# taz.de -- Rückblick auf Berlin 2018: Handfest und lebensklug | |
> Franziska Giffey kam 2018 aus dem Neuköllner Rathaus ins Bundeskabinett. | |
> Und sie macht sich als Familienministerin gut. | |
Bild: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) | |
Der Sprung vom Bezirk in die Bundespolitik hätte auch zu weit sein können. | |
Aber das war er für Franziska Giffey nicht. Das Anforderungsprofil „Frau | |
aus dem Osten“ beförderte die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin im Frühja… | |
überraschend ins Familienministerium – jetzt gilt sie als Aktivposten in | |
der Regierung. Je steiler es mit der SPD bergab geht, desto erfreulicher | |
wirkt Giffey. | |
Ihr Erfolg verdankt sich auch drei günstigen Umständen. Sie ist erstens | |
nicht Andrea Nahles, die ewige Parteifrau, die so irritierend zwischen | |
elastischer Machtpolitik und altertümlich dampfender Parteitagsrede | |
schwankt. Die Stelle der sympathischen, bodenständigen Sozialdemokratin war | |
also vakant. Außerdem hat Giffey das Glück, mehr als 5 Milliarden für Kitas | |
verteilen zu können – damit macht man sich auch nicht unbeliebt. Drittens: | |
Die Vergangenheit in Neukölln ist in Zeiten, in denen ProfipolitikerInnen | |
als glatt und karriereorientiert verachtet werden, nicht | |
Unerfahrenheitsmalus, sondern street credibility. | |
Die Frankfurterin mit der leisen Stimme, dem Berliner Idiom, der | |
altmodischen Hochsteckfrisur passt, gerade weil sie nicht perfekt wirkt, | |
perfekt zu der Sehnsucht nach PolitikerInnen, die anders sind: eckig, | |
handfest. | |
Etwas vorsichtiger muss sie mit sozialen Medien umgehen. In Neukölln war | |
die Omnipräsenz auf Facebook ein brauchbares Mittel, um Leute zu erreichen, | |
die keine Ahnung von Politik hatten. Im Bund wirkt es nervig oder | |
egozentrisch, jedes Bild zu posten, auf dem die Ministerin umrahmt von | |
Schulkindern in die Kamera lächelt. Auch vor fragwürdigen | |
Weihnachtsgeschenktipps („Socken gehen immer“) sei gewarnt. | |
## Erfreulich ideologiefern | |
Das zentrale Verdienst von Franziska Giffey aber ist, dass sie der | |
Buschkowsky-Falle entgangen ist. Heinz Buschkowsky war ihr Vorgänger und | |
Förderer – doch während er Multikulti und Neukölln miesmacht, verlegt | |
Giffey sich darauf, Dinge besser zu machen. Ein Beispiel für diese | |
erfreuliche Ideologieferne war der Burkinistreit, eine jener steilen | |
Symboldebatten, die Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten leiten. | |
Eine Schule hatte Burkinis besorgt, damit alle Mädchen am Schwimmunterricht | |
teilnehmen. Eine CDU-Politikerin geißelte das als „vorauseilenden Gehorsam | |
vor Fundamentalisten“. Giffey twitterte, Burkinis für kleine Mädchen seien | |
problematisch. Allerdings habe sie erlebt, „was es bedeutet, wenn ein | |
kleines Mädchen ertrunken ist, das nicht schwimmen konnte“. Das Vermitteln | |
einer Überlebenstechnik sei „wichtiger als die Badekleidung“. Eine | |
erfreulich lebenskluge Anmerkung. Stefan Reinecke | |
29 Dec 2018 | |
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Stefan Reinecke | |
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