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# taz.de -- Proteste in Ungarn: Aufstand gegen „Sklavengesetz“
> Eine Reform des Arbeitsrechts zulasten der Beschäftigten treibt in
> Budapest und anderen Städten Zehntausende auf die Straße. Die Opposition
> ist geeint.
Bild: Die Telefone leuchten: Protest gegen die Regierung von Viktor Orbán am S…
Wien taz | Rauchgranaten und Tränengas haben am Sonntag eine der größten
Demonstrationen der jüngeren Geschichte in Budapest eingenebelt. Mindestens
15.000 Menschen demonstrierten vor dem ungarischen Parlament gegen ein
Gesetz, das es Arbeitgebern erlaubt, ihren Angestellten 400 statt bisher
250 Überstunden jährlich abzuverlangen.
Mit der Bezahlung – und das empört die Betroffenen besonders – dürfen sich
die Unternehmer drei Jahre Zeit lassen oder die Überstunden in flauen
Zeiten durch Zwangsurlaub kompensieren. Die Gewerkschaften, deren Einwände
von der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán ohne Diskussion vom
Tisch gewischt wurden, haben diese arbeitsrechtliche Zumutung
„Sklavengesetz“ getauft.
Was die bereits vierte Demonstration binnen weniger Tage von früheren
Protesten unterscheidet, ist der gemeinsame Aufruf einer in dieser Frage
geeinten Opposition. Von den Sozialdemokraten bis zur rechtsextremen Jobbik
lehnen alle Oppositionsparteien das Gesetz ab.
Die Rücknahme der neuen Überstundenregelung ist die wichtigste der fünf
Forderungen, die die Demonstranten erheben. Daneben verlangen sie
unabhängige Gerichte und Medien. Jüngst wurden mehrere
Verwaltungsgerichtshöfe geschaffen, die direkt dem Justizministerium
unterstehen. Sie sollen über alle Beschwerden gegen die öffentliche
Verwaltung entscheiden.
## Gleich geschaltete Medien
Kritiker befürchten, dass Willkür und Versagen der Behörden durch
Persilscheine legitimiert werden. Die weitgehend gleich geschalteten Medien
sind zu Propagandainstrumenten der Regierung degeneriert.
Deswegen marschierte ein Teil der Demonstranten am Sonntag auch zum
staatlichen Fernsehen und verlangte Einlass. Während breit über die
Proteste der Gelbwesten in Frankreich berichtet worden war, schwiegen die
Staatssender zu den Mobilisierungen in Budapest, Györ, Debrecen, Szeged und
weiteren Städten.
Als eine Gruppe von Abgeordneten verlangte, ein Manifest mit dem
Forderungskatalog verlesen zu dürfen, wurden die „beiden wilden“
Abgeordneten Bernadett Szél und Ákos Hadházy von Sicherheitsmännern aus dem
Gebäude geworfen.
Hintergrund des Marktliberalisierungsgesetzes ist das Werben der Regierung
um die Autoindustrie, allen voran die deutsche. Außenminister Péter
Szijjartó hatte Ende November in Nordrhein-Westfalen deutschen
Industriellen zugesichert, die ungarische Regierung würde für die nötigen
Arbeitskräfte garantieren.
## Rednerpult besetzt
Da aber im formalen Arbeitsmarkt praktisch Vollbeschäftigung herrscht und
Ungarn Zuwanderung ablehnt, müssen die vorhandenen Arbeitskräfte stärker
belastet werden, so die Analyse der Gewerkschaften. Sie fürchten, dass auf
diesem Wege die Samstagsarbeit wieder eingeführt werden soll.
Der Gesetzesantrag wurde am vergangenen Mittwoch von drei
Fidesz-Abgeordneten ins Parlament gebracht, darunter Lajos Kósa, der auch
Bürgermeister der ostungarischen Stadt Debrecen ist. Er will dort ein
BMW-Werk ansiedeln. Die Opposition versuchte die Abstimmung über diesen und
150 weitere für diesen Tag vorgesehene Anträge zu blockieren, indem sie das
Rednerpult im Plenarsaal und den Platz des Parlamentspräsidenten besetzte.
Viktor Orbán, der dem Durchwinken seines Gesetzes persönlich beiwohnen
wollte, rief seine Leibwächter in den Plenarsaal. Die Regierungsfraktion
machte keine gute Figur, weil sie die Abstimmung mit reichlich formalen
Fehlern durchzog. Der Linksabgeordnete Bence Tordai wurde zum Helden, als
er sein Handy zückte und die tumultartigen Szenen im Livestream an die
Öffentlichkeit brachte.
17 Dec 2018
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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Ungarn
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Protest
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