# taz.de -- Diskussion über „Moschee-Steuer“: Ein Vorschlag, viele Irrtüm… | |
> Die Berliner Imamin Seyran Ateş hat erneut eine „Moscheesteuer“ ins | |
> Gespräch gebracht. Dabei fußt die Idee auf einem deutschen Anachronismus. | |
Bild: Privatsache | |
Es gibt Ideen, die scheinen auf den ersten Blick einleuchtend. Aber bei | |
näherer Betrachtung erweisen sie sich als ziemlicher Unsinn. Aktuelles | |
Beispiel: In der nachrichtenarmen Weihnachtszeit hat die Berliner | |
Rechtsanwältin Seyran Ateş [1][die Einführung einer „Moscheesteuer“ ins | |
Gespräch gebracht]. | |
Der erste Irrtum: Dem Vorschlag liegt offenkundig die Vorstellung zugrunde, | |
der staatlich organisierte Einzug von Mitgliedsbeiträgen sei bislang ein | |
Privileg der beiden Großkirchen. Doch auch wenn diese am meisten davon | |
profitieren, ist das falsch. Genauso wie es die „Kultussteuer“ für die | |
jüdische Gemeinden gibt, könnten schon jetzt islamische Gemeinschaften in | |
den Genuss einer „Moscheesteuer“ kommen. Wenn sie denn wollten. | |
Sie müssen sich nur als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisieren. | |
Dazu sind die großen islamischen Dachverbände jedoch nicht bereit, weil sie | |
dann unter anderem gezwungen wären, eine feste Mitgliedschaft zu | |
definieren. Das ist ihre Entscheidung. Der Körperschaftsstatus ist | |
jedenfalls keine unüberwindliche Hürde, wie die Beispiele der kleinen | |
Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft und der Alevitischen Gemeinde Deutschland | |
zeigen. | |
Die sind in verschiedenen Bundesländern als öffentlich-rechtliche | |
Körperschaft anerkannt und haben dort schon jetzt das Recht, die Beiträge | |
ihrer Mitglieder von den Finanzbehörden einziehen zu lassen. Sie verzichten | |
allerdings freiwillig darauf – wie übrigens auch einige christliche | |
Religionsgemeinschaften, zum Beispiel die Neuapostolische Kirche, die | |
Methodisten, die Baptisten, die Mormonen, die Zeugen Jehovas oder die | |
orthodoxen Kirchen. | |
Der zweite Irrtum: Mit einer analog zur Kirchensteuer organisierten | |
Finanzierung könnte der als schädlich betrachtete ausländische Einfluss auf | |
muslimische Gemeinden eingedämmt werden, behaupten Befürworter. Aber warum | |
sollte das so sein? | |
Obwohl sie seit dem 19. Jahrhundert das Kirchensteuerprivileg in Anspruch | |
nehmen kann, hat sich jedenfalls die deutsche Filiale der | |
römisch-katholischen Kirche bis heute nicht vom Vatikan emanzipiert. Trotz | |
finanzieller Unabhängigkeit entscheidet noch immer der Papst, wer einem | |
Bistum vorsteht. Er ernennt die Bischöfe, nicht irgendeine kirchliche | |
Institution in der Bundesrepublik. | |
Und selbst wenn es die Deutsche Bischofskonferenz oder das Zentralkomitee | |
der deutschen Katholiken anders wollten, bliebe die grundgesetzlich | |
verbriefte Gleichberechtigung von Frauen und Männern in ihrer Kirche ein | |
frommer Wunsch. | |
Die ideologische Orientierung und organisatorische Verbindung einer | |
Religionsgemeinschaft ist eben keine Frage der Herkunft des Geldes. Eine | |
Moscheesteuer würde daher noch nichts an der Ausrichtung einer muslimischen | |
Gemeinde an Ankara oder Riad ändern. | |
Der dritte Irrtum: Ateş beklagt, deutsche Moscheen würden, weil es ihnen an | |
eigenem Geld fehlt, auf Imame aus der Türkei zurückgreifen. Was führt sie | |
