern so gehalten, dass man die letzte Verwaltungsratssitzung | |
| des Jahres immer im Stubaital abgehalten habe, erzählt der Banker. Das sei | |
| „traditionsgemäß durchgeführt“ worden. Warum eigentlich in Österreich, | |
| fragt Richter Alexander Kalomiris nach. „Der Tradition folgend.“ Und warum | |
| seien auch die Ehefrauen dabei gewesen? „Auch der Tradition folgend.“ | |
| ## Kosmetik für die Ehefrauen | |
| Als es dann in die Details geht, müssen selbst die Anwälte der Angeklagten | |
| immer wieder auflachen. Für die Ehefrauen habe es ein „Rahmenprogramm“ | |
| gegeben, erzählt der Zeuge. Sie hätten die Kosmetik- und Wellness-Angebote | |
| des Hotels – natürlich fünf Sterne – in Anspruch nehmen können. Auf Kost… | |
| der Sparkasse, versteht sich. Auf dem Zimmer habe auch meist ein | |
| Geschenkkorb, eine Sachertorte oder ein „Rucksack mit was drin“ auf die | |
| Dienstreisenden gewartet. Was man halt so braucht für eine | |
| Verwaltungsratssitzung. Geschenke des Hotels? Aber nein, das habe schon die | |
| Sparkasse gezahlt. | |
| Eine Sparkasse, dieser kleine Exkurs sei gestattet, ist ja an sich eine | |
| feine Sache. Sie ist vor Ort, hat in den meisten Fällen noch immer ein | |
| respektables Filialnetz und bietet ihren Kunden, egal ob erfolgreiche | |
| Unternehmerin oder kleiner Rentner, das volle Leistungsspektrum einer Bank. | |
| Und sie ist dem Gemeinwohl verpflichtet, nicht irgendwelchen Aktionären. | |
| ## 920 Euro pro Weinflasche | |
| Nun macht aber auch eine Sparkasse Gewinne. Was mit denen geschehen sollte, | |
| ist umstritten. Träger der Sparkassen sind die Kommunen, eine Ausschüttung | |
| an diese käme also dem Gemeinwohl zugute. Dem Recherchenetzwerk Correctiv | |
| zufolge verzichteten allerdings 2013/14 93 Prozent der Sparkassen in Bayern | |
| auf eine solche Ausschüttung. Die Institute belassen es meist bei | |
| Rücklagen, die Kritikern zufolge mitunter viel zu hoch sind, und bei | |
| freiwilligen und besser steuerbaren Spenden. Was wiederum Abhängigkeiten | |
| schaffen kann – auch für die Mitglieder des Verwaltungsrats. Das sind | |
| zumeist die Großkopferten der Region – Landrat, Bürgermeister, Unternehmer. | |
| Ihre Aufgabe ist es laut Sparkassengesetz, den Vorstand zu kontrollieren. | |
| Bei der Ausübung dieser Kontrolle muss es Ende 2011 wohl zu jener | |
| Weinrechnung gekommen sein, die es dem Staatsanwalt so angetan hat. Er hält | |
| sie dem Zeugen vor: 12.476,60 Euro für die Getränke bei zwei Abendessen. Er | |
| kenne sich da nicht so aus, sagt der Staatsanwalt, aber das seien bestimmt | |
| keine schlechten Weine gewesen. Schließlich seien sie ja von Herrn Bromme | |
| persönlich ausgewählt worden. Unter den ausgesuchten Weinen waren laut | |
| Anklage ein „Masseto 1999“ zum Preis von 920,00 Euro pro Flasche oder auch | |
| ein „Sassicaia“ für 2.010,00 Euro pro Sechs-Liter-Flasche. Auf der Rechnung | |
| hießen die Weine auf Wunsch Brommes dann jedoch recht unspektakulär | |
| „Seminarpauschale“. | |
| Die Ausflüge nach Stubai sind jedoch nur ein Posten auf der langen Liste | |
| des Staatsanwalts. Zu den Anklagepunkten, die hier an insgesamt 21 | |
| Verhandlungstagen aufgeklärt werden sollen, gehören weitere Vorwürfe, die | |
| Anklage hat sie in 16 Einzelkomplexe gegliedert. | |
| ## James-Bond-Ausflug nach Interlaken | |
| So soll die Sparkasse auf Brommes Geheiß eine Geburtstagsfeier für Kreidls | |
| Vize Arnfried Färber zu dessen Siebzigstem gesponsert haben. Allein der | |
| Blumenschmuck soll 15.000 Euro gekostet haben. Eine „Informationsreise nach | |
| Interlaken“ für die Bürgermeister des Landkreises und ihre Ehefrauen, die | |
| aus touristischen Highlights wie einem „James-Bond-Ausflug“ bestand, wie | |
