| # taz.de -- „Nazis raus“ trendet auf Twitter: Ungenaue Solidarität | |
| > Der Angriff auf einen AfD-Politiker verunsichert viele, die zuvor „Nazis | |
| > raus“ twitterten. Das zeigt, wie schwammig die Twitter-Soli-Aktion ist. | |
| Bild: Wo ist die Grenze? AfD, Pegida und Kameradschaftsnazis demonstrieren geme… | |
| Die ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann [1][twittert] am 1. Januar zwei | |
| Wörter: „Nazis raus“. Gefragt, wer für sie denn Nazis seien, antwortet si… | |
| „Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“ Daraufhin möchten viele die | |
| Ironie nicht erkennen, ein tagelanger Shitstorm beginnt, mit Todes- und | |
| Vergewaltigungswünschen gegen die Journalistin. | |
| Am Montag [2][solidarisieren] sich Journalisten, andere Twitter-Nutzer und | |
| ganze Medienhäuser mit Diekmann, indem sie selbst „Nazis raus“ twittern. | |
| Der Tagesspiegel [3][beendet] sogar einen Artikel mit dem Wortpaar. Die | |
| Solidaritätsaktion befeuert wiederum neue Kritik durch Rechte und | |
| Internet-Trolle – richtig ist sie trotzdem. Ja, die neuen Anfeindungen | |
| zeigen sogar, dass die Aktion nötig ist. Rechte sind in den vergangenen | |
| Jahren selbstbewusster geworden. Das hat viele Gründe, unter anderem unsere | |
| Diskussionskultur. Wir haben mit ihnen geredet, statt uns gegen sie zu | |
| positionieren. | |
| Dass Twitter nun voll von „Nazis raus“ ist, ist endlich ein Zeichen, dass | |
| [4][mit Rechten reden sich als der verkehrte Weg erwiesen hat]. Natürlich | |
| wird der Kampf gegen den Faschismus nicht auf Twitter entschieden. Aber die | |
| Mitte der Gesellschaft solidarisiert sich jetzt endlich gegen rechte | |
| Attacken und benutzt einen Slogan, der früher eher auf Punk-Konzerten oder | |
| Antifa-Demos zu hören war. | |
| Dabei bleibt offen, wer mit „Nazis“ gemeint ist und ob sie wirklich „raus… | |
| sollen. Jeder muss die Frage für sich selbst beantworten: Zähle ich nur vom | |
| Verfassungsschutz beobachtete Rechtsextreme dazu oder sind für mich alle | |
| AfD-Abgeordneten, vielleicht sogar schon AfD-Wähler Nazis? Wo und wohin | |
| sollen sie raus? Sollen wir es wörtlich nehmen und Nazis in ihr Heimatland | |
| in den Grenzen von sagen wir 1942 abschieben oder sollen wir sie nur outen, | |
| sozial isolieren und persönlich meiden? Vielleicht auch einfach mal ’ne | |
| Aktion starten? | |
| Nur solange das nicht gesamtgesellschaftlich erörtert ist und es beim | |
| „Nazis raus“-Tweet bleibt, können Liberalos und Linke Seit an Seit | |
| protestieren, zumindest digital, werden durch die Ungenauigkeit aber | |
| angreifbar. Was wie ein vermeintlich klares Zeichen aussieht, kann auch | |
| dafür kritisiert werden, zu unkonkret zu sein. | |
| ## Für rechte Propagandazwecke angreifbar | |
| Gerade als der Hashtag „Nazis raus“ auf Twitter trendet, [5][wird der | |
| Bundestagsabgeordnete Frank Magnitz in seiner Heimatstadt Bremen von | |
| Vermummten angegriffen und schwer verletzt]. Ohne die Ermittlungen | |
| abzuwarten, verbreiten AfD-Seiten und AfD-Politiker ein Foto des | |
| blutüberströmten Magnitz und machen Linke für die vermeintliche | |
| Hassattacke verantwortlich. | |
| Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass die Tat einen politischen | |
| Hintergrund hat. Die AfD geht aber einen Schritt weiter: Linke, Liberale | |
| und „Merkeldeutschland“ seien mit ihrer vermeintlichen Hetze schuld daran, | |
