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# taz.de -- Neues Album des Musikers „Disrupt“: Pulverisiertes Nischenwissen
> Hommage an Science-Fiction auf dem aktuellen Album „OmegaStation“ von
> Disrupt. Stereotyper Reggae löst sich auf in Electronica.
Bild: Cover von Disrupt „Omega Station“ (Jahtari/Indigo)
Ein Rauschen ist zu hören. Es klingt, als hebe ein Düsenflugzeug ab,
schwebe davon. Es rattert und klackert, dann ertönen sanfte synthetische
Klänge. Wieder rumpelt es, etwas zischt, dann verlieren sich die Geräusche
im Vakuum.
Lautmalerisch eröffnet „Airlock Cycle“, das musikalische Scifi-Abenteuer
von Disrupts aktuellem Album „Omega Station“. Der Leipziger kreiert damit
eine Hommage an Scifi-Universen aus Büchern, Comics, Filmen und
Computerspielen und deren Soundtracks. „Omega Station“ wird aber nicht von
Laserschüssen und Explosionen geprägt, sondern widmet sich den leisen
Zwischentönen, die Spannung in der Entspannung erzeugen.
Jan Gleichmar alias Disrupt hat 2004 in Leipzig zusammen mit Christoph
Röpke alias Rootah das Label Jahtari gegründet. Der Name spricht für
Digital-Laptop-Reggae, den die beiden Sachsen und die Künstler*innen, deren
Musik sie veröffentlichen, seitdem geprägt haben: „Jah“, der Name von Gott
bei den Anhänger*innen Rastafaris, deren Religion vor allem durch Reggae
über Jamaika hinaus bekannt wurde, und „Atari“, der Name eines
US-amerikanischen Unternehmens, das Vorreiter für Videospiele war.
Eine Leidenschaft für beides – den Reggae-Ableger Dub und für Computergames
– hört man auch der Musik von Disrupt an. Sein Hauptinstrument auf der EP
„Dub Matrix With Stereo Sound“ von 2014 war ein modifizierter Gameboy, mit
dem er 8-Bit-Reggae produzierte. Dabei kamen sie eigentlich gar nicht aus
der Reggae-Ecke. Röpke war House- und Technohead, Gleichmar fasziniert von
Digital Hardcore und Bands wie Atari Teenage Riot, die Punk und Hardcore
nicht mit Gitarren und Drums, sondern mit Synthesizern und Computern
machten.
## Schnipsel von Sounds aus Videospielen
Dub als Vorgehen, also das Spielen mit und Manipulieren von Tonspuren, ist
der Fixpunkt der verschiedenen Einflüsse von Gleichmar. Als Disrupt hat er
solo Digital-Reggae-Tunes veröffentlicht, in denen er Schnipsel von Sounds
aus Videospielen oder Scifi-Filmen so verarbeitet wie etwa die Jamaikaner
Lee „Scratch“ Perry und Scientist Geräusche und Sounds in ihren Tunes
verbauten.
Im Laufe der Jahre ist Disrupt vom Computer als Instrument zu analogen
Musikmaschinen gewechselt und wirkte bei anderen Projekten mit. Disrupt hat
stereotypen Reggae mit klaren One-Drop-Rhythmen und Off-Beats immer mehr
ausgefranst und im Zeichen von Dub in Richtung Electronica entgrenzt.
Auf „Omega Station“ hört man abstrahierten Dub in Form von Effekten und
Bearbeitungen. Es tauchen auch brummend groovende Bässe und dezente Beats
auf, die sich an Reggae oder auch HipHop anlehnen. Sie scheinen aber eher
hintergründig zu bleiben und inmitten der anderen Sounds zu versacken, die
dumpf unter einer Schicht Staub eines zerschellten Meteoriten pulsieren und
schimmern.
Disrupt verschraubt die Versatzstücke pulverisierten Nischenwissens
zwischen Dub, Scifi und Library Music (Musik, die auf Halde etwa für
Werbung und Filme produziert wurde) zu einem Soundtrack, der
Computerfehler, kollabierende Systeme und Maschinenversagen orchestriert.
Musikalisch findet dieser langsame, aber stetige Verfall der „Omega
Station“ keine knallige Entsprechung.
Der Breakcore-Fan Disrupt haut uns keine brachialen Breakbeats um die
Ohren, betäubt uns nicht mit verzerrten Noise-Gewittern. Die Stücke
strahlen trotz wiederkehrender Dissonanzen und Hiobsbotschaften der Vocal
Samples Ruhe und Schönheit aus.
27 Dec 2018
## AUTOREN
Philipp Weichenrieder
## TAGS
Label Jahtari
Jan Gleichmar
Christoph Röpke
Atari Teenage Riot
Techno
Dub
Reggae
Neues Album
Dub
Punk
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