# taz.de -- Ökologische Weihnachtsbäume: Wer jetzt kein' Baum hat … | |
> … baut sich selbst einen. Alternativen für die, die es nicht geschafft | |
> haben, eine echte Tanne fürs große Fest zu besorgen. | |
Bild: Noch keinen Baum? Kein Problem | |
Nein, das mit den Plastikbäumen stimmt nicht. Weihnachtsbäume aus | |
Kunststoff haben in der Regel keine bessere Ökobilanz als echte. Die | |
meisten kommen aus China. Während ihrer langen Reise verschlingen sie so | |
viel Treibstoff, dass sie zehn Jahre lang Lichterglanz tragen müssten, um | |
eine positive Ökobilanz aufzuweisen. „Die meisten landen doch nach ein, | |
zwei Jahren schon im Müll“, sagt Heinz Kowalski, stellvertretender | |
Vorsitzender des Naturschutzbundes Nabu in Nordrhein-Westfalen. | |
Die Ökobilanz heimischer Gewächse hingegen ist „gar nicht so schlecht“, | |
ermittelten schon vor Jahren die Profi-Ökobilanzierer vom | |
Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart. Schließlich können die | |
Bäume nach ihrem Einsatz als Kerzenständer weiter genutzt werden, zum | |
Beispiel geschreddert als Dünger im Forst. Nur verbrannt werden sollten sie | |
nicht, das wäre schlecht für die Klimabilanz. | |
Wichtig sei, so sagen es Umweltverbände, auf heimische Bäume aus regionalem | |
Anbau zu achten. Das machen die meisten Verbraucher sowieso schon, rund 90 | |
Prozent der 25 Millionen Weihnachtsbäume stammen aus hiesigen Forsten. Dort | |
sind die Nadelbäume neun bis zehn Jahre lang gewachsen. Verkaufsschlager | |
sind dabei Nordmanntannen, sie erreichen laut Bundesverband der | |
Weihnachtsbaumerzeuger einen Marktanteil von 80 Prozent. | |
Den Rest teilen sich Blaufichten, Rotfichten und die herrlich duftenden | |
Nobilistannen. Die Baumerzeuger beobachten einen Trend zum kleinen Baum, | |
zwischen 1,50 und 1,75 soll er groß sein – und möglichst ebenmäßig | |
gewachsen. Ökologisch könnte das zum Problem werden, denn besonders | |
gleichmäßig wachsen Bäume, wenn sie gleichmäßig mit Nährstoffen versorgt | |
und möglichst nicht angefressen werden. Das riecht nach: Dünger und | |
Spritzmitteln. | |
## Die Lösung: ein Ökobaum | |
So hält der Nabu Weihnachtsbäume auch nicht grundsätzlich für ökologisch | |
bedenklich, sondern gedüngte und gespritzte Kulturen. Die Lösung: ein | |
Ökobaum. Auf der [1][Internetseite der Umweltorganisation Robin Wood] | |
findet sich eine Liste von 462 Verkaufsstellen, an denen in diesem Jahr | |
Biobäume angeboten werden. Bio heißt: In den Plantagen wird auf Pestizide | |
und Kunstdünger verzichtet, kahl geschlagen werden sie auch nicht. | |
Unkräuter werden nicht mit Herbiziden, sondern mechanisch oder mit | |
speziellen Schafen in Schach gehalten. | |
Shropshire-Schafe zeigen einmal mehr, wie sinnvoll es ist, die Vielfalt | |
alter Nutztierrassen zu erhalten. Wer hätte Mitte des 19. Jahrhunderts | |
gedacht, dass das als Fleischlieferant gezüchtete Schaf über die | |
außergewöhnliche Eingenschaft verfügt, keine Koniferentriebe zu mögen. Alle | |
Schafe fressen frische Nadelbaumtriebe – nur das Shropshire-Schaf | |
verzichtet darauf. Dieses Schaf ist ein guter Gärtner. | |
Zudem nehmen Waldbauern, die ihre Plantagen von einem Anbauverband wie | |
Demeter oder Bioland zertifizieren lassen – oder das staatliche Biosiegel | |
beantragen – 10 Prozent ihrer Flächen aus der Nutzung. Dort können sich | |
Insekten und anderes Getier ungestört tummeln. | |
## Achtung: reine Kundentäuschung | |
[2][Weihnachtsbäume] mit einem FSC-Siegel finden nur Käufer in | |
Rheinland-Pfalz. Das Bundesland hat als einziges entsprechende Vorgaben | |
umgesetzt. Christbäume sind nämlich – rein rechtlich – kein Holz-, sondern | |
ein „Nichtholz-Waldprodukt“, so wie Pilze, Wildschweinkeulen oder | |
Walderdbeeren. Darum brauchen sie ein spezielles Siegel, und das gibt es | |
bis auf Weiteres nur in den Weiten des Pfälzerwaldes. | |
