# taz.de -- AfD-Chefin in Schleswig-Holstein: Ein Herz für „SS-Kameraden“ | |
> Die AfD will Sayn-Wittgenstein wegen Kontakten zu Rechtsextremen | |
> ausschließen. Der taz liegen Belege für weitere solche Verbindungen vor. | |
Bild: Leitete offenbar Einladungen von Rechtsextremisten weiter: AfD-Politikeri… | |
HAMBURG taz | Die AfD will die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende | |
Doris von Sayn-Wittgenstein wegen Kontakten zu einem rechtsextremistischen | |
Verein aus der Partei werfen. Das beschloss der Bundesvorstand am Montag in | |
Berlin. Die Parteispitze teilte mit, „vor dem Hintergrund mutmaßlich | |
strafrechtlich relevanter Vorgänge“ werde von Sayn-Wittgenstein bis zur | |
Entscheidung des Schiedsgerichts von der Ausübung aller Parteiämter | |
ausgeschlossen. | |
Die Landtagsfraktion der AfD in Kiel hat Doris von Sayn-Wittgenstein | |
bereits ausgeschlossen. Der Landesvorstand in Schleswig-Holstein | |
unterstützt den Rauswurf seiner Landesvorsitzenden nicht. Sie selbst | |
bezeichnet sich in einem Rundschreiben an die Landesvorstandsmitglieder als | |
ein Opfer der Fraktionskollegen. | |
Was Partei- und Fraktionsgremien noch nicht wissen konnten: Von | |
Sayn-Wittgenstein versendete E-Mails offenbaren, dass sie nicht nur zu | |
einem rechtsextremen Verein Kontakte hatte. Ihre Vernetzung reicht von | |
rechtsextremen Kulturvereinen, Freunden der Waffen-SS, Holocaust-Leugnern | |
und Verfechtern einer Reichsideologie bis zum internationalen | |
Rechtsextremismus. Knapp 80 gedruckte Seiten liegen der taz vor. | |
„Es gibt und gab keine Kontakte in irgendeine, auch keine rechtsextreme | |
Szene“, antwortete Sayn-Wittgenstein auf Nachfrage der taz. Sie behalte | |
sich vor, gegen solche Behauptungen gerichtlich vorzugehen. | |
Am 4. Dezember hatte die Kieler Landtagsfraktion um den Vorsitzenden Jörg | |
Nobis die Landesvorsitzende wegen Beziehungen zum 1992 gegründeten Verein | |
Gedächtnisstätte e.V. in Guthmannshausen ausgeschlossen, dessen ersten | |
Vorsitzende die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck war. Der | |
niedersächsische Verfassungsschutz schreibt, der auf einem alten Rittergut | |
in der thüringischen Gemeinde ansässige Verein hänge ungebrochen einer | |
„revisionistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen | |
Geschichtsbetrachtung und -verbreitung“ an. | |
## E-Mails aus der Zeit der Parteizugehörigkeit | |
Die Vorhaltungen wiegelt Sayn-Wittgenstein ab. Ihre Unterstützung und ihr | |
Besuch der Gedenkstätte hätten zeitlich vor ihrem Engagement bei der AfD | |
gelegen, schreibt die 64-Jährige. | |
Die E-Mails und Anhänge, die der taz vorliegen, stammen jedoch aus dem | |
Zeitraum ihrer Parteizugehörigkeit seit 2014. Im Februar 2017 leitete sie | |
eine Einladung der rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ zu | |
deren Frühjahrsseminar weiter. Im Juli 2016 verbreitete die AfD-Politikerin | |
eine Einladung zu den „Patriotischen Stammtischen“ des NPD-Aktivisten | |
Jürgen Schützinger in Baden-Württemberg. Eine Einladung des der Reichsidee | |
nahestehenden Rainer „aus der Familie“ Rösl zu einem Treffen „für Freun… | |
deutscher Souveränität“ schickte sie im Juni weiter. | |
Und im selben Monat verwies sie auf die „Weltnetzseite“ der „Gemeinschaft | |
Avalon“ von Adrian Segessenmann, Vizepräsident der rechtsextremen „Partei | |
National Orientierter Schweizer“. Im April wies die Juristin auf ein | |
„Totengedenken für die ermordeten Waffen-SS-Kameraden der Division | |
Charlemagne“ hin. Eine E-Mail des Rechtsrockbarden Frank Rennicke zu einer | |
Razzia bei ihm schickte sie im April weiter. Regelmäßig kommt auch das | |
verschwörungslastige „IGB – Institut für politische Gehirnwäsche-Forschu… | |
und Befreiungs-Psychologie“ vor. | |
## Reichweite für Neonazi-Inhalte | |
In den Mail-Anhängen finden sich eine Einladung der rechtsextremen | |
Kulturvereinigung „Gesellschaft für freie Publizistik“ und ein „Infoblat… | |
von Haverbeck zum „Tag der internationalen Pressefreiheit“. Auch | |
Relativierungen der deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg verbreitete sie | |
regelmäßig. | |
In einer E-Mail erklärt Sayn-Wittgenstein die Intention ihres Verteilers: | |
„Liebe Mitstreiter! Einigkeit macht stark und mit falschen Nachrichten kann | |
man eine Demokratie gut manipulieren. Aus vertrauenswürdiger Quelle habe | |
ich Ihre E-Post-Anschriften erhalten. Ich verteile täglich mehrere | |
Meldungen, die ich von nah und fern erhalte, weil unsere Qualitätspresse | |
uns bestimmte Informationen vorenthalten möchte.“ Die Richtigkeit „der | |
Aussendungen“ überprüfe sie aber nicht, schreibt sie und verabschiedet sich | |
„mit freundlichem Gruß – besonders in die Schweiz und die Ostmark“. | |
„Sayn-Wittgensteins Verteiler ist ein weiterer Beleg dafür, dass die | |
Funktionärsebene der AfD durchsetzt ist mit Neonazis und Einzelpersonen mit | |
völkischer bis extrem-nationalistischer Einstellung“, sagt ein Sprecher des | |
Recherchenetzwerks „Exif“. Die AfD-Landeschefin nutze ihre Stellung und | |
Reichweite, „um neonazistische Inhalte zu verbreiten“. | |
17 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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