# taz.de -- U-Bahnsperrungen im Januar: Immer unterirdischer | |
> Das neue Jahr beginnt mit einer klaffenden Lücke im U-Bahn-Netz mitten in | |
> der City West. Ganz so schlimm wie befürchtet wird es aber nicht werden. | |
Bild: Zu oft zu spät und fast immer zu voll: Berlins U-Bahnen | |
Also echt, diese BVG! Ließ uns in der Vorweihnachtszeit auf vollen | |
U-Bahnhöfen bangen, ob wir rechtzeitig zur Arbeit kommen, und in noch | |
volleren Bahnen den endgültigen Verlust der comfort zone erleben. Und im | |
neuen Jahr wird es nicht besser werden: Vom 4. Januar bis 24. Februar haut | |
sie eine Lücke mitten ins Netz und lässt noch nicht einmal Ersatzbusse | |
fahren. Kein Wunder, dass – wie zu hören war – Michael Müller in einer der | |
letzten Senatssitzungen mal so richtig auf den Tisch hauen musste. | |
Eines freilich hatten weder der Regierende Bürgermeister noch seine | |
Verkehrssenatorin Regine Günther zu diesem Zeitpunkt auf dem Schirm: Die | |
BVG hat für die Sperrung der U2 und der U3 (s. Grafik) durchaus vorgesorgt, | |
und der Einsatz von Schienenersatzverkehr ist in diesem Fall zum Glück gar | |
nicht notwendig. Denn während unter dem Wittenbergplatz mehrere zentrale | |
Weichen erneuert werden, bleibt eine der dort aufeinandertreffenden Linien | |
weiter in Betrieb: die U1, die von der Uhlandstraße bis zur Warschauer | |
Straße fährt. | |
Und um die Fahrgäste der unterbrochenen Linien aufnehmen zu können, wird | |
ihr Takt deutlich erhöht werden: von 10 auf 4 Minuten. „Wir geben mehr als | |
die doppelte Leistung auf die U1, das ist schneller als jeder | |
Ersatzbusverkehr“, erklärt BVG-Sprecher Markus Falkner. Der sei in der | |
ständig verstauten City West ohnehin wenig sinnvoll. Allerdings sollen auf | |
bestehenden Linien je nach Nachfrage zusätzliche Busse eingesetzt werden. | |
Manche Passagiere werden auch die Möglichkeit haben, den neuralgischen | |
Bereich zu umfahren, etwa mit der U7. | |
Dass die U2 in dieser Zeit schon am Gleisdreieck endet und nicht erst am | |
Nollendorfplatz, liegt laut Falkner daran, dass es dort keine Kehranlage | |
gibt, die Züge also nicht aufs andere Gleis wechseln können. Wer am | |
U-Bahnhof Bülowstraße wohnt oder arbeitet, hat deshalb das Nachsehen. | |
## Auch die U1 macht Pause | |
Auf die siebenwöchige Sperrung bis zum 24. Februar folgt dann noch eine | |
Woche Zwangspause für die U1 zwischen Uhlandstraße und Gleisdreieck. Dafür | |
setzt sich dann aber die U2 wieder in Bewegung, während die U3 erst ab dem | |
3. März wieder rollt. Dann soll auch die U1 wieder fahren. Letztere wird | |
vom 10. März bis zum 6. Juni dann noch einmal unterbrochen, allerdings nur | |
abends und nachts. | |
Die Arbeiten sind Teil einer massiven Investition vor allem in die ältesten | |
Abschnitte des U-Bahn-Netzes. Rund 800 Millionen Euro hat die BVG nach | |
eigenen Angaben dafür in den kommenden vier Jahren eingeplant. Heftiger für | |
die KundInnen wird es ab Frühjahr 2020, wenn die U1 für voraussichtlich | |
zwölf Monate zwischen Kottbusser Tor und Warschauer Straße aussetzt. Und in | |
der zweiten Jahreshälfte 2021 beginnt der Neubau des U1-Viadukts über den | |
Park am Gleisdreieck, der ganze 17 Monate dauern soll. | |
Zu meckern gibt es dabei eigentlich nichts – die Anfänge der Berliner | |
Untergrundbahn liegen nun einmal über 100 Jahre zurück, da kommt man um | |
Sanierungsarbeiten nicht herum. Anders sieht es mit den anfangs | |
angedeuteten Engpässen aus, von denen viele KundInnen derzeit ein Lied | |
singen können. „Wegen Zugmangels und anderer Probleme“ fahre die Bahn | |
unregelmäßig: Solche und ähnliche Ansagen müssen sich BVG-Passagiere immer | |
öfter anhören und entnervt zweistellige Minuten-Wartezeiten auf den | |
elektronischen Fahrtzielanzeigern betrachten. | |
Die Gründe sind vielfältig, aber in erster Linie fehlt es tatsächlich an | |
funktionierenden Zügen. Zwar ist die Talsohle durchschritten, seit die | |
neuen Züge der IK-Reihe ausgeliefert werden, die im Kleinprofilnetz der | |
Linien U1 bis U4 fahren. Trotzdem reicht der Gesamtbestand nicht aus, um | |
die stetig steigenden Fahrgastzahlen zu bewältigen. 2017 haben die | |
KundInnen 563 Millionen Fahrten absolviert, zehn Jahre zuvor waren es nicht | |
einmal 450 Millionen. Mehr Fahrten, das bedeutet wachsenden Verschleiß, | |
fehlende Reserven, weniger Zeit für Wartung, mehr Ausfälle. | |
## Fachmann als Finanzvorstand | |
Im Frühjahr gibt es zwar noch einen Nachschlag bei den IK-Zügen. Aber im | |
Großprofil, also bei den breiteren Wagen für die Linien U5 bis U9, ist es | |
nach taz-Informationen erst Mitte 2020 so weit. Und auch das bleibt ein | |
Tropfen auf den heißen Stein, immerhin liegt das Durchschnittsalter aller | |
U-Bahn-Wagen mittlerweile bei satten 28 Jahren. Da kommt selbst die S-Bahn | |
mit im Schnitt 18 Jahren jugendlich daher. Und bei einem älteren Wagentyp | |
häufen sich mittlerweile Risse in den Wagenkästen, wovon sich BVG-Chefin | |
Sigrid Nikutta letztens bei einem Werkstatttermin persönlich überzeugen | |
konnte. | |
Zwar soll im kommenden Jahr eine gigantische Wagenbestellung gemacht werden | |
– richtig offiziell ist das noch nicht –, aber die Lieferzeiten liegen bei | |
mehreren Jahren. So lange müssen die Verkehrsbetriebe mehr schlecht als | |
recht mit dem vorhandenen Material jonglieren. „Wir denken über eine | |
stabilere Taktung nach“, so Sprecher Falkner: Verspätungen durch | |
Zugausfälle schaukelten sich schnell auf, weil mit der wachsenden Anzahl | |
von Wartenden die Abfertigung immer langsamer werde. Durch eine | |
Taktverringerung um eine Minute oder auch nur 30 Sekunden ließen sich je | |
nach Linie Komplettausfälle minimieren, wodurch am Ende alle schneller ans | |
Ziel kämen. | |
Und noch etwas soll für (mehr) Bewegung sorgen: Wie die BVG bestätigte, | |
wird die kürzlich vakant gewordene Stelle ihres Finanzvorstands mit einem | |
Fachmenschen für Bahn- und Busbetrieb besetzt. Wirtschaftssenatorin Ramona | |
Pop (Grüne) hatte nach eigener Aussage als Aufsichtsratsvorsitzende für | |
diese Schwerpunktsetzung geworben. | |
31 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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