zu dem Glauben, es läge nur an der Bezahlung durch den türkischen Staat, | |
dass insbesondere die Imame in den Gemeinden der Türkisch-Islamischen Union | |
der Anstalt für Religion (Ditib), dem größten islamischen Dachverband, aus | |
der Türkei gesandt werden? | |
Schließlich stammt der Klerus etlicher anderer in Deutschland minoritärer | |
religiöser Zusammenschlüsse, wie der verschiedenen christlich-orthodoxen | |
Kirchen, ebenfalls in der Regel nicht aus Deutschland. Und selbst die | |
römisch-katholische Kirche greift zunehmend auf auswärtige Fachkräfte | |
zurück. So kommt inzwischen fast jeder fünfte katholische Priester aus dem | |
Ausland. | |
Der vierte Irrtum: Mit einer Moscheesteuer könne alles, was die Gemeinden | |
brauchen, [2][„in Zukunft von den Mitgliedern selbst aufgebracht werden“], | |
sagte Ateş der Welt. Was sie dabei übersieht: Eine solche Steuer ändert | |
nichts an der personellen Stärke, sondern erspart nur eigene Anstrengungen | |
beim Einzug des Mitgliedsbeitrags. | |
Das heißt: Eine kleine religiöse Gemeinschaft mit wenigen Mitgliedern hat | |
so oder so geringe Beitragseinnahmen, falls sie welche erhebt, und ist | |
entsprechend auf anderweitige Zuwendungen angewiesen. Das gilt für die | |
liberale Ibn Rushd-Goethe Moschee von Ateş ebenso wie für jene | |
problematischen Hinterhofmoscheen, in denen eine salafistische Auslegung | |
des Koran gepredigt wird. | |
Die Grundsatzfrage: Warum soll der Staat überhaupt als Dienstleister für | |
die Einziehung der Mitgliedsbeiträge für irgendwelche nichtstaatlichen | |
Organisationen agieren? Das Kirchensteuersystem in der BRD ist eine | |
anachronistische deutsche Besonderheit, deren Haltbarkeitsdatum längst | |
abgelaufen ist. Der Trennung von Kirche und Staat widersprechend, passt es | |
nicht mehr in die heutigen säkularen Zeiten. | |
Was für Parteien, Gewerkschaften, Sportvereine oder den ADAC gilt, sollte | |
auch für Religionsgemeinschaften gelten. Und zwar für alle. | |
28 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5555439/ | |
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article186074576/Moschee-Steuer-Deu… | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Seyran Ateş | |
Moschee | |
Steuer | |
Kirchensteuer | |
Islamverband Ditib | |
Saudi-Arabien | |
Schwerpunkt Seyran Ateş | |
Islamkonferenz | |
Islamverband Ditib | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Finanzen von Moscheen in Deutschland: Verschärfte Überwachung | |
Als Reaktion auf einen Bericht des Terrorismus-Abwehrzentrums sollen | |
Saudi-Arabien und weitere Golfstaaten Geldströme an Moscheen künftig | |
offenlegen. | |
Steuern für Gläubige: Seyran Ateş für Moschee-Steuer | |
Mit ihrem Vorschlag, auch muslimische Gläubige zu besteuern, stößt die | |
liberale Muslimin Seyran Ateş bei Union, SPD und Grünen auf offene Ohren. | |
Kommentar Deutsche Islamkonferenz: Ein schwieriger Gastgeber | |
Die Deutsche Islamkonferenz verfolgt ein wichtiges Ziel. Nur sind die | |
Erfolgsaussichten unter einem Innenminister Seehofer leider zweifelhaft. | |
Kommentar Protest-Rücktritt in der Ditib: Notruf eines Insiders | |
Nun wird Ditib sogar aus den eigenen Reihen kritisiert. Spätestens jetzt | |
sollte für alle klar sein, welche Interessen die Organisation wirklich | |
vertritt. |