| # taz.de -- Kommentar Anti-Orbán-Proteste: Mehr als nur Unmut | |
| > Wenn es ans eigene Portemonnaie geht, sind die Ungarn plötzlich auf den | |
| > Barrikaden. Die Proteste haben das Zeug zu einer Trendwende. | |
| Bild: Meine Geldbörse gehört mir! Proteste gegen das „Sklavenarbeit-Gesetz�… | |
| Ungarns Opposition hat es nicht leicht. Premier Viktor Orbán hat sich erst | |
| im vergangenen April – ein zurechtgeschneidertes Wahlgesetz macht es | |
| möglich – bis zum Frühjahr 2022 eine [1][Zweidrittelmehrheit im Parlament] | |
| gesichert. Die Proteste gegen eine schleichende Abschaffung der | |
| Pressefreiheit und die Unterminierung des Rechtsstaats haben die Masse der | |
| Bevölkerung nicht mitgerissen und daher wenig bewirkt. | |
| Aber die neue Arbeitszeitregelung, die jeden Industriearbeiter konkret an | |
| der Geldbörse treffen kann, hat das Zeug, eine politische Trendwende | |
| einzuleiten. Erstmals ist ein großer Teil des Proletariats gegen diese | |
| Regierung aufgebracht. | |
| Die Oppositionsparteien, durch Flügelkämpfe und Spaltungen zusätzlich | |
| geschwächt, wären fahrlässig, wenn sie sich diese Gelegenheit zur | |
| Profilierung entgehen ließen. In ungewohnter Eintracht riefen sie gemeinsam | |
| zu den Protesten auf und traten gemeinsam auf die Rednerbühne. Zum ersten | |
| Mal überhaupt sprachen Abgeordnete der sozialdemokratischen DK und der | |
| [2][ultrarechten Jobbik] nacheinander zu Demonstranten. Bildungsbürger, die | |
| sich über die Vertreibung der liberalen Universität CEU empörten, fanden | |
| sich plötzlich in einem Sprechchor mit Fußball-Ultras und Autonomen. | |
| Die angestaute Wut über ein immer schlechter funktionierendes | |
| Gesundheitssystem, über die Vernachlässigung des Bildungswesens, dreiste | |
| Korruption und permanente Attacken gegen den Rechtsstaat macht sich Luft | |
| gegen eine Regierung, die zunehmend zynisch agiert und jede abweichende | |
| Meinung als Majestätsbeleidigung empfindet. | |
| [3][Bei den Wahlen im April] hätte die Opposition durch taktische Bündnisse | |
| der Regierungskoalition einige Wahlkreise abluchsen können. Damals hat es | |
| nicht geklappt. Jetzt hat sie die Chance, durch konsequente gemeinsame | |
| Politik an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Angesichts der ideologischen Gräben | |
| und persönlichen Animositäten, die einzelne Protagonisten trennen, dürfte | |
| diese Zweckallianz aber von kurzer Dauer bleiben. | |
| 18 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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