| auch eine Shoppingtour der Kreistagsmitglieder in die Steiermark übernahm | |
| ebenfalls zum Großteil die Sparkasse. | |
| Im Keller der Sparkasse soll Bromme sogar einen eigenen Raum eingerichtet | |
| haben, zu dem nur er den Schlüssel hatte. Allerhand persönlich ausgewählte | |
| Präsente lagerten dort – vom „Besteckmesser Hirschhorn“ für 842,68 Euro… | |
| zu Manschettenknöpfen für 381,69 Euro. Kreidl etwa soll daraus in vier | |
| Jahren Aufmerksamkeiten im Gesamtwert von über 10.000 Euro bekommen haben. | |
| Sich selbst schenkte Bromme unter anderem einen Waffengutschein und ein | |
| Thermobett für Hunde. | |
| Und nicht zuletzt war da auch noch die berühmte Party zum 60. Geburtstag | |
| des CSU-Landrats, zu der 460 Gäste ins Freilichtmuseum von Ex-Skirennläufer | |
| Markus Wasmeier geladen wurden. Der Schweinsbraten dort ist wirklich | |
| vorzüglich und wurde auch reichlich verzehrt. 120.000 Euro hat das Fest | |
| gekostet, mehr als die Hälfte hat die Sparkasse übernommen. | |
| ## „Unser Mandant hat sich nicht bereichert“ | |
| Anfang Februar 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung über die | |
| Finanzierung der Feier, wenige Wochen vor den bayerischen Kommunalwahlen. | |
| Nachdem ihm Ende 2013 auch noch seine größtenteils abgeschriebene | |
| Doktorarbeit aberkannt worden war und Vorwürfe wegen eines privaten | |
| Schwarzbaus im Raum standen, war Kreidls politisches Schicksal besiegelt. | |
| Er kündigte seinen Rückzug von allen Ämtern an. Für die CSU war es zu spät, | |
| den Kandidaten für die Landratswahl auszutauschen, Kreidl stand noch auf | |
| den Stimmzetteln – und bekam 16 Prozent. In der Stichwahl wurde dann der | |
| Grüne Wolfgang Rzehak Landrat, eine Sensation in dem sehr konservativen | |
| Landkreis. | |
| Von der „Miesbacher Amigo-Affäre“ spricht man seither in Anlehnung an eine | |
| [2][Korruptionsaffäre um den früheren Ministerpräsidenten Max Streibl]. | |
| Amigo, das ist Portugiesisch und heißt Spezl. Unterm Strich kommen die | |
| Staatsanwälte in dem jetzigen Verfahren auf Dutzende Fälle von | |
| Spezlwirtschaft, sie nennen es Untreue, Bestechung, Vorteilsgewährung und | |
| Vorteilsnahme. Hauptgeschädigte: die Sparkasse. Der Schaden: 1,25 | |
| Millionen Euro. Mindestens. | |
| Mit einer Gefängnisstrafe, das hat das Gericht bereits angedeutet, müssen | |
| die Angeklagten wohl nicht rechnen. Die Vorkommnisse sind juristisch kaum | |
| noch zu ahnden. Von Bewährungsstrafen zwischen einem und zwei Jahren ist | |
| mittlerweile die Rede. Die Staatsanwaltschaft macht dafür allerdings ein | |
| Geständnis der Angeklagten zur Bedingung – wonach es momentan überhaupt | |
| nicht aussieht. Im Gegenteil, Kreidl und Bromme wollen von den gegen sie | |
| erhobenen Vorwürfen nichts wissen. „Fakt ist, unser Mandant hat sich nicht | |
| bereichert“, sagt Brommes Anwältin. Es sei kein Schaden entstanden. | |
| Kreidl war am ersten Prozesstag den Tränen nahe, beklagte, dass seine | |
| Leistungen für den Landkreis nicht mehr gesehen würden und er sämtlicher | |
| Ämter beraubt worden sei. Es klingt fast wie ein Plagiat seiner eigenen | |
| Kopie. Der Polt’sche Kreidl jammerte schon 2014 in der Badewanne: „Es wird | |
| einem alles vermiest. Ich hab’ so viele Meriten in diesem Landkreis. Meine | |
| Frau hat auch g’sagt: Net a moi a Gymnasium ham’s nach deinem Namen | |
| benannt. Net a mal an Skilift. Meine Verdienste sind chronisch geworden.“ | |
| Schon deshalb trinke er jetzt erst recht auf sich selbst und sage: „Hut ab, | |
| lebe hoch!“ | |
| 28 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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