Überall sonst heißt es „Baum aus einem FSC-zertifizierten Betrieb“. Das | |
muss den Käufer nicht irritieren: Ohne Dünger und Spritzmittel sind die | |
Bäume auch groß geworden. | |
Reine Kundentäuschung hingegen ist das Siegel „Fair Forest“, warnt Robin | |
Wood. Erfunden worden sei es von vier sauerländischen | |
Weihnachtsbaumproduzenten. Die Bäume stammten aber weder aus dem Wald, noch | |
seien sie fair und ökologisch hergestellt worden. | |
Und, mal ehrlich, wenn der Sauerländer etwas ausheckt, dann ist schon der | |
Siegerländer nur einen Wald weiter skeptisch. | |
## Kein Baum? Kein Problem! Wir haben DIY-Ideen | |
1) Vom Himmel hoch | |
Für: Anzugträger und Instagram-InfluencerInnen | |
Das brauchen Sie: Kleiderbügel aus Draht (aus der Reinigung), Deko | |
So wird's gemacht: Misten Sie Ihren Kleiderschrank aus. Spenden Sie die | |
Kleider an eine soziale Einrichtung in Ihrer Nachbarschaft. Basteln Sie aus | |
den übriggebliebenen Kleiderbügeln einen Weih-nachtsbaum. Dekorieren Sie | |
nach Belieben. Verkaufen Sie das Kunstwerk nach Weihnachten unter dem Namen | |
„Drahtseilakt“, um nicht in Versuchung zu geraten, die Kleiderbügel wieder | |
in den Schrank zu verfrachten. | |
2) Du grünst auch im Spiegelbild | |
Für: ganz Schlaue | |
Das brauchen Sie: einen Ganzkörperspiegel, Kram | |
So wird's gemacht: Durchsuchen Sie Ihre Wohnung nach grünen Gegenständen: | |
Bücher, Kisten, Aktenordner, Werkzeugkoffer, Schuckschatulle, Lego – alles, | |
awas stapelbar ist, ist erlaubt. Mit dem größtem Gegenstand beginnen, nach | |
oben kleiner werden. Wichtig: Sofa an die Stelle schieben, von der aus man | |
den ganzen Weihnachtsbaum sieht. | |
3) Es ist ein Strumpf entsprungen | |
Für: genervte Eltern | |
Das brauchen Sie: einen vollen Wäschekorb, Deko-Stern | |
So wird's gemacht: Wäschekorb ausleeren ( ja, Sie dürfen dabei schreien!), | |
Stern hinterherpfeffern, fertig. Zur Not tun es auch frisch gewaschene | |
Klamotten aus dem Kleiderschrank – als Mahnung, dass dringend mal wieder | |
aussortiert werden muss. | |
4) Wie bunt sind deine Blätter | |
Für: NostalgikerInnen | |
Das brauchen Sie: alte Briefe, Tape oder Reißnägel | |
So wird's gemacht: Nehmen Sie sich endlich mal die Kiste mit Briefen vor | |
und machen es sich gemütlich. Die schönsten Fundstücke – der Liebesbrief | |
vom ersten Freund, das Muttertagsgedicht der Tochter, die großzügige | |
Steuerrückzahlung von vor drei Jahren – hängen Sie in Form eines | |
Tannenbaums an die Wand. Alternativ gehen auch Fotos oder die gesammelten | |
Kunstwerke aus der Kita. | |
5) Die Lichter brennen | |
Für: Puristen/helle Köpfe | |
Das brauchen Sie: eine Lichterkette, Nägel | |
So wird’s gemacht: Nägel in die Wand klopfen, Lichterkette im Zickzack | |
aufhängen, anknipsen. Wer keine Lichterkette besitzt, kann Tape in Form | |
eines Weihnachtsbaums an die Wand kleben oder einen Faden um die Nägel | |
schlingen. Wer eine Tafel (oder eine Wand, die mit Tafelfarbe gestrichen | |
ist) in der Wohnung hat, kann mit Kreide einen Baum zeichnen. Ist auf jeden | |
Fall besser als sinnlose Sinnsprüche. | |
6) Wie treu sind deine Sprossen | |
Für: Workaholics/Heimwerker | |
Das brauchen Sie: eine Leiter, Deko | |
So wird’s gemacht: Sie könnten während der Feiertage doch endlichmal das | |
Regal aufhängen, den Küchenschrank montieren oder die neue Deckenlampe | |
installieren? Zwingen Sie sich lieber selbst, die Füße hochzulegen – und | |
verwandeln Sie die Leiter in einen Weihnachts baum. Einfach aufstellen, | |
dekorieren, ausruhen. Schöne Feiertage! | |
22 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.robinwood.de/sites/default/files/Weihnachtsb%C3%A4ume%20181204.… | |
[2] /Die-Wahrheit/!5556017 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
Franziska Seyboldt | |
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