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# taz.de -- Geflüchtete müssen Schlangestehen: Warten auf dunklen Fluren
> Im Bezirksamt Wandsbek müssen Flüchtlinge, die zur Ausländerabteilung
> möchten, nachts im Flur warten. Dort gibt es weder Licht noch Security.
Bild: Im Bezirksamt Hamburg-Wandsbek herrschen Zustände wie in de Neuziger Jah…
Hamburg taz | Wer versucht, einen Termin im Bezirksamt Wandsbek zu machen,
muss gar nicht lange warten – außer, es geht um Ausländerangelegenheiten.
Wer zum Beispiel seinen elektronischen Aufenthaltstitel verlängern muss,
hat ein Problem. „Sechs Wochen lang waren online keine Termine verfügbar“,
sagt Sarah Heinz, Pädagogin bei der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Si!
Soziales & Innovation“.
Deshalb sei sie mit ihrem Klienten Ajmal F.* einfach hingegangen und habe
sich in die Schlange gestellt – drei Mal. Jedes Mal vergeblich. Denn schon
drei Stunden bevor das Bezirksamt überhaupt öffnet, werden keine
Wartenummern mehr vergeben. Nur wird das nirgendwo kommuniziert. Nachdem
Heinz und ihr Klient F., ein Minderjähriger Afghane, stundenlang in der
Schlange gestanden hätten, sei irgendwann ein Aufsteller rausgestellt
worden: „Heute keine Vergabe von Wartenummern mehr.“ Das stundenlange
Warten war umsonst.
Also seien sie beim nächsten Mal noch früher gekommen: F. sei mit der
letzten Bahn um 23:30 zum Bezirksamt gefahren, um die Nacht dort zu
verbringen. Dort angekommen, sei er bereits der Zweite gewesen, um 1 Uhr
hätten sie zu fünft gewartet, um 3 Uhr zu zwanzigst. Als Heinz um kurz nach
vier Uhr dazugekommen sei, seien bereits 44 Wartende vor Ort gewesen.
Immerhin sind die Flure des Bezirksamt nachts geöffnet. „Viele Menschen
schliefen auf den Fensterbänken, auf den Fluren, teilweise mit kleinen
Kindern“, sagt Heinz. „Das ist Kindeswohlgefährdung.“ Es sei zudem dunkel
gewesen, sie habe mit ihrer Handytaschenlampe leuchten müssen, um sich
zurechtzufinden.
## Wartelisten werden nicht akzeptiert
„Über eine defekte Deckenbeleuchtung ist hier nichts bekannt“, sagt Claudia
Petschallies, Sprecherin des Bezirksamts Wandsbek. Das Problem mit den
Wartezeiten hingegen habe man auf dem Schirm. Der Grund dafür sei
Personalmangel. Seit September 2018 hätten drei Mitarbeiter*innen das
Bezirksamt verlassen. Die Stellen seien nachbesetzt worden – bis die Neuen
anfangen, werde es aber noch drei Monate dauern. Dann müssen sie noch
eingearbeitet werden – der Missstand dürfte also noch länger als drei
Monate bestehen.
Als Heinz und ihr Klient sich im Bezirksamt die Nacht um die Ohren
geschlagen hätten, sei ein Wartender auf die Idee gekommen, eine Warteliste
auszulegen, damit die Asylsuchenden nicht stundenlang in einer Reihe stehen
müssten. Am Empfangsbereich hänge jedoch ein Schild mit der Aufschrift „Ab
sofort werden Wartelisten zur persönlichen Vorsprache nicht mehr
berücksichtigt.“ Gegen fünf Uhr sei daran ein Streit entbrannt: Ein neu
Angekommener habe die Warteliste nicht akzeptieren wollen. Unter den
übermüdeten und gestressten Menschen sei es zum Handgemenge gekommen.
Security- Mitarbeiter sind nachts nicht im Bezirksamt – ihre Schicht
beginnt um sechs. Heinz hat Dienstaufsichtsbeschwerde beim Bezirksamt
eingelegt und eine Petition bei der Bürgerschaft eingereicht. Darin fordert
sie, dass Abhilfe geschaffen werde – es handele sich bei den Zuständen in
der Ausländerabteilung um „Kindeswohlgefährdung in organisierter Form“.
Ihr Klient habe seinen elektronischen Aufenthaltstitel am Ende bekommen –
und erfahren, dass er sich den ganzen Stress hätte sparen können. Die
Sachbearbeiterin, die Heinz und F. nach der langen Wartezeit zu Gesicht
bekamen,habe ihnen erklärt, dass man durchaus Termine im Internet machen
könne. Zwar seien die normalerweise ausgebucht, aber neue Termine würden
regelmäßig gegen ein, zwei Uhr nachts online gestellt. Sie könnten sich ja
einen Wecker stellen.
3 Dec 2018
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Flüchtlinge
Hamburg
Ausländerbehörde
Aufenthaltsrecht
Abschiebung
Hamburg
Obdachlosigkeit
Hamburg
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