# taz.de -- Todesstrafe in Japan: Negativrekord für die Henker | |
> In Japan ist die Zahl der vollstreckten Todesurteile so hoch wie seit | |
> zehn Jahren nicht mehr. Die Regierung ignoriert internationale Kritik. | |
Bild: Knöpfe in einem Hinrichtungsraum in Tokio | |
TOKIO taz | Kurz vor dem Jahreswechsel werfen zwei Hinrichtungen ein | |
Schlaglicht auf die speziellen Umstände der Todesstrafe in Japan. Am | |
Donnerstag wurden zwei zum Tode verurteilte Raubmörder in einem Gefängnis | |
in Osaka gehängt. Der 60-jährige Keizo Okamoto, ein früherer | |
Yakuza-Gangster, und der 67-jährige Hiroya Suemori, ein Ex-Anlageberater, | |
hatten 1988 zwei Geschäftsleute entführt, umgerechnet 800.000 Euro erpresst | |
und sie erwürgt. „Die Vollstreckungen waren das Ergebnis von zahlreichen | |
sorgfältigen Abwägungen“, erklärte Justizminister Takashi Yamashita. | |
Damit stieg die Zahl der Exekutionen in Japan im Jahr 2018 auf 15, so viel | |
wie zuletzt 2008. Dies lag vor allem daran, dass im Juli 13 [1][Mitglieder | |
der Endzeitsekte Aum exekutiert wurden]. In den sechs Amtsjahren des | |
konservativen Premierministers Shinzo Abe wurden bisher insgesamt 36 | |
Menschen gehängt. Die Regierung beschreite den Weg zu Massenexekutionen, | |
kritisierte [2][Amnesty International]. Damit handele Japan gegen den | |
globalen Trend. | |
Bei der letzten UN-Vollversammlung hatte sich eine Rekordzahl von 121 | |
Nationen für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt. Dies hält | |
Justizminister Yamashita jedoch für „unangemessen“. Derzeit sitzen noch 109 | |
Verurteilte in Todeszellen. | |
Seit Jahrzehnten ignoriert Japan auch die Kritik an dem brutalen Umgang mit | |
den Todeskandidaten. Die jetzt exekutierten Männer saßen 23 Jahre lang in | |
einer Todeszelle. Dabei durften sie nicht mit anderen Insassen sprechen, | |
nicht fernsehen und keinen Hobbys nachgehen. Allein auf knapp sieben | |
Quadratmetern eingesperrt, die Glühlampen niemals ausgeschaltet, viele | |
Zellen ganz ohne Tageslicht, ertragen viele Gefangene ihre Isolation nur | |
mit Hilfe von Schlaftabletten. | |
Die Todesurteile der beiden Männer wurden im September 2004 vom Obersten | |
Gericht bestätigt. Danach mussten sie jeden Morgen damit rechnen, dass der | |
neue Tag ihr letzter sei, da sie von ihrer Hinrichtung erst wenige Stunden | |
vorher erfahren. Diese ständige Ungewissheit wird seit Langem als | |
Psychofolter kritisiert. | |
Angehörige und Medien werden erst nach der Hinrichtung informiert. „Der | |
Staat schämt sich dafür, dass er Morde verbietet, aber selbst Menschen | |
tötet“, meinte die Journalistin Kimiko Otsuka, die zahlreiche Wärter in den | |
Todestrakten befragt hat. Die Exekutionen finden stets außerhalb von | |
Parlamentssitzungen statt. Dreißig Jahre lang durften Parlamentarier nicht | |
einmal die leere Todeskammer des Gefängnisses von Tokio sehen. „Die | |
Todesstrafe dient in Japan nicht der Abschreckung, sondern der Staat will | |
demonstrieren, dass er Recht und Ordnung aufrechterhält“, meint Makoto | |
Teranaka, Ex-Generalsekretär von Amnesty International Japan. | |
## Strategie des Versteckens | |
Diese Strategie des Versteckens scheint erfolgreich gewesen zu sein. | |
International ist kaum bekannt, dass Japan als einzige entwickelte | |
Industrienation außer den USA die Todesstrafe vollstreckt – und dies für 17 | |
verschiedene Delikte. Allerdings regt sich auch in Japan Widerstand. Der | |
Verband der Anwaltskammern fordert die Ersetzung der Todesstrafe durch | |
lebenslange Haft ohne Entlassung bis zum Jahr 2020, wenn die Olympischen | |
Spiele in Tokio stattfinden. | |
Vor wenigen Wochen bildete sich eine parteiübergreifende Gruppe von | |
Parlamentariern, die eine Alternative zur Todesstrafe suchen wollen. Zwar | |
befürworten 80 Prozent der Japaner laut einer vier Jahre alten Umfrage die | |
Todesstrafe. Aber dies dürfte damit zusammenhängen, dass die meisten wegen | |
der staatlichen Heimlichtuerei fast nichts darüber wissen. | |
27 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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