# taz.de -- Aus Gründen des Jugendschutzes: G20-Prozess ohne Presse | |
> Im Verfahren um die Elbchaussee-Krawall-Demo während des G20-Gipfels in | |
> Hamburg schließt das Gericht die Öffentlichkeit aus. | |
Bild: Politikum: Unterstützer demonstrieren vor dem Landgericht. | |
HAMBURG taz | „Ein fairer Prozess kann auch ohne Öffentlichkeit | |
stattfinden.“ Mit diesen Worten schloss Anne Meier-Göring, die Vorsitzende | |
Richterin im Verfahren um die Ausschreitungen an der Elbchaussee am Rande | |
des G20-Gipfels in Hamburg, am Dienstag die Öffentlichkeit inklusive der | |
BerichterstatterInnen von der Beweisaufnahme und damit für Monate vom | |
Prozess aus. | |
Erst zu den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung soll sie | |
wieder zugelassen werden. Die Staatsanwaltschaft hatte den Ausschluss der | |
Öffentlichkeit beantragt, die AnwältInnen der Angeklagten hatten vehement | |
dagegen protestiert. | |
Die Vorsitzende der Großen Strafkammer 17 begründete den Ausschluss der | |
Öffentlichkeit damit, dass das „Erziehungsinteresse“ gegenüber den zwei d… | |
fünf Angeklagten, die während des G20-Gipfels noch minderjährig waren, das | |
„öffentliche Interesse“ an einer Berichterstattung überwögen. Nach Parag… | |
48.3 des Jugendgerichtsgesetzes kann „die Öffentlichkeit ausgeschlossen | |
werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter | |
geboten ist“. | |
Die während der ersten beiden Hauptverhandlungstage den Verhandlungsauftakt | |
begleitenden Standing Ovations im Publikum könnten bei den heute | |
18-jährigen Angeklagten dazu führen, so die Richterin, dass sie nicht | |
unterscheiden könnten, ob gerade sie selbst oder ihre mutmaßlichen | |
Straftaten bejubelt werden. Der Applaus ihrer Verwandten und Sympathisanten | |
heroisiere sie einerseits, andererseits setze es sie aber auch unter | |
sozialen Druck, führte Meier-Göring aus. | |
## Gesetz des Schweigens | |
Denn in der linken Sympathisanten-Szene sei es Gesetz, dass keine Aussage | |
gemacht und keine Reue gezeigt werde – beides seien aber Verhaltensweisen, | |
die strafmildernd in die Urteilsfindung einfließen könnten. So drohe den | |
Angeklagten, „zwischen den Fronten zerrieben werden“, so die Richterin, und | |
sie könnten sich nicht mehr frei im Gerichtssaal verhalten. | |
Zudem drohe durch die Berichterstattung eine „Vorverurteilung“ der | |
Angeklagten, so die Richterin. Eine „reißerische Berichterstattung“, wie | |
sie teilweise bereits stattgefunden habe, könne in den Hintergrund treten | |
lassen, dass den Angeklagten eben nicht vorgeworfen werde, eigenhändig | |
randaliert zu haben. Sondern nur beim Aufmarsch an der Elbchaussee | |
mitmarschiert zu sein. | |
Die Nennung der Vornamens der Angeklagten samt des ersten Buchstabens ihres | |
Nachnamens mache zudem „eine Identifizierung in ihrem weiteren sozialen | |
Umfeld“ nahezu „zwangsläufig“ und führe zu einer „Stigmatisierung“ … | |
Angeklagten. | |
Für die Verteidigung beklagte Anwältin Gabriele Heinecke, allen fünf | |
Angeklagten werde mit einem Ausschluss der Öffentlichkeit, an dem sie kein | |
Interesse hätten, „ein wichtiges Recht entzogen“. Das Publikum habe | |
versucht, vor allem die drei seit Monaten in Untersuchungshaft sitzenden | |
erwachsenen Angeklagten „eine psychische Unterstützung“ durch Applaus | |
zukommen zu lassen, die Verhandlung aber nicht gestört. | |
Die von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht ins Feld geführte „Fürsorge | |
für die Angeklagten“ sei vorgeschoben, sie selbst nähmen „die | |
Öffentlichkeit als Schutz“ wahr. Zudem erfahre der Prozess ein großes | |
öffentliches Interesse, das nicht ignoriert werden dürfe. Denn es gehe in | |
dem Verfahren eben nicht nur um das Schicksal der Angeklagten, sondern um | |
die Frage, was eine Demonstration sei, sagte Heinecke. | |
## Verteidiger pochen auf Öffentlichkeit | |
Es gehe in diesem Verfahren auch darum, ob Menschen, die an einer | |
Demonstration teilnehmen und sich nicht aktiv an etwaigen Ausschreitungen | |
beteiligen, für alle Straftaten, die andere im Rahmen der Demo begehen, | |
strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. „Die Angeklagten sind | |
auf die Öffentlichkeit zum Schutz ihrer Rechte angewiesen“, ergänzte | |
Verteidiger Matthias Wisbar. | |
Vieren der fünf Angeklagten, darunter den beiden heute 18-Jährigen, wirft | |
die Staatsanwaltschaft vor, durch bloßes Mitmarschieren in einer Gruppe von | |
rund 220 teilweise gewaltbereiten Personen am 7. Juli 2017 den Straftätern | |
innerhalb des Aufzuges, die Autos anzündeten und Fensterscheiben einwarfen, | |
„psychische Beihilfe geleistet“ zu haben. | |
Obwohl sie selbst solche Straftaten nicht aktiv begangen hätten und sich | |
vermutlich frühzeitig aus dem Zug entfernt hätten, seien ihnen alle Taten | |
strafrechtlich zuzuordnen, da diese gemeinschaftlich begangen wurden – die | |
einen hätten randaliert, die anderen hätten ihnen Schutz geboten. Dafür | |
sieht die Staatsanwaltschaft Haftstrafen für über drei Jahre für die | |
Angeklagten als gerechtfertigt an. | |
10 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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