| # taz.de -- Hamburg schafft Abschiebezentrum: Integration bleibt ein Fremdwort | |
| > Neue Struktur in der Erstaufnahme in Rahlstedt: Unter menschenunwürdigen | |
| > Bedingungen warten Geflüchtete auf ihre „Rückführung“. | |
| Bild: Aus dem Ankunftszentrum in Hamburg ist nun ein – na klar – Tschüss-Z… | |
| HAMBURG taz | Außerordentlich deprimiert“ sei sie gewesen, als sie die | |
| Zentrale Erstaufnahme (ZEA) verließ, sagt Christiane Schneider, | |
| Bürgerschaftsabgeordnete der Linken. Drei Stunden hatte sie sich am | |
| Donnerstag in der Rahlstedter Einrichtung aufgehalten, die die erste | |
| Anlaufstelle für alle neu nach Hamburg kommenden Flüchtlinge ist. Am Ende | |
| ihrer Visite stand Schneiders Erkenntnis: „Hier ist ein Ankerzentrum | |
| entstanden“, in dem Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive über Monate in zwei | |
| Hallen zusammengepfercht werden – ohne jede Privatsphäre. | |
| Denn seit dem 1. Oktober ist hier alles neu. Wurden Geflüchtete bislang | |
| innerhalb weniger Wochen in eine Erstaufnahmeeinrichtung verlegt, müssen | |
| nun die Flüchtlinge hier bleiben, die eine „schlechte Bleibeperspektive“ | |
| haben. Das betrifft vor allem die sogenannten „Dublin-Fälle“, die bereits | |
| bei ihrer Ankunft in Europa in einem Staat mit EU-Außengrenze registriert | |
| wurden. Es betrifft aber auch Asylsuchende, die aus einem angeblich | |
| „sicheren Herkunftsstaat“ stammen, und damit zunächst nicht asylberechtigt | |
| sind. | |
| Vorrangiges Ziel sei, so bekennt der Senat in einer Antwort auf eine | |
| Anfrage von Christiane Schneider, „eine möglichst schnelle Rückführung“ … | |
| den Heimatstaat oder in das Land, in dem die Geflüchteten erstmals | |
| europäischen Boden betreten haben. | |
| Statt um Integration geht es deshalb in Rahlstedt nur noch um | |
| Abschiebevorbereitung. So erhalten die Geflüchteten laut Senat zwar „nach | |
| kurzer Zeit eine Rückkehrberatung unter Darlegung aller | |
| Unterstützungsmöglichkeiten bei einer freiwilligen Ausreise“, eine | |
| unabhängige Rechtsberatung, die auch ihre Bleibeperspektive einschließen | |
| würde, gibt es vor Ort aber – entgegen aller Konventionen – nicht. | |
| ## Kaum Zugang zu Rechtsberatung | |
| Dafür müssen die Geflüchteten, die sich in Hamburg nicht auskennen, | |
| Verständigungsprobleme haben und meist auf einen Dolmetscher angewiesen | |
| sind, den Weg zur Öffentlichen Rechtsauskunft in der Dammtorstraße | |
| antreten. „Dieses Angebot wird so gut wie überhaupt nicht angenommen“, hat | |
| die Leiterin der Zentralen Erstaufnahme Schneider erklärt. So gehen die | |
| Geflüchteten meist rechtlich völlig uninformiert in ihr Asylverfahren – und | |
| damit chancenlos. | |
| Alles ist auf Ausreise „nach kurzer Zeit“ angelegt. So erhalten die | |
| Geflüchteten, wie aus der Senatsantwort hervorgeht, keinen | |
| Deutschunterricht, dafür aber „Basissprachkurse Italienisch, Griechisch, | |
| Polnisch, Schwedisch“, je nachdem, welches Land ihre erste Anlaufstation in | |
| Europa war – und nach dem Willen der Ausländerbehörde auch ihre neue Heimat | |
| sein wird. Auch biete „der Träger keine Kinderbetreuung“ an, so Christiane | |
| Schneider, der Spielplatz sei derzeit geschlossen. | |
| ## Bis zu sechs Monate verharren | |
| Bis zu sechs Monate müssen die sogenannten „Ausreisepflichtigen“ unter | |
| diesen Bedingungen in der Zentralen Erstaufnahme verharren, die in einem | |
| Gewerbegebiet ohne jede soziale Infrastruktur liegt. In zwei Hallen, in der | |
| die „individuellen“ Wohnbereiche durch Leichtbauwände voneinander | |
| abgetrennt sind, die bei weitem nicht bis zur Decke reichen. Rückzugsraum | |
| oder gar Intimsphäre gibt es nicht. Die MitarbeiterInnen der Einrichtung | |
| dürfen die aus Brandschutzgründen nicht abschließbaren „Kompartiments“ | |
| jederzeit betreten – auch in Abwesenheit der hier Lebenden. | |
| Die Hallenbeleuchtung wird abends zentral aus- und am morgen wieder | |
| eingeschaltet. Die Luft ist laut Schneider „so verbraucht, dass ich bereits | |
| nach zehn Minuten Kopfschmerzen bekommen habe“. Auch die andauernde | |
| Geräuschkulisse sei unerträglich. Kommt nachts die Polizei, um eineN der | |
| BewohnerInnen zwangsweise abzuschieben, was oft zu größeren Tumulten führt, | |
| bekommen es alle mit – auch die hier untergebrachten Kinder. | |
| „Das ist kein Zustand“, klagt Schneider. Sie fordert nun von den Behörden, | |
| die Geflüchteten wie früher in andere Erstaufnahmeeinrichtungen | |
| weiterzuverteilen, in denen Integration, Kinderbetreuung und Privatsphäre | |
| keine Fremdworte sind. | |
| 16 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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