# taz.de -- Sexismus beim Fußballpreis: Die Frage als Antwort | |
> Bei der Verleihung des Ballon d’Or féminin wurde die norwegische | |
> Fußballerin Ada Hegerberg zum „Twerken“ aufgefordert. Wo das Problem | |
> liegt? | |
Bild: Ada Hegerberg auf der Gala, sichtlich nicht amüsiert | |
Seit Montagabend existiert sie offiziell, die beste Fußballerin der Welt. | |
In Paris wurde der prestigeträchtige Ballon d’Or, der Goldene Ball, das | |
erste Mal so richtig an eine Frau verliehen. Sie heißt Ada Hegerberg, ist | |
Norwegerin und Stürmerin beim französischen Meister Olympique Lyon. Und | |
seit dem Moment ihrer Ehrung debattieren Sportler*innen, Journalist*innen | |
und viele Menschen im Internet und anderswo über Sexismus. | |
Der Preis hat seine Geschichte: Von 1956 bis 2010 vergab ihn die | |
französische Fußballfachzeitschrift France Football an die besten | |
männlichen Fußballspieler des Jahres. Dazu zählten Eusébio, Johan Cruyff, | |
Matthias Sammer. Zwischen 2010 und 2015 kooperierten France Football und | |
die Fifa und schufen die gemeinsame Auszeichnung Fifa Ballon d’Or – weniger | |
traditionell, weniger ruhmreich. In dieser Zeit erhielten auch Frauen den | |
Preis. | |
Seit 2016 verleiht France Football den Ballon d’Or wieder in Eigenregie – | |
bei den Männern gewann sie am Montag der Kroate Luka Modrić; und bei den | |
Frauen wurde nun zum ersten Mal der Ballon d’Or féminin verliehen. Ada | |
Hegerberg nutzte die Chance, diesen Augenblick als einen großen für den | |
Frauenfußball zu würdigen, sie appellierte an Frauen und Mädchen: „Bitte | |
glaubt an euch.“ | |
Einer der Moderatoren, der Musiker und DJ Martin Solveig, überging das, | |
fragte sie nach einigem Geplänkel schließlich, ob sie „Twerken“ kenne – | |
ergo: vorführen wolle. Im Oxford English Dictionary taucht der Begriff als | |
etwas auf, das sich mit „Tanz zu Popmusik in sexuell provozierender Weise | |
mit stoßenden Hüftbewegungen und einer tiefen, hockenden Haltung“ | |
übersetzen lässt. | |
## Konkretes und allgemeines | |
Ein sichtlich irritiertes „No“ ringt Hegerberg sich ab, dann sieht es schon | |
aus, als wolle sie die Bühne verlassen. In ein „normales“ Tänzchen mit dem | |
Moderator willigt sie aber schließlich ein. Auch der als bester | |
Nachwuchsspieler geehrte Kylian Mbappé hatte zuvor für Solveig getanzt. | |
Dann kommt Hegerberg auf die Bühne – und wird nach dem eindeutig sexuell | |
konnotierten Tanz gefragt. „Ich fand das nicht sexistisch“, sagte die | |
Stürmerin nach der Zeremonie. | |
Drum fiel auch in dieser Debatte, wie in überhaupt sehr vielen | |
Sexismusdiskussionen, irgendwann die Frage, die natürlich viel lieber | |
schon eine Antwort sein möchte: „Wo ist das Problem?“ Gemeint ist: Es gibt | |
keines, wenn nicht mal sie selbst es schlimm findet! | |
Tatsächlich aber ist eine solche Frage nur dann legitim, wenn sie lauten | |
würde: „Wo ist ihr Problem?“, also in diesem Fall das ganz konkrete | |
Problem von Ada Hegerberg. Dann, und nur dann, könnte sie nämlich lauten: | |
Sie hat keines. Wenn sie die Frage des Moderators nicht sexistisch fand, | |
auch, wenn ihr Lächeln gefriert, ihr verstörter Blick etwas anderes | |
suggeriert – schön für sie. | |
Das aber heißt mitnichten, dass die Diskussion, die auf den Abend folgte, | |
illegitim oder gar überflüssig ist. Im Gegenteil: Dass sich so viele | |
Menschen stellvertretend für Ada Hegerberg von der Frage des Moderators | |
unangenehm berührt fühlten, beweist das. Andere Frauen (und auch viele | |
Männer) haben es als sexistisch empfunden, die beste Fußballerin der Welt | |
zu fragen, ob sie nicht mal ein bisschen mit ihrem Hintern wackeln könne. | |
Zumal „Twerken“ mehr ist als nur das; es ist ein Tanzstil, der Training | |
erfordert, wie die meisten Sportarten, wie auch Fußball. | |
## Diskriminierung statt Empowerment | |
Wieso also fragt Solveig nicht, welchen Trick Hegerberg am Ball besonders | |
gut beherrscht? Weil das vermutlich zu langweilig, zu vorhersehbar wäre. | |
Aber so ein Moderator hat ja einige Monate Zeit, sich auf einen solchen | |
Abend vorzubereiten, und vielleicht wären ihm sogar Fragen eingefallen, die | |
weder langweilig noch sexistisch sind, wenn er sich Mühe gegeben hätte. | |
Genügend Anknüpfungspunkte hatte Hegerberg ihm allein mit ihrer Rede | |
geliefert: Wie junge Mädchen im Fußball gefördert werden könnten; wie es | |
ihr selbst gelungen ist, an sich zu glauben; welchen strukturellen und ganz | |
alltäglichen Diskriminierungen Fußballspielerinnen noch heute ausgesetzt | |
sind – all das hätte Solveig sie fragen können. Stattdessen aber führte er | |
alles Schlechte, mit dem Frauen konfrontiert sind, gleich selbst vor. Als | |
zynischer Gag gemeint, hätte das vielleicht sogar funktioniert. | |
So aber funktioniert nicht mal Solveigs Entschuldigung wie eine: Er habe | |
niemanden beleidigen wollen, sagte er in einem Video und verwies auf seine | |
schlechten Englischkenntnisse. Diese aber sind tatsächlich noch das letzte, | |
das Solveig leid tun sollte. | |
4 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Hanna Voß | |
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