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# taz.de -- GroKo zu Werbeverbot für Abtreibungen: Wortklauberei um Paragraf 2…
> Zum „Werbeverbot“ für Abtreibungen haben Union und SPD einen
> Kompromissvorschlag vorgelegt. Jetzt gehen die Verhandlungen erst richtig
> los.
Bild: Frauenrechte sind politischer Sprengstoff, das merkt auch die Große Koal…
Nach und nach wird klar, mit welcher Strategie die Große Koalition den
[1][Streit um Paragraf 219a] Strafgesetzbuch beilegen will – wenn auch nur
in Ansätzen. So soll der Paragraf, der „Werbung“ für
Schwangerschaftsabbrüche verbietet, bestehen bleiben, aber ergänzt und
flankiert werden. Die zuständigen Ministerien haben am Mittwochabend ein
Eckpunktepapier vorgelegt. Ein Gesetzentwurf soll im Januar folgen. Die SPD
gibt sich vorsichtig optimistisch, die Opposition und von Strafverfahren
betroffene Ärztinnen üben scharfe Kritik.
Das Eckpunktepapier ist das Zwischenergebnis einer [2][etwa neun Monate
währenden Auseinandersetzung] in der Regierungskoalition, die mehrfach zu
eskalieren drohte. Paragraf 219a bestraft derzeit, wer öffentlich „seines
Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“
Schwangerschaftsabbrüche „anbietet, ankündigt, anpreist“. Er ist damit so
weit gefasst, dass mit bis zu zwei Jahren Gefängnis auch bestraft wird,
wenn Ärzt*innen öffentlich – etwa auf ihrer Webseite – darüber informier…
dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Christliche
Fundamentalist*innen nutzen diesen Spielraum, um Mediziner*innen massiv mit
Strafanzeigen zu überziehen. Die SPD will das ändern, die Union will an dem
Paragrafen unbedingt festhalten.
Diese zwei konträren Positionen haben Bundesjustizministerin Katarina
Barley, Frauenministerin Franziska Giffey (beide SPD), Gesundheitsminister
Jens Spahn, Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU) und Innenminister Horst
Seehofer (CSU) nun zusammenzubringen versucht. Das Ergebnis: Das Verbot der
„Werbung“ soll beibehalten, aber ergänzt werden, der „Schutz des
ungeborenen Lebens“ soll gestärkt, die Information von staatlicher Seite
ausgebaut und die „seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen“
wissenschaftlich erforscht werden.
Die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
sollen künftig ungewollt Schwangeren, die sich für einen Abbruch
entschieden haben, Kontaktinformationen zur Verfügung stellen, wenn die
betreffenden Ärzt*innen und Krankenhäuser dem zugestimmt haben. Zudem wolle
man „rechtlich ausformulieren, dass und wie Ärztinnen und Ärzte sowie
Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie
Schwangerschaftsabbrüche durchführen“, und auf Informationen etwa
staatlicher Stellen hinweisen dürfen. Die Bundesregierung werde „genau
definieren, welche Informationen der Arzt geben darf“, sagte Spahn am
Donnerstag.
## Vieles ist noch unklar
Bei diesem „dass und wie“ dürfte es sich um den Knackpunkt des Papiers
handeln – die MinisterInnen bleiben hier noch deutlich schwammiger als im
Rest des Dokuments. Es könnte bedeuten, dass Ärzt*innen künftig darüber
informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ob sie
dies operativ oder medikamentös tun und was zu beachten ist. Es könnte auch
bedeuten, dass sie ungewollt Schwangere lediglich per Link auf die Webseite
der Bundesärztekammer verweisen können und das Wort
„Schwangerschaftsabbruch“ selbst gar nicht auftaucht.
Von der ursprünglichen Forderung der SPD, den Paragrafen ganz aufzuheben,
ist nichts mehr übrig. Das wäre mit der Union aber ohnehin undenkbar
gewesen. Alternativ hatten die Sozialdemokrat*innen vorgeschlagen, den
Tatbestand zu ändern und die Worte „anbieten“ sowie „ankündigen“ zu
streichen. Stehen bliebe dann das „anpreisen“. Auch das ging den
unionsgeführten Ministerien wohl zu weit. „Nicht nur das Anpreisen trägt
zur Verharmlosung bei, sondern auch die sachliche Information als Angebot
auf der Homepage eines Arztes“, hatte Elisabeth Winkelmeier-Becker,
rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, schon im Januar im
taz-Interview gesagt.
„Es ist gut, dass es nun eine grundsätzliche Einigung gibt“, sagte Johannes
Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, der taz. Dass die
Union „nun endlich eingesehen“ habe, dass der Paragraf geändert werden
müsse, nannte er ein „wichtiges Ergebnis“. CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer betonte, der „Schutz des Lebens, ungeborenes und
geborenes“, habe für die CDU „überragende Bedeutung“. Deswegen sei es �…
dass das Werbeverbot bleibt“. Auf der Webseite der Partei heißt es, man
werde „insbesondere Wert darauf legen, dass durch die Vorschläge keine
Abschaffung des Werbeverbots durch die Hintertür erfolgt“.