| dass ein Mann zusammengeschlagen wurde. Immer wieder liest man nun: „Ist | |
| das, was ihr mit Nazis raus meint?“ | |
| Die Ungenauigkeit der Solidaritätsaktion wird für rechte Propagandazwecke | |
| angreifbar. Manche, die sich erst gegen rechts ausgesprochen haben, rudern | |
| wieder zurück und setzen linke mit rechter Gewalt gleich oder twittern, | |
| dass Gewalt immer zu verurteilen sei. Sie gehen der AfD auf den Leim, so, | |
| als müsse man das Selbstverständliche äußern: dass vermummte Überfälle | |
| scheiße sind. | |
| Soll man also aufhören, sich „Nazis raus“ zu wünschen und zuzutwittern? N… | |
| Wie schwammig die Definition auch vorerst ist, der Wunsch nach einer | |
| Gesellschaft ohne all die Gewalt und den Rassismus, für die „Nazi“ steht, | |
| ist unterstützenswert. Egal, ob Rechte einen deswegen für Gewalt | |
| verantwortlich machen. Dafür kann man gerne auf Demos gehen, in der | |
| Berichterstattung darauf aufpassen, links nicht mit rechts zu vergleichen | |
| oder auch einfach mal öffentlich sagen, dass man keine Nazis will. Man kann | |
| aber auch gerne damit anfangen und sich Folgendes wünschen: Nazis raus aus | |
| den Behörden, Nazis raus aus der [6][Bundeswehr] und [7][Polizei] und die | |
| vereinzelten Nazis raus aus den Parlamenten. | |
| 8 Jan 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/nicolediekmann/status/1080204817069498368 | |
| [2] https://twitter.com/extra3/status/1082350503294656513 | |
| [3] https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/hass-im-internet-ein-nazis-rau… | |
| [4] /Debatte-Reden-mit-Rechten/!5548652 | |
| [5] /Bremer-AfD-Landeschef-Frank-Magnitz/!5564283 | |
| [6] https://www.nzz.ch/international/deutschland/gibt-es-ein-rechtsradikales-ne… | |
| [7] https://www.sueddeutsche.de/karriere/polizei-und-rechte-viele-polizisten-de… | |
| ## AUTOREN | |
| Baha Kirlidokme | |
| ## TAGS | |
| Nazis | |
| Rechtsradikalismus | |
| Rechtstextreme | |
| Jan Fleischhauer | |
| AfD Bremen | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Frankfurt/Main | |
| NS-Justiz | |
| AfD Bremen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nach Jan Fleischhauers „Nazis rein“: Sascha Lobos Replik | |
| Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer wünscht sich Nazis rein. Sein Kollege | |
| und Interneterklärer Sascha Lobo findet das nicht so cool. | |
| Neues zum Überfall auf AfD-Politiker: Kein Kantholz, keine Kopftritte | |
| Die Staatsanwaltschaft hat Angaben über den Angriff auf AfD-Politiker Frank | |
| Magnitz in Bremen revidiert. | |
| Anschlag auf Bremer AfD-Politiker: „Kamera 7 zeigt den Tathergang“ | |
| Der AfD-Politiker Frank Magnitz wird überfallen. Die Polizei sucht vor Ort | |
| nach Spuren – und revidiert schon am Abend zentrale Angaben der AfD. | |
| Kriminologe über rechte Polizisten: „Kein kleines Häufchen, das da stinkt“ | |
| Um Rechtsextremismus in der Polizei zu bekämpfen, müsse man bei | |
| Einsatzleitern ansetzen, sagt Kriminologe Joachim Kersten. Auch | |
| Polizeibeauftragte seien nötig. | |
| NS-Kontinuitäten in der Berliner Justiz: Wühlen im Staub der Geschichte | |
| Wie viele alte Nazis waren in der Berliner Justiz nach 1945 tätig – und mit | |
| welchen Folgen? Ein Forschungsprojekt von FU und HU soll das jetzt klären. | |
| AfD-Podium in der Bremer Bürgerschaft: Rechte Türpolitik | |
| Träume vom Nationalsozialismus: Eine Veranstaltung der AfD in der | |
| Bürgerschaft Bremen zeigt, was passiert, wenn man Rechte gewähren lässt. |