# taz.de -- Aktivistin gegen G20 in Argentinien: Von Gipfel zu Gipfel | |
> Die 24-jährige Marta Music ist überall, wo sich der globale Protest gegen | |
> G20 trifft. 2017 war sie in Hamburg dabei, jetzt demonstriert sie in | |
> Buenos Aires. | |
Bild: Junge Menschen protestieren vor dem argentinischen Kongress gegen den G20… | |
Buenos Aires taz | Als Marta Music das Gebäude des sozialwissenschaftlichen | |
Fachbereichs der Uni Buenos Aires betritt, hat sie Tränen in den Augen. | |
„Pure Emotionen“, sagt die 24-Jährige. „Genau vor einem Jahr haben wir h… | |
den Völkergipfel gegen das Treffen der Welthandelsorganisation | |
veranstaltet.“ Heute ist es der Völkergipfel gegen [1][das G20-Treffen.] | |
Im Forum „Öffentliche Güter und Souveränität“ sind die Stuhlreihen gut | |
besetzt. Zwischen neun Personen sitzt Marta Music auf dem Podium. Als | |
letzte ist sie an der Reihe. Sie spricht über das Konzept der politischen | |
Ökologie, zählt die Krisen auf, die über den Kapitalismus hinausreichen und | |
zieht zum Schluss die Verbindungen zu ihren VorrednerInnen. | |
[2][Beim Hamburger G20 war sie mehr auf der Straße] als bei den | |
Veranstaltungen. Zuerst Welcome to Hell, am Tag danach der Versuch in die | |
rote Zone zu kommen und am Ende der bunte gemeinsame Marsch. „Ich wollte | |
alles sehen.“ Ihr Blick geht nach innen, sie ruft die Bilder der Demos ab, | |
und von St. Pauli, wo sie untergekommen war. | |
In Buenos Aires wohnt sie in San Telmo. An der Ecke Defensa und Avenida San | |
Juan, nicht weit von der Plaza Dorrego. Auf dem Platz wird abends Tango | |
getanzt. Der Unterschied zu St. Pauli sei schon krass. Dort wäre beim G20 | |
niemand auf diese Idee gekommen. „Aber so ist es gut, hier geht das Leben | |
auch während des G20 weiter.“ | |
## Theorie und Praxis | |
Morgens joggt sie durch Puerto Madero. 15 Kilometer rund um die | |
Hafenbecken, wenn nötig auch bis ins Naturreservat am Río de la Plata. | |
Stressabbau. 50 Veranstaltungen organisieren, in diversen Kommissionen | |
sitzen und auch noch an der Doktorarbeit schreiben. „Wenn ich nicht jogge, | |
werde ich verrückt.“ Heute läuft sie wieder bis zum Flussufer. Ab morgen | |
geht das nicht mehr. Dann ist Puerto Madero für die Staatsgäste | |
abgeriegelt. | |
In Paris geboren, die Eltern aus Ex-Jugoslawien, ist sie in Frankreich und | |
Serbien aufgewachsen. Zwei Länder, zwei Kulturen, zwei Reisepässe. „Wo | |
gehöre ich hin, wer bin ich? Ich musste die Verbindungen knüpfen.“ Zum | |
Studieren ging sie an die School of Oriental and African Studies in London. | |
[3][Nach einem Jahr Studium des Marxismus,] sozialer Bewegungen und Kämpfe | |
wollte sie praktische Erfahrungen machen. | |
„Ich wollte die Theorie in der Praxis anwenden.“ Zu fünft fuhren sie im | |
Auto nach Hamburg. „Danach war mir klar: Mit einem Bein in der Akademie, | |
mit dem anderen in der Bewegung.“ Sie engagiert sich bei Attac France, | |
knüpft Verbindungen nach Argentinien, wo der nächste G20 stattfindet. | |
Mehrmals fliegt sie nach Buenos Aires. | |
„Ich bin weiße, europäische Mittelklasse, das macht es hier mitunter | |
schwierig, Der Kolonialismus richtet noch immer viel Schaden an.“ Sie lernt | |
Bescheidenheit [4][und bewundert zugleich die Frauenbewegung.] „Der | |
Machismo erfordert starke Frauen.“ Sie lernt mit harten Bandagen zu | |
verhandeln. „Der basisdemokratische Modus ist für zentralistisch geprägte | |
männliche Gewerkschafter eine ganz schwere Kost.“ | |
## Feminismus gegen G20 | |
Vor dem Kongressgebäude steht jetzt eine kleine Zeltstadt. Über Nacht | |
wurden sie aufgestellt. Hier und dort wird noch letzte Hand angelegt. So | |
beginnt der zweite Tag des Völkergipfels. Hinweisplakate wie „Zelt für | |
Ernährungssouveränität“ oder „Zelt des feministischen Forums gegen den G… | |
hängen über den Eingängen. Marta ist mit dem Verteilen des Programms | |
beschäftigt. | |
Plötzlich wird gelacht und gejohlt. Ein übergroßer Baby-Trump-Ballon wird | |
aufgeblasen. Für die internationale Presse die Gelegenheit zum | |
Fotoshooting. Marta gibt Kurzinterviews. Mühelos switscht sie von einer | |
Sprache zur anderen. Englische, französische und spanische Satzfetzen sind | |
zu hören: „…heute bewusst in die Öffentlichkeit gegangen… Räume schaff… | |
in denen wir Erfahrungen austauschen, Alternativen entwickeln… | |
Themenvielfalt die, soziale und politische Bewegungen, Frauen, Campesinos, | |
Indigene, Afro-Nachfahren zusammenbringen…“ und immer wieder: „Verbindung… | |
knüpfen“. | |
Von ihrer Wohnung in San Telmo hat sie es nicht weit bis zum Anfang der | |
Strecke auf der am Freitag nachmittag die große Demonstration gegen den G20 | |
stattfindet. Von der Avenida San Juan geht es über die Avenida 9 de Julio | |
und durch die Avenida de Mayo vor das Kongressgebäude. „Demonstrieren ist | |
in Buenos Aires viel gefährlicher als in Hamburg.“ Sie hat Angst vor | |
eingeschleusten Provokateuren. „Den G20 angreifen? Die Polizei bringt Dich | |
um und geht straflos aus.“ | |
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Das ist der G7 im südfranzösischen | |
Biarritz im August 2019. Da wird Attac France ganz groß dabei sein. „Wir | |
haben schon Verbindungen mit den BaskInnen geknüpft,“ sagt Marta Music. „Ob | |
ich danach Japanisch lerne, weiß ich noch nicht.“ Osaka übernimmt von | |
Buenos Aires den G20-Staffelstab. | |
30 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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