Man werde sich den Gesetzentwurf im Januar genau ansehen, heißt es aus der
SPD. „Wenn die Union gesellschaftlichen Fortschritt weiter verhindern will,
wird sie eine progressive, vorwärtsgewandte SPD als entschiedenen Gegner
haben“, kündigte Sebastian Hartmann, Landesvorsitzender der SPD
Nordrhein-Westfalen, an. Der Münchener Bundestagsabgeordnete Florian Post
erklärte, maßgeblich sei für ihn, „ob Ärztinnen wie die verurteilte
[3][Kristina Hänel] ihre alten Homepages ohne die Gefahr einer
Verurteilung“ verwenden könnten. Eine bloße Verlinkung etwa auf behördliche
Webseiten sei nicht ausreichend.
## Widerstand aus der SPD
Deutlicher wurde Maria Noichl, SPD-Europaabgeordnete und Bundesvorsitzende
der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Stellvertretend
für die Gruppe „und für alle Frauen in der SPD“ sagte sie: „Nein und
nochmals Nein zu dem erarbeiteten Papier“. Allein das Wort „Werbung“
suggeriere, Frauen würden sich „zur Abtreibung locken lassen, weil sie
heute gerade nichts anderes zu tun hätten“, sagte Noichl der taz. „Das ist
und bleibt zynisch.“
„Wir als von Strafverfahren betroffene Ärztinnen sind entsetzt“, schrieben
Kristina Hänel, Nora Szász und Natascha Nicklaus in einer gemeinsamen
Erklärung. Hänel hatte mit ihrer Verurteilung im November 2017 die Debatte
um den Paragrafen 219a ausgelöst, Szász’ und Nicklaus’ nächster
Verhandlungstermin steht im Januar an. Der Vorschlag entpuppe sich als
„Nullnummer“: Die Strafandrohung bleibe bestehen, flankierende Maßnahmen
seien auch heute schon möglich. „Wir sind empört, dass aus politischem
Machtkalkül und aus Angst vor Rechts Frauenrechte so verraten und wir
Ärztinnen weiterhin kriminalisiert werden“, heißt es weiter.
Informationsrechte seien Menschheitsrechte. „Das gilt auch für Frauen.“
Schwangerschaftsabbrüche sind auch in der Ärzteschaft ein kontroverses
Thema. Nur etwa 1.200 Mediziner*innen führen Abtreibungen durch – bei etwa
18.500 berufstätigen Ärzt*innen in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Diese Spaltung zeigt sich auch in der Bewertung der Eckpunkte. Ulrich
Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, sagte im Deutschlandfunk, er
sehe in diesen „eine Chance, dieses Thema zu lösen“, und zwar im Interesse
von Frauen und Paaren sowie von Ärzten.
Bernhard Winter, Co-Vorsitzender des Vereins demokratischer Ärztinnen und
Ärzte, erklärte hingegen, eine Verbesserung gebe es nur, „wenn der Paragraf
219a endlich aus dem Gesetzbuch gestrichen wird“. Listen könnten nicht die
medizinisch ausführlichen Informationen ersetzen, die heutzutage auf
ärztlichen Webseiten Standard seien. Angesichts der zunehmenden Angriffe
durch Abtreibungsgegner*innen hätten zu viele Ärzt*innen Angst, „an den
Pranger gestellt zu werden“.
## „Fauler Kompromiss“
Auch Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, zeigte sich
skeptisch. Es komme sehr darauf an, was genau die Ministerien im Januar
vorlegen – und wie sie Werbung und Information differenzieren. „Menschen,
die diese Strafanzeigen als Hobby sehen, werden auch nach der neuen
Rechtslage nach Möglichkeiten suchen, den Druck auf Ärztinnen und Ärzte
aufrechtzuerhalten“, sagt Wersig. Dem müsse der Gesetzgeber klar
entgegentreten.
Von einem „faulen Kompromiss“ sprach die stellvertretende DGB-Vorsitzende
Elke Hannack gegenüber der taz. „Auf Betreiben großer Teile des Union
unterlässt es die Bundesregierung, mit einer Streichung des Paragrafen 219a
klare Kante gegen rechtspopulistische und antifeministische Kräfte zu
zeigen“, sagte Hannack, die selbst Mitglied im CDU-Vorstand ist.
Kritik kam auch von den Oppositionsparteien im Bundestag. „Alle fünf
vorgeschlagenen Punkte gehen die strafrechtliche Problematik für Ärztinnen
und Ärzte nicht an“, kritisierte die Grüne Ulle Schauws das
Eckpunktepapier. Cornelia Möhring von der Linksfraktion sagte, die SPD
wähle „Opportunismus statt Haltung, die Union bleibt standhaft in ihrer
Doppelmoral“.
Er verstehe den Kompromiss so, dass Ärzte auch künftig nicht selbst über
Schwangerschaftsabbrüche informieren dürften, sagte Stephan Thomae,
Vize-Vorsitzender der Liberalen. Er kritisierte zudem, die Koalition
verschleppe eine Lösung.
13 Dec 2018
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Paragraf-219a/!t5480560
[2] /Werbeverbot-fuer-Abtreibungen/!5558260
[3] /Werbeverbot-fuer-Abtreibungen/!5539939
## AUTOREN
Dinah Riese
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