| # taz.de -- Biennale de l’Image en Mouvement Genf: Der explodierende Bildschi… | |
| > Die Biennale de l’Image en Mouvement (BIM) in Genf zeigt wenige Arbeiten. | |
| > Dafür sind es ausschließlich Neuproduktionen nah am Zeitgeist. | |
| Bild: Migranten auf einer imaginären Insel zeigt Meriem Bennanis Arbeit „Par… | |
| Während die menschliche Erfahrung der Welt auf allen fünf Sinnen beruht, | |
| steht das Visuelle heute oft im Vordergrund. Diese Entwicklung wird durch | |
| die Allgegenwart elektronischer Bilder noch verstärkt. Die Biennale de | |
| l’Image en Mouvement (BIM), die in den 80er Jahren in Genf als innovatives | |
| Videofestival gegründet und 2014 von Andrea Bellini neu aufgelegt wurde, | |
| widersetzt sich diesem Paradigma. In der aktuellen Ausgabe mit dem | |
| Untertitel: „The Sound of Screens Imploding“ spielt der Gehörsinn eine | |
| wichtige Rolle. | |
| Die Ausstellung beginnt mit einer Soundarbeit von Elysia Crampton. Sie | |
| thematisiert die Lebenssituation der Aymara, Teil der indigenen Bevölkerung | |
| Boliviens, Perus und Chiles. Über zwölf Lautsprecher erklingt eine Mischung | |
| aus Musik und Geschichten, basierend auf Texten eines Chronisten der Aymara | |
| aus dem 17. Jahrhundert über die Andenbevölkerung vor und unter den Inka, | |
| sowie eine kritische Beschreibung der spanischen Regierung und kolonialen | |
| Strukturen. | |
| Ein Schattentanz, der mit aufflackernden Neonröhren die Intensität und | |
| Farbe des Lichts im Raum steuert, begleitet den Soundtrack. Die Atmosphäre | |
| ist hypnotisch, erzeugt ein unterschwelliges Gefühl und keine lineare | |
| Geschichte, der sich leicht folgen ließe. | |
| Mentale Einbildungskraft und persönliche Narrationen – die mit Abstraktion, | |
| oft auch surrealen und mythischen Elementen arbeiten – sind | |
| charakteristisch für viele Werke. Der Wille, die Bilder vom traditionellen | |
| Bildschirm zu lösen, ist oftmals durch den Wunsch begleitet, sich von einem | |
| realistischen und dokumentarischen Blick zu verabschieden. | |
| Meriem Bennani porträtiert eine Welt, in der Teleportation zum | |
| Transportmodus geworden ist. Mit Ironie und fiktivem Spirit geht es in der | |
| raumgreifenden Installation um Migranten, die auf der imaginären Insel Caps | |
| festsitzen. Hier werden Auswanderer festgehalten, die auf dem Weg in die | |
| USA per Teleportation auf halber Strecke abgefangen wurden. Bennani | |
| beleuchtet das Leben auf der Insel, teils von Frauen aus ihrer Familie in | |
| Marokko dargestellt, aber auch von Menschen auf der Straße und aus den | |
| Medien, die nun in einer eigentümlichen Umgebung leben, in der alles Essen | |
| grün ist und genetisch neu erfunden wurde. | |
| ## Animismus und moderne Technologie | |
| Die Arbeit von Korakrit Arunanondchai und Alex Gvojic besteht aus einer | |
| höhlenartigen Umgebung, der gesamte Raum ist mit Muscheln, Lehm und | |
| schwarzer Farbe überzogen und wird immer wieder von grünen Laserstrahlen | |
| durchleuchtet. Animismus und moderne Technologie überlappen sich in den | |
| Videos, die über drei Bildschirme gleichzeitig ausgestrahlt werden. Wie bei | |
| Bennani geht es um die menschliche Existenz, aber auch um den Künstler | |
| selbst, der sich mit einem Drohnen-Geist unterhält. | |
| Während das Werk von Arunanondchai und Gvojic durch die Betonung von | |
| Affekt und Effekt etwas Melodramatisches hat, dekonstruiert die Performance | |
| „Water Will (in Melody)“ von Ligia Lewis das Genre des Melodramas und | |
| untersucht mit poetischer Abstraktionskraft Verschränkungen von Rassismus | |
| und Sexismus. | |
| Mit Mimik und Gestik verweisen vier Tänzerinnen auf sexuelle Gewalt, | |
| bleiben aber in ihren Ausführungen bewusst kryptisch: Sie bringen das | |
| Kopfkino zum Laufen und erzeugen Spannung, indem sie keine klaren | |
| Aufschlüsselungen liefern. Äußerst eindrucksvoll lässt die Choreografin | |
| Stimmen und Gesten, Berührung und Bewegung wie Wellen agieren, sanft und | |
| stürmisch im Wechselspiel. | |
| ## Enge Zusammenarbeit mit den eingeladenen Künstlern | |
| Die Performance wurde während der Eröffnungswoche als Preview im Grütli | |
| Theater gezeigt und wanderte dann ans HAU in Berlin, das sie mitproduziert | |
| hat. Generell setzt diese Biennale nicht auf Masse, sondern auf eine enge | |
| Zusammenarbeit mit den eingeladenen Künstlern. Es gibt nur acht | |
| Installationen, neun Filme und drei Performances zu sehen: 20 Arbeiten, die | |
| alle neu produziert wurden. Viele reisen weiter, verwunderlich ist aber | |
| doch, dass sowohl Lawrence Abu Hamdans „Walled Unwalled“ also auch Tamara | |
| Hendersons „Womb Life“ noch vor der Eröffnung der BIM bereits in Berlin zu | |
| sehen waren. | |
| Das hat selbstverständlich etwas mit den Kosten für die Neuproduktionen zu | |
| tun, die oft von mehreren Institutionen getragen werden, und anscheinend | |
| mit der uneitlen Haltung des Kurators, der nicht auf der Exklusivität von | |
| Premieren besteht. | |
| 21 Dec 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Gwendolyn Schneider